![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
12. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) U. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_299/2016 vom 17. Januar 2017 | |
Regeste |
Art. 300 Abs. 2 und Art. 422 f. ZGB; Anhörung der Pflegeeltern; Entlassung der Beiständin. |
Die Entlassung einer Beistandsperson aus wichtigem Grund beruht auf Ermessen. Sie kann begründet sein, wenn die objektive Beurteilung der Frage, ob und wann ein Pflegekind zu seinen leiblichen Eltern zurückgeführt wird, nicht mehr gewährleistet ist (E. 5 und 6). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Über eine mögliche Beendigung des Pflegeverhältnisses und die Rückführung des Kindes zu seiner Mutter kam es in der Folge zu Diskussionen zwischen der Beiständin und der Kindesmutter und deren Familienangehörigen, die von der KESB sinngemäss verlangten, die Beiständin zu entlassen und eine andere Beistandsperson einzusetzen. Am 25. August 2015 teilte die Beiständin der KESB mit, sie mache gerne einer anderen Beiständin Platz und gebe das Mandat ab. Am 14. Oktober 2015 entschied die KESB, die Beiständin E. werde aus ihrem Amt entlassen und F. als Beiständin mit unverändertem Aufgabenbereich eingesetzt. Gegen den Entscheid der KESB gelangten A. und B. an das Verwaltungsgericht. Sie beantragten, der Entscheid sei aufzuheben und sie als Pflegeeltern seien vorgängig anzuhören. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab.
| 2 |
Die Pflegeeltern A. und B. (Beschwerdeführer) haben dagegen Beschwerde erhoben, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt.
| 3 |
(Zusammenfassung)
| 4 |
Aus den Erwägungen: | |
5 | |
![]() | 6 |
7 | |
Die Pflegeeltern vertreten - unter Vorbehalt abweichender Anordnungen - die Eltern in der Ausübung der elterlichen Sorge, soweit es zur gehörigen Erfüllung ihrer Aufgabe angezeigt ist (Art. 300 Abs. 1 ZGB). In diesem Rahmen steht den Pflegeeltern auch die Vertretung des Pflegekindes gegenüber Drittpersonen zu (vgl. BGE 128 III 9 E. 4b S. 10/11). Insoweit kann nicht verneint werden, dass die Pflegeeltern in das Pflegekind betreffenden Verfahren grundsätzlich als Parteien im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV gelten.
| 8 |
3.3 Der bundesverfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör wird durch Bestimmungen in Bundesgesetzen manchmal inhaltsgleich gewährleistet (z.B. Art. 53 Abs. 1 ZPO: BGE 142 III 48 E. 4.1.1 S. 52 f.; Art. 29 VwVG: BGE 137 II 266 E. 3.2 S. 270) oder vereinzelt erweitert (z.B. Art. 447 Abs. 1 ZGB: Urteil 5A_540/2013 vom 3. Dezember 2013 E. 3.1.1, nicht publ. in: BGE 140 III 1, wohl aber in: FamPra.ch 2014 S. 519 f. und Praxis 103/2014 Nr. 92 S. 726). Davon weicht Art. 300 Abs. 2 ZGB ab. Danach sollen die Pflegeeltern vor wichtigen Entscheidungen angehört werden. Die Bestimmung schränkt den verfassungsmässig gewährleisteten Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Fällung des Entscheids folglich auf wichtige Entscheidungen ein. Im Hinblick auf Art. 190 BV, wonach Bundesgesetze für das Bundesgericht massgebend sind, kommt der ![]() | 9 |
Aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf vorgängige Anhörung können die Beschwerdeführer somit unmittelbar nichts ableiten. Insoweit erweist sich ihre Beschwerde als unbegründet. Zu prüfen ist hingegen die richtige Anwendung von Art. 300 Abs. 2 ZGB durch die kantonalen Instanzen.
| 10 |
11 | |
4.1 Der bundesrätliche Entwurf sah in Art. 300 lediglich das Vertretungsrecht der Pflegeeltern vor (vgl. Botschaft vom 5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1, 126). Der Ständerat als Erstrat stimmte dem Entwurf des Bundesrates zu (AB 1975 S 133/134), während die Kommission des Nationalrates beantragte, das Vertretungsrecht in Abs. 1 zu regeln und einen neuen Abs. 2 mit dem heutigen Wortlaut anzufügen. Begründet wurde die Neuerung damit, dass ungeachtet des Vertretungsrechts der Pflegeeltern die elterliche Gewalt grundsätzlich bei den leiblichen Eltern verbleibe, weshalb die Anhörung der Pflegeeltern vor jeder wichtigen Entscheidung, die das Kind betrifft, notwendig sei (Berichterstatter Barchi). Der Antrag wurde angenommen (AB 1975 N 1784). Die Formulierung des neuen Abs. 2 gab in der Differenzbereinigung zu Diskussionen Anlass, blieb dann aber unverändert, weil damit sichergestellt war, dass die Pflegeeltern angehört werden sollen, bevor die leiblichen Eltern oder die Gerichte oder die Vormundschaftsbehörden wichtige Entscheidungen in Bezug auf das Kind treffen (AB 1976 S 91; 1976 N 432; 1976 S 248). Die Gesetz gewordene Fassung von Abs. 2 blieb seither unverändert. ![]() | 12 |
Wie bedeutend der vorliegend in Frage stehende Beistandswechsel für das Kind ist, lässt sich folglich nicht allgemein sagen. Entscheidend wird regelmässig sein, welches Verhältnis das Kind zum Beistand hat und ob das Erziehungssystem für das Kind durch den Beistandswechsel wesentlich beeinflusst wird. Dafür wird regelmässig entscheidend sein, ob es sich bei der Person des Beistandes um eine einem Teil der Beteiligten nahe stehende Person handelt. Das wird aber bei einem Amtsbeistand regelmässig nicht der Fall sein. Insofern ist der Wechsel von einem Amtsbeistand zu einem anderen in der Regel eher von untergeordneter Bedeutung. Die Beschwerdeführer haben in keiner Weise dargelegt, warum dies hier anders und der Beistandswechsel für das Kind ein wichtiger Entscheid sein soll. Insbesondere ihre Ausführungen dazu, wie eng ihre Zusammenarbeit mit der entlassenen Beiständin gewesen sei und dass die wiederholten Beistandswechsel von der Kindesmutter und deren Familie betrieben würden, sind nach dem Gesagten nicht entscheidwesentlich, so dass das Verwaltungsgericht zu einer näheren Auseinandersetzung damit auch nicht gehalten war (vgl. zur Begründungspflicht: E. 5 unten).
| 13 |
![]() | 14 |
15 | |
16 | |
5.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, ![]() | 17 |
18 | |
19 | |
6.1 Nach Art. 422 ZGB hat die Beistandsperson frühestens nach vier Jahren Amtsdauer Anspruch auf Entlassung (Abs. 1), kann aber vorher die Entlassung aus wichtigen Gründen verlangen (Abs. 2). Die KESB entlässt die Beistandsperson gemäss Art. 423 Abs. 1 ZGB, wenn die Eignung für die Aufgabe nicht mehr besteht (Ziff. 1) oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt (Ziff. 2). Verweist das Gesetz auf den wichtigen Grund, hat die Behörde ihre Entscheidung im konkreten Fall nach Recht und Billigkeit zu treffen (Art. 4 ZGB). Sie verfügt also über ein grosses Ermessen. Bei der Entlassung des ![]() | 20 |
21 | |
6.3 Der entscheidwesentliche Sachverhalt bedarf entgegen der Darstellung in der Beschwerdeschrift keiner Ergänzung und ist in den ausschlaggebenden Punkten unbestritten. Dass die Beschwerdeführer ihre gute Zusammenarbeit mit der entlassenen Beiständin gerne fortgesetzt hätten, ist nachvollziehbar, spielt aber keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr für das Kind, dass die Beistandsperson nicht nur mit seinen Pflegeeltern, sondern auch mit seiner leiblichen Mutter eine von Vertrauen geprägte Beziehung oder wenigstens ein sachliches Arbeitsverhältnis pflegt, um unvoreingenommen, anhand einer neutralen und objektiven Beurteilung den Entscheid über die Rückkehr des Kindes zu seiner leiblichen Mutter vorzubereiten. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet. (...)
| 22 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |