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18. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_325/2015 vom 9. Februar 2016 | |
Regeste |
Art. 117 ff. ZPO; unentgeltliche Rechtspflege; Zulässigkeit des Erfordernisses einer Abtretungserklärung. | |
Sachverhalt | |
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Mit Beschluss vom 25. September 2014 bewilligte das Bezirksgericht beides unter der Voraussetzung, dass der Kläger innert 20 Tagen eine Abtretungserklärung unterzeichne, mit der er einen ![]() | 2 |
B. Eine gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Klägers wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 21. Mai 2015 ab und setzte ihm eine Frist von 10 Tagen ab Zustellung des Entscheids an, um dem Bezirksgericht die Abtretungserklärung einzureichen.
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C. Gegen das Urteil des Obergerichts erhob der Kläger Beschwerde in Zivilsachen und subsidiäre Verfassungsbeschwerde ans Bundesgericht und beantragte unter anderem, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und es sei das Bezirksgericht zu verpflichten, ihm für das zivilrechtliche Verfahren vor dem Bezirksgericht die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und in der Person seines jetzigen Rechtsvertreters einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bestellen, ohne Auferlegung der Bedingung der Unterzeichnung einer Abtretungserklärung.
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Am 9. Februar 2016 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es trat auf die subsidäre Verfassungsbeschwerde nicht ein und wies die Beschwerde in Zivilsachen ab, soweit es darauf eintrat.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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2.1 Vor Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) bestand zumindest in den Kantonen Zürich und St. Gallen eine gefestigte Praxis, wonach die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege davon abhängig gemacht werden konnte, dass die gesuchstellende Partei die strittigen Ansprüche bis zu einem bestimmten Höchstbetrag dem Staat abtrat (vgl. Urteil der Präsidentin der ![]() | 8 |
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2.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 117 ff. ZPO, Art. 26 BV, Art. 29 BV und von Art. 6 EMRK. Er bringt vor, die Abtretung des Prozessgewinns sei seit Inkrafttreten der ZPO bundesrechtswidrig, weil die unentgeltliche Rechtspflege nicht mehr ein kantonales Institut der Justizverwaltung sei und sich deren Umfang und Entzug ausschliesslich nach der ZPO richte. Die Art. 117-123 ZPO ![]() | 10 |
Erwägung 3 | |
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3.2 In der Lehre bestehen unterschiedliche Meinungen. Ein Teil der Autoren hält die Verpflichtung zur Abtretung des Prozessgewinns seit Inkrafttreten der ZPO für bundesrechtswidrig (BÜHLER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 135 zu Art. 118 ZPO; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 118 ZPO; wohl auch LUKAS HUBER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander ![]() | 12 |
Ein anderer Teil der Lehre ist demgegenüber der Auffassung, dass es auch unter der Geltung der ZPO möglich sei, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von der Abtretung des Prozessgewinns abhängig zu machen (EMMEL, a.a.O., N. 4 zu Art. 123 ZPO; INGRID JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 123 ZPO; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 N. 74; DANIEL WUFFLI, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 138, 594 f., 600 ff. und 961). Einschränkend wird von diesen Autoren aber gefordert, dass die Abtretung nur zulässig sei, sofern sie unter die Suspensivbedingung gestellt werde, dass eine Pflicht zur Nachzahlung entstehe (EMMEL, a.a.O., N. 4 zu Art. 123 ZPO; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 N. 74; wohl auch WUFFLI, a.a.O, Rz. 961) bzw. die Voraussetzungen der Nachzahlungspflicht nicht unterlaufen würden (JENT-SØRENSEN, a.a.O., N. 5 zu Art. 123 ZPO).
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Erwägung 4 | |
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Die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 117 ff. ZPO dient dem Zugang zum Gericht. Mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege soll eine nicht über genügend finanzielle Mittel verfügende Partei in den Stand versetzt werden, zur Durchsetzung ihrer Rechte einen Prozess zu führen. Es soll ihr, gleich wie einer vermögenden Partei, der Zugang zum Gericht ungeachtet ihrer Bedürftigkeit gewährleistet sein (BGE 140 III 12 E. 3.3.1; BGE 139 I 138 E. 4.2; BGE 135 I 91 E. 2.4.2.3; je mit Hinweisen).
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Die unentgeltliche Rechtspflege garantiert der bedürftigen Person aber keine definitive Übernahme der Kosten des Prozesses durch den Staat (BGE 135 I 91 E. 2.4.2.2 ff.; BGE 122 I 322 E. 2c S. 324, BGE 122 I 5 E. 4a S. 6; je mit Hinweisen). Vielmehr hat die bedürftige Person die Prozesskosten selbst zu tragen, soweit es ihre wirtschaftliche Situation zulässt. So kann der Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde, diese wieder entzogen werden, wenn sie während des Verfahrens zu den erforderlichen finanziellen Mitteln kommt (Art. 120 ZPO; vgl. BGE 141 I 241 E. 3). Sodann ist die Partei, der die ![]() | 18 |
Aus dem Zweck, dass der Staat bei der unentgeltlichen Rechtspflege die Prozesskosten lediglich bevorschusst und die bedürftige Person diese Kosten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit selbst zu tragen hat, ergibt sich die Zulässigkeit der Abtretung. Sie erleichtert die Durchsetzung des staatlichen Nachzahlungsanspruchs, indem schon bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege geregelt wird, dass der Staat für seine mögliche Nachzahlungsforderung nach Art. 123 Abs. 1 ZPO statt auf die bedürftige Partei direkt auf deren Prozessgegner, in casu eine Versicherungsgesellschaft, greifen kann.
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4.3 Die unentgeltliche Rechtspflege wurde dem Beschwerdeführer vollständig gewährt. Er ist somit trotz seiner finanziellen Bedürftigkeit im Stande, zur Durchsetzung seiner Rechte den Prozess gegen die Beschwerdegegnerin zu führen. Sein Zugang zum Gericht wird durch die Unterzeichnung der Abtretungserklärung nicht ![]() | 21 |
4.4 Es ist nach dem Gesagten auch unter der Geltung der ZPO zulässig, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von der Abtretung eines allfälligen Prozessgewinns bis zur Höhe der auf den Gesuchsteller entfallenden Gerichtskosten und der Kosten der anwaltlichen Vertretung abhängig zu machen. (...)
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