BGE 142 III 738 | |||
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94. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_838/2015 vom 5. Oktober 2016 | |
Regeste |
Art. 839 Abs. 3 ZGB; Bauhandwerkerpfandrecht; Leistung hinreichender Sicherheit. | |
Sachverhalt | |
Die C. GmbH war als Totalunternehmerin mit dem Neubau der Notstromversorgung des Kernkraftwerks U. beauftragt. Die Bauten waren unter anderem auf Liegenschaften zu realisieren, die im Eigentum der B. AG stehen. Die C. GmbH zog die D. GmbH für die Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme der Brandmeldeanlagen und Löscheinrichtungen bei, welche ihrerseits gewisse Leistungen an die A. AG vergab.
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Auf Gesuch der A. AG ordnete der Präsident des Handelsgerichts die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf dem Grundstück der B. AG für den Betrag von Fr. 397'966.50 zuzüglich Zins zu 5 % auf Fr. 273'118.50 ab 13. Januar 2015 und 5 % auf Fr. 124'848.- ab 17. Februar 2015 an und setzte der A. AG Frist zur Klage auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts.
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Am 10. Juli 2015 klagte die A. AG gegen die B. AG auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Die C. GmbH reichte mit Eingabe vom 3. September 2015 eine Bankgarantie der E. SA ein.
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Mit Verfügung vom 25. September 2015 schrieb der Präsident des Handelsgerichts das Verfahren hinsichtlich der definitiven Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts zufolge Gegenstandslosigkeit ab und stellte fest, dass die eingereichte Bankgarantie als hinreichende Sicherheit gemäss Art. 839 Abs. 3 ZGB gelte.
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Die A. AG (Beschwerdeführerin) hat Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass die von der C. GmbH eingereichte Bankgarantie nicht als hinreichende Sicherheit gemäss Art. 839 Abs. 3 ZGB gelte. Die B. AG (Beschwerdegegnerin) und die C. GmbH (Nebenintervenientin) haben zur Beschwerde Stellung genommen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Weiterführung des ordentlichen Verfahrens auf definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts gemäss Klage der Beschwerdeführerin vom 10. Juli 2015 an das Handelsgericht zurück.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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4.1 Das Handelsgericht erwog, es gälten nicht bloss zeitlich unbefristete Sicherheiten für grundsätzlich unbefristet laufende Verzugszinsen als hinreichend im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB. Nach seiner eigenen Praxis gelte bezüglich der Verzugszinsen eine Sicherstellungspflicht für die Dauer von zehn Jahren als hinreichend. Mit Blick auf den Zweck der Garantie könne nicht erwartet werden, dass der Zinsenlauf unbeschränkt gesichert werde. Da im Normalfall ein Verfahrensabschluss innert zehn Jahren möglich sein dürfte, sei die Sicherstellung eines Jahreszinses von zehn Jahren genügend und die Begrenzung bis zum 31. August 2025 zulässig.
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4.4.2 Damit eine Ersatzsicherheit als "hinreichend" gelten kann, muss sie qualitativ und quantitativ die gleiche Sicherheit bieten wie das Bauhandwerkerpfandrecht (BGE 121 III 445 E. 5a S. 447; BGE 110 II 34 E. 1b; BGE 97 I 209 E. 2 S. 215). In quantitativer Hinsicht bietet das Bauhandwerkerpfandrecht dem Gläubiger Sicherheit für die Kapitalforderung (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) und die Verzugszinsen (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), allenfalls für die Vertragszinsen (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Die Verzugszinsen sind ihrerseits zeitlich nicht limitiert (Art. 104 OR). Dementsprechend muss auch die Ersatzsicherheit hinsichtlich der Verzugszinsen eine zeitlich bzw. quantitativ nicht limitierte Sicherheit bieten (BGE 121 III 445 E. 5a S. 447).
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5.1 Das Handelsgericht erwog, eine relative Befristung der Gültigkeitsdauer der Garantie sei zulässig, solange der Gläubiger nach Eintritt bestimmter Ereignisse innerhalb einer angemessenen Reaktionsfrist die Sicherheit wirksam beanspruchen kann. Ebenso zulässig seien Modalitäten, welche der Rechtssicherheit des Grundeigentümers bzw. des Sicherheitsgebers dienen, wenn diese zweck- und verhältnismässig seien. Vorliegendenfalls sei die Frist von 120 Tagen zur Geltendmachung der Garantie nicht zu beanstanden. Dies gelte auch in Kombination mit dem Umstand, dass die Garantie jeweils nur für ein Jahr gültig sei. Selbst wenn ein für die Beschwerdeführerin günstiger Entscheid erst am 17. Dezember eines laufenden Jahres gefällt werde, habe jene unter Berücksichtigung der Rechtsmittelfrist und der Gerichtsferien (Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG) noch hinreichend Zeit, bei der garantierenden Bank vorstellig zu werden.
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5.4 Die Beschwerdeführerin spricht einen Teilgehalt der qualitativen Gleichwertigkeit der Ersatzsicherheit an. Lehre und kantonale Rechtsprechung sind sich darin einig, dass eine absolut befristete Sicherheitsleistung (Beschränkung der Gültigkeit bis zu einem bestimmten Datum oder während einer bestimmten Zeit abAusstellung) keine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB ist (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1260 mit Hinweisen). Demgegenüber sei eine relative Befristung, d.h. eine solche, deren Ende von einem oder mehreren zukünftigen Ereignissen abhängt, zulässig, wenn das Ende der Gültigkeitsdauer kalendermässig unbestimmt ist und bis zum Eintritt des oder der Ereignisse unbestimmbar bleibt. Zudem müsse es dem Unternehmer möglich sein, nach Eintritt des bestimmten Ereignisses innerhalb einer angemessenen Reaktionsfrist die Sicherheit rechtswirksam für sich zu beanspruchen (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1261; PRAPLAN, a.a.O., S. 57 Ziff. 8.2: "un délai de quelques mois courant dès l'entrée en force du jugement"). Einwendungen des Unternehmers gegen derartige und damit zulässige Befristungen, namentlich unter Berufung auf die unbefristete Eintragung von Baupfandrechten im Grundbuch, stehen unter dem Vorbehalt offenbaren Rechtsmissbrauchs (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1262).
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Erwägung 5.5 | |
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5.5.3 Mit der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass eine Frist von 120 Kalendertagen seit Eintritt der Rechtskraft des die Schuldnerin zur Zahlung verpflichtenden Urteils (bzw. des entsprechenden gerichtlich genehmigten Vergleichs) die Interessen der Beschwerdeführerin genügend wahren würde, so dass eine dergestalt formulierte Ersatzsicherheit hinreichend wäre. Gegen die jährliche - und damit absolute - Befristung verbunden mit einer laufenden Erneuerung der Garantie für ein Jahr, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, ist unter der Bedingung nichts einzuwenden, dass die 120-tägige Beanspruchungsfrist selbst dann gilt, wenn sie vor Jahresende zu laufen begonnen hat, aber erst im neuen Jahr endet (und sich die Gültigkeitsdauer insofern verlängert). Andernfalls würde der Beschwerdeführerin die ihr zustehende angemessene Reaktionsfrist bundesrechtswidrig verkürzt.
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5.5.5 Im schlechtesten Fall, von dem auch das Handelsgericht auszugehen scheint, ist die Bankgarantie so formuliert, dass der Beschwerdeführerin nach der Ausfällung des die Schuldnerin verpflichtenden Leistungsurteils nur wenige Tage verbleiben, um die Garantie in Anspruch nehmen zu können, oder dass die Beschwerdeführerin gar aus Gründen, die sie, weil Dritte mitwirken müssen, nicht zu verantworten hat, die kurze Frist nicht einhalten könnte. Von einer angemessenen Reaktionsfrist als Voraussetzung zulässiger relativer Befristung (E. 5.4 oben) kann somit nicht ausgegangen werden. Aus diesem Grund stellt die streitgegenständliche Bankgarantie auch in qualitativer Hinsicht keine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB dar. (...)
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