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42. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und Pensionskasse C. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_553/2015 vom 10. März 2016 | |
Regeste |
Art. 261 Abs. 1 OR; Art. 779c ZGB; Übergang des Mietverhältnisses beim Heimfall einer im Baurecht erstellten Baute? | |
Sachverhalt | |
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A.a Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 24. Mai 1968 räumte der damalige Grundeigentümer D. der E. (heute: Pensionskasse C.; nachfolgend: Vermieterin, Streitberufene) auf dem Grundstück U.-Gbbl. Nr. x ein selbstständiges und dauerndes Baurecht bis 30. April 2013 ein (Art. 675 und 779 ZGB). Für den Fall der Nichteinigung über eine Verlängerung des Baurechtsvertrages wurde die Übernahme der Bauten und Anlagen durch den Grundeigentümer gegen Vergütung zum dannzumaligen Zustandswert vereinbart. Das Baurecht wurde als eigenes Grundstück in das Grundbuch aufgenommen (U.-Gbbl. Nr. y).
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Das baurechtsbelastete Grundstück U.-Gbbl. Nr. x wurde im Jahre 2012 von B. (Beklagte, Beschwerdegegnerin) erworben. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 8. April 2013 mit, dass deren Mietverhältnis mit der Vermieterin durch Heimfall per 30. April 2013 dahinfalle, sich die Klägerin deshalb ab 1. Mai 2013 in einem vertragslosen Zustand befinden werde und künftige Zahlungen direkt und als Entschädigung, ausdrücklich aber nicht als Mietzins entgegengenommen würden.
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Am 23. April 2013 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag mit der Klägerin auf den 30. September 2014 mittels amtlichem Formular.
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B.
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B.a Mit Eingabe vom 28. August 2013 erhob die Klägerin beim Regionalgericht Bern-Mittelland Klage gegen die Beklagte und beantragte im Wesentlichen, die Kündigung vom 23. April 2013 sei als ungültig zu erklären, eventualiter sei das Mietverhältnis erstmalig um zwei Jahre zu erstrecken. Gleichzeitig verkündete sie der Vermieterin den Streit.
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Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und in prozessualer Hinsicht, das Verfahren sei auf die Frage betreffend den Übergang des Mietverhältnisses zu beschränken. Sie verkündete der Streitberufenen ebenfalls den Streit.
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An der Hauptverhandlung vom 7. Mai 2014 wurde das Verfahren auf die Frage der Passivlegitimation der Beklagten beschränkt und die Streitberufene für diesen ersten Teil des Verfahrens als Intervenientin zugunsten der Klägerin zugelassen. Mit Entscheid vom 2. Februar 2015 wies das Regionalgericht Bern-Mittelland die Klage ab.
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B.b Dagegen erhob die Klägerin Berufung beim Obergericht des Kantons Bern, welches in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheides die Klage mit Entscheid vom 8. September 2015 abwies.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht unter Aufrechterhaltung ihrer vorinstanzlichen Begehren die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts des Kantons Bern vom 8. September 2015.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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(Zusammenfassung)
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5.2 In der Lehre wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ob und wenn ja wieweit Art. 261 OR bei Erlöschen eines beschränkten dinglichen Rechts - wobei es in der Praxis um die Nutzniessung und das Baurecht geht - analog anwendbar ist. Eine analoge Anwendung befürworten: ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 2015, N. 2 zu Art. 261a OR; Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 7 zu Art. 261-261a OR; PETER HEINRICH, in: Vertragsverhältnisse, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 2 zu Art. 261-261b OR; ISLER/GROSS, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 4 zu Art. 779c ZGB; MAX BAUMANN, in: Zürcher Kommentar zum Zivilgesetzbuch, 3. Aufl. 1999, N. 12 zu Art. 751 ZGB und N. 21 zu Art. 758 ZGB (bezieht sich auf die Nutzniessung); PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, 4. Aufl. 2012, Rz. 2430a und Rz. 2438c (bezogen auf die Nutzniessung, keine expliziten Ausführungen zum Baurecht); NICOLAS SAVIAUX, Le sort du bail en cas de changement de propriétaire, ![]() | 17 |
Jener Teil der Lehre, der sich vertieft mit dem Erlöschen des Baurechts befasst, erachtet in Anlehnung an die Wertungen in BGE 113 II 121 als entscheidend, ob die Beendigung des Baurechts für den Mieter voraussehbar war. War sie nicht voraussehbar, sei eine analoge Anwendung des Art. 261 Abs. 1 OR gerechtfertigt wie beim Untergang der Nutzniessung durch Tod. Gehe jedoch das Baurecht unter durch Zeitablauf, sei im Grundsatz ein Übergang des Mietvertrages abzulehnen. In diesem Fall könne der Mieter wissen, wann die Rechte seines Vermieters untergingen. Auch die Interessenlage des Grundeigentümers, dem die Bauwerke heimfallen, sei eine andere als diejenige des Käufers einer Liegenschaft, der - wenn er sich zum Kauf entscheide - um das Bestehen des Mietvertrages wisse. Der Grundeigentümer dürfe vielmehr davon ausgehen, dass er sein Eigentum unbelastet zurückerhalte (PAUL-HENRI STEINAUER, Retour anticipé et extinction du droit de superficie, in: Droit de superficie et leasing immobilier, Bénédict Foëx [Hrsg.], 2011, S. 75). HÜRLIMANN-KAUP erachtet die Interessenlage im Fall des Untergangs durch Zeitablauf nicht als eindeutig, denn der Mieter wisse unter Umständen nicht, dass sein Vermieter lediglich Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts sei, sodass er sich nicht rechtzeitig um ein Ersatzobjekt bemühen könne. Im Gegensatz zu STEINAUER stellt sie also auf das tatsächliche Wissen ab. Namentlich angesichts der Wertungen des Gesetzgebers bei der Untermiete, wo der Anspruch des Untermieters auf Realerfüllung des Untermietvertrages durch die Dauer des Hauptmietvertrages beschränkt sei, lehnt sie aber ebenfalls eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bei Untergang des beschränkten dinglichen Rechts (Nutzniessung und Baurecht) durch Zeitablauf ab (HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., Rz. 695, 697 und 707 f.). Auf den Vergleich mit dem Untermietverhältnis beziehen sich auch PIOTET und ihm folgend HENGGELER, die eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR aber vor allem aus ![]() | 18 |
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Die Beschwerdeführerin rügt, damit verkenne die Vorinstanz die Tragweite von Art. 970 Abs. 4 ZGB. Auch wenn das Grundbuch öffentlich ist, könne nicht vorausgesetzt werden, dass eine Mieterschaft im Grundbuch nachforscht, ob die Vermieterin nur Baurechtsnehmerin oder Eigentümerin ist und wann ein allfälliges Baurecht abläuft.
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Vorliegend wurde die Beschwerdeführerin aber durch den Mietvertrag ermächtigt, den Mietvertrag im Grundbuch vormerken zu lassen, was zulässig ist (HIGI, a.a.O., N. 8 zu Art. 261b OR mit Hinweisen). Der Mietvertrag wurde denn auch, wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat, tatsächlich im Grundbuch vorgemerkt auf dem selbstständigen und dauernden Baurechtsgrundstück. Mit diesem Eintrag auf dem entsprechenden Grundbuchblatt war der Beschwerdeführerin - auch ohne Nachforschung - tatsächlich zur Kenntnis gebracht, dass die Vermieterin lediglich Baurechtsinhaberin war. Ob sie sich heute noch daran erinnert, ist nicht von Belang. War der Beschwerdeführerin aber die Tatsache des Baurechts als solches bekannt, hat sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie sich nicht um die Befristung kümmerte, die aus dem Grundbuch ersichtlich war. Im Ergebnis ging die Vorinstanz daher zu Recht davon aus, dass der Heimfall für die Beschwerdeführerin voraussehbar gewesen wäre, weshalb eine analoge Anwendung von Art. 261 Abs. 1 OR bereits aus diesem Grund nicht in Frage kommt und die Passivlegitimation zu verneinen ist.
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