BGE 142 III 425 | |||
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55. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG in Nachlassliquidation gegen Zuger Kantonalbank (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_555/2015 vom 7. April 2016 | |
Regeste |
Art. 9, Art. 17 SchKG; negative Zinsen auf einem Kontokorrent-Guthaben bei der Depositenanstalt; betreibungsrechtliche Beschwerde. | |
Sachverhalt | |
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A.a Die Liquidatoren der A. AG in Nachlassliquidation hinterlegten die Vermögenswerte der Nachlassschuldnerin bei der Zuger Kantonalbank als kantonaler Depositenanstalt. Mit Schreiben vom 19. Mai 2015 teilte die Zuger Kantonalbank den Liquidatoren mit, dass für die Guthaben der A. AG in Nachlassliquidation auf dem Kontokorrent ab dem 1. Juni 2015 ein Negativzins von 0,75 % p.a. eingeführt werde.
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A.b Hiergegen reichten die Liquidatoren, handelnd für die A. AG in Nachlassliquidation sowie in eigenem Namen, betreibungsrechtliche Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs ein. Sie beantragten, es sei die Verfügung der Zuger Kantonalbank vom 19. Mai 2015 aufzuheben.
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B. Das Obergericht des Kantons Zug, II. Beschwerdeabteilung, Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, ist mit Beschluss vom 30. Juni 2015 auf die Beschwerde nicht eingetreten.
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C. Mit Eingabe vom 13. Juli 2015 ist die A. AG in Nachlassliquidation an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses vom 30. Juni 2015 und der Verfügung der Zuger Kantonalbank (Beschwerdegegnerin) vom 19. Mai 2015. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Auszug)
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Aus den Erwägungen: | |
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3.2 Der Kanton Zug hat die Zuger Kantonalbank und die übrigen dem Bankengesetz (Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen; SR 952.0) unterstellten und im Kanton niedergelassenen Institute als Depositenanstalten bezeichnet (Art. 24 SchKG; § 20 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 30. Januar 1997 [BGS 231.1]). Die Depositenanstalt ist ein Hilfsorgan in der Zwangsvollstreckung, weil sie in den gesetzlich vorgesehenen Fällen Depositen von den Zwangsvollstreckungsorganen anzunehmen hat (Art. 24 SchKG; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, 1911, S. 122/123; FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl. 1974, S. 85/86; KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 121 f.).
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3.4 Die Rechtsprechung hat sich verschiedentlich mit der Anfechtbarkeit von Handlungen von Hilfsorganen befasst, welche zur Zwangsvollstreckung beigezogen werden. So beruht die Zustellung des Zahlungsbefehls durch die Post (Art. 72 Abs. 1 SchKG) auf einer Delegation der Kompetenz des Betreibungsamtes, weshalb die postalische Zustellung - durch ein Hilfsorgan - ohne weiteres der Beschwerde nach Art. 17 SchKG unterliegt (BGE 40 III 429 S. 430; BGE 119 III 8 E. 2b S. 10). Nichts anderes gilt, wenn das Betreibungs- oder Konkursamt die Polizei als Hilfsorgan in Anspruch nimmt: Die Anordnung der bzw. Überprüfung der Rechtmässigkeit der Massnahme (z.B. die polizeiliche Vorführung des Schuldners) liegt seit jeher im Zuständigkeitsbereich der Zwangsvollstreckungsorgane bzw. der Aufsichtsbehörden (BGE 22 S. 994 E. 2 S. 997; BGE 87 III 87 E. 4 S. 96; Urteil 7B.72/2004 vom 29. April 2003 E. 2.2). Hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung handelt die Polizei aber selbständig und auf eigene Verantwortung gemäss den die polizeiliche Tätigkeit beherrschenden Grundsätzen (BGE 87 III 87 E. 4 S. 96 und 97). Hilfsorgan ist auch der Dritte, dem das Betreibungsamt die Verwaltung und Bewirtschaftung einer gepfändeten Liegenschaft überträgt (Art. 16 Abs. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42]). Der betreffende Auftrag ist inhaltlich präzise durch das Zwangsvollstreckungsrecht mittels Verwaltungshandlungen (Art. 17 f. VZG) - welche als Verfügungen anfechtbar sind - geregelt; die Entschädigung wird im Streitfall nicht vom Richter, sondern von der kantonalen Aufsichtsbehörde festgesetzt (Art. 20 Abs. 2 VZG), weshalb dem Dritten als Hilfsperson sogar die Beschwerdelegitimation gegen den Widerruf des Auftrags zugestanden wird (BGE 129 III 400 E. 1.2 S. 401, E. 1.3 S. 403).
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3.5.2 Art. 9 SchKG sieht keine Zinspflicht vor (PETER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 9 zu Art. 9 SchKG); es sind diejenigen Zinsen, welche tatsächlich erzielt werden, zur hinterlegten Summe hinzuzuschlagen (PETER, a.a.O.; bereits BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 48; vgl. BGE 127 III 182 E. 2b S. 185; BGE 118 III 1 E. 2b S. 3, sowie Richtlinien der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, a.a.O., Ziff. 2). Die Festlegung des Zinses liegt in der Hand der Kantone, weil ihnen obliegt, als Depositenanstalt das Institut bzw. mehrere Institute zu bezeichnen (Art. 24 SchKG), welche für die Hinterlegung eine angemessene Vergütung anbieten (GILLIÉRON, a.a.O., N. 15 zu Art. 9 SchKG). Sieht das Gesetz aber keine Regelung über den Depotzins vor und ist die angemessene Vergütung für die Hinterlegung durch die kantonalrechtliche Bezeichnung der Depositenanstalt geregelt, besteht aus zwangsvollstreckungsrechtlicher Hinsicht keine Grundlage, dass die Aufsichtsbehörde über die Höhe des Zinses entscheidet. Nicht ausschlaggebend ist daher, ob auf dem Kontokorrent-Guthaben bei der Depositenanstalt Zinsen als Vergütung (BGE 115 II 349 E. 3 S. 355) geleistet werden, oder negative Zinsen als entsprechende Kosten anfallen. Die Beschwerdeführerin behauptet selber zu Recht nicht, dass für die Festlegung des Zinssatzes eine besondere Bestimmung (wie Art. 20 Abs. 2 VZG: Zuständigkeit zum Entscheid über die Entschädigung des Hilfsorganes bei Liegenschaftenverwaltung) bestehe, oder die Hinterlegungskonditionen durch das Zwangsvollstreckungsrecht im Einzelnen geregelt seien.
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3.6.1 Die Beschwerdeführerin kritisiert die Auffassung der Vorinstanz, wonach es sich bei der Hinterlegung von Vermögenswerten bei der Beschwerdegegnerin um ein privatrechtliches Verhältnis handle. Wohl hält sie zu Recht fest, dass die Funktion einer Bank als gesetzliche Depositenanstalt öffentliche Zweckverfolgung darstellt (Urteil 2A.254/2000 vom 2. April 2001 E. 3a, in: ASA 70 S. 299). Daraus lässt sich nicht schliessen, dass die Gewährung bzw. Erhebung des Zinses zwingend zwangsvollstreckungsrechtlicher Natur ist. Selbst die Annahme, dass die Beschwerdegegnerin durch die Festlegung des Zinses vom öffentlichen (kantonalen) Recht eingeräumte Hoheitsbefugnisse wahrgenommen hat, würde - wie betreffend die Art und Weise der polizeilichen Hilfestellung (E. 3.4) - nichts daran ändern, dass keine Verfügung vorliegt, welche auf Zwangsvollstreckungsrecht beruht (u.a. BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 75).
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3.6.3 Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin lässt sich die Regelung des Kontokorrentzinses bei der Depositenanstalt nicht auf die Gebührenverordnung vom 23. September 1996 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [GebV SchKG; SR 281.35] stützen. Darin wird einzig bestimmt, dass die Einzahlungen des Amtes bzw. Zwangsvollstreckungsorganes auf ein Depot sowie Abhebungen gebührenfrei sind (Art. 19 Abs. 2 GebV SchKG; BOESCH, in: Kommentar SchKG Gebührenverordnung, 2008, N. 4 zu Art. 19 GebV SchKG). Es gibt sodann keinen Grund, für die Regelung des Zinses der Depositenanstalt Art. 26 Abs. 1 GebV SchKG in analoger Weise anzuwenden. Nach dieser Bestimmung wird für die Verwahrung beweglicher Sachen wie gepfändeten oder verarrestierten Wertschriften monatlich 0,3 Promille vom Kurs- bzw. Schätzungswert, höchstens Fr. 500.- erhoben. Die Gebühr - d.h. das Entgelt für die besondere Inanspruchnahme amtlicher Tätigkeit (BGE 136 III 155 E. 3.3 S. 157) - liegt u.a. darin begründet, dass die Überwachung des Depots (auch bei der Depositenanstalt) einen gewissen Aufwand verursacht, weil es kontrolliert und u.a. die allfälligen Zinsen geltend gemacht werden können (BOESCH, a.a.O., N. 2 und 4 zu Art. 26 GebV SchKG). Dass die Zinsen durch Gebühr gemäss GebV SchKG geregelt oder als solche zu verstehen sind, lässt sich daraus nicht ableiten. Schliesslich kann weder von einer nicht tarifierten Verrichtung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 GebV SchKG, noch von einer Lücke gesprochen werden, denn andere als die in der GebV SchKG vorgesehenen Gebühren und Entschädigungen dürfen nicht erhoben werden (BGE 136 III 155 E. 3.3 S. 157)
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