BGE 143 III 506 | |||
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65. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Versicherung AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_576/2016 vom 13. Juni 2017 | |
Regeste |
Widerklage im vereinfachten Verfahren (Art. 224, Art. 243 und Art. 94 ZPO); Teilklage und negative Feststellungswiderklage (Art. 86 ZPO). | |
Sachverhalt | |
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"1. Die Beklagte sei zu verurteilen, dem Kläger vom zwischen dem 1. Juli 2003 und dem 31. Dezember 2012 entstandenen Direktschaden aus Erwerb, Haushalt, Kosten und Genugtuung Fr. 30'000.- zu bezahlen nebst Zins zu 5 % seit 18. Dezember 2014.
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2. Es sei davon Vormerk zu nehmen, dass diese Klage sowohl in zeitlicher (für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2012) wie in sachlicher (auf einen Teil des in dieser Zeit aufgelaufenen Erwerbs- und Haushaltschadens, Kosten und Genugtuung) [Hinsicht] beschränkt ist und weitere Forderungen aus dem Unfallereignis vom 1. Juli 2003 vorbehalten bleiben.
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3. [...]"
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Mit prozessleitender Verfügung vom 26. Mai 2015 stellte das Bezirksgericht (provisorisch) fest, die Teilbarkeit des eingeklagten Anspruchs sei zu bejahen und ein Rechtsmissbrauch sei nicht zu erkennen. Auf die dagegen erhobene Beschwerde der A. Versicherung AG trat das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 14. September 2015 nicht ein.
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Am 25. November 2015 erstattete die A. Versicherung AG ihre Klageantwort, wobei sie die Abweisung der Teilklage beantragte, soweit darauf einzutreten sei. Darüber hinaus erhob sie Widerklage auf gerichtliche Feststellung, dass sie B. nichts schulde.
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Mit Entscheid vom 3. März 2016 trat das Bezirksgericht auf die Widerklage nicht ein. Auf Berufung der A. Versicherung AG hin trat das Kantonsgericht mit Urteil vom 2. September 2016 seinerseits auf die Widerklage, deren Streitwert es auf "mindestens Fr. 763'897.-" bezifferte, nicht ein.
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B. Die A. Versicherung AG verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und auf die Widerklage sei einzutreten; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. "Subeventualiter" begehrt sie, das Bezirksgericht sei anzuweisen, "einen anfechtbaren Zwischenentscheid über die Zulässigkeit der Teilklage zu erlassen".
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B. beantragt, die Beschwerde abzuweisen und das Urteil des Kantonsgerichts vollumfänglich zu bestätigen. Die Vorinstanz begehrt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, unter Verweis auf ihr Urteil.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Bezirksgericht verwies zur Begründung seines Nichteintretensentscheids auf Art. 224 Abs. 1 ZPO und führte aus, die Widerklage sei aufgrund ihres Streitwerts von mehr als Fr. 30'000.- im ordentlichen Verfahren und damit nicht in derselben Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen, für die gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO das vereinfachte Verfahren gelte. Das Kantonsgericht schloss sich dieser Auffassung an und schützte das Nichteintreten auf die Widerklage. Die Beschwerdeführerin rügt dieses dagegen als bundesrechtswidrig.
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Erwägung 3 | |
3.1 Die Lehre geht übereinstimmend davon aus, dass Art. 224 Abs. 1 ZPO es grundsätzlich ausschliesst, im vereinfachten Verfahren mittels Widerklage Ansprüche geltend zu machen, für die - wenn sie in einer selbständigen Klage formuliert würden - aufgrund ihres Fr. 30'000.- übersteigenden Streitwerts das ordentliche Verfahren gälte und die somit nicht nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen sind (siehe BRUNNER/STEININGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Bd. II, 2. Aufl. 2016, N. 25 zu Art. 243 ZPO; DIGGELMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Bd. I, 2. Aufl. 2016, N. 3 zu Art. 94 ZPO; FRAEFEL, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 243 ZPO; FRÖHLICH, Individuelle Arbeitsrechtsstreitigkeiten in der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2014, S. 124 Rz. 307; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 224 ZPO; HAUCK, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 13 der Vorbemerkungen zu Art. 243 ZPO; HEINZMANN, Gedanken zur Kombination von Streitgegenständen, ZSR 131/2012 I S. 492 f.; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2. Aufl. 2015, S. 203 f.; LAZOPOULOS/LEIMGRUBER, in: ZPO, Kommentar, Gehri/Jent-Sørensen/Sarbach [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, N. 7 zu Art. 243 ZPO; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2016, S. 173 Rz. 6.36; NAEGELI/RICHERS, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 224 ZPO; STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 6 zu Art. 94 ZPO; WILLISEGGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 44 zu Art. 224 ZPO; vgl. ferner DIETSCHY, Le déroulement de la procédure simplifiée, in: Procédure civile suisse, Les grands thèmes pour le praticien, Bohnet [Hrsg.], 2010, S. 176 Rz. 7; KILLIAS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 18 zu Art. 243 ZPO; SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, S. 324 Rz. 206; STEIN-WIGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 7 zu Art. 94 ZPO; TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 14 zu Art. 224 ZPO; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del 19 dicembre 2008, Cocchi/Trezzini/Bernasconi [Hrsg.], 2011, S. 1002 Fn. 2732).
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3.2.1 Da das Gesetz insofern nichts anderes bestimmt, gilt der im 3. Titel des zweiten Teils der Zivilprozessordnung zum ordentlichen Verfahren enthaltene Artikel 224 ZPO sinngemäss auch für sämtliche anderen Verfahren (Art. 219 ZPO), also auch für das vereinfachte Verfahren gemäss Art. 243-247 ZPO. Absatz 1 der Bestimmung macht nach seinem Wortlaut das Erheben einer Widerklage generell davon abhängig, dass der widerklageweise geltend gemachte Anspruch nach der gleichen Verfahrensart wie die Hauptklage zu beurteilen ist. Eine Ausnahme vom Erfordernis der gleichen Verfahrensart für den Fall, dass die Hauptklage aufgrund ihres Streitwerts von bis Fr. 30'000.- gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO in das vereinfachte Verfahren fällt, wogegen für die Widerklage wegen ihres höheren Streitwerts das ordentliche Verfahren gilt, ist im Gesetz nicht vorgesehen.
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Wohl finden die in den Artikeln 91-94 ZPO enthaltenen Regeln zur Bestimmung des Streitwerts grundsätzlich überall Anwendung, wo der Streitwert von Bedeutung ist, also namentlich auch auf die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit (siehe Art. 4 Abs. 2 ZPO) und der Verfahrensart (siehe dazu BGE 142 III 788 E. 4.2.3 S. 791). Im Gegensatz zu Art. 93 Abs. 2 ZPO betreffend Streitgenossenschaft und Klagenhäufung fehlt jedoch in Art. 94 ZPO eine (Ausnahme-) Bestimmung, die den Umkehrschluss zulassen würde, Art. 94 Abs. 1 ZPO sei vor Art. 224 Abs. 1 ZPO anzuwenden, so dass die Verfahrensart sowohl für die Haupt- als auch die Widerklage nach dem höheren Rechtsbegehren zu bestimmen wäre. Auch Art. 224 Abs. 2 ZPO impliziert nichts Derartiges, bezieht er sich doch lediglich auf die sachliche Zuständigkeit, die in Art. 224 Abs. 1 ZPO gerade nicht als Voraussetzung der Widerklage erwähnt ist.
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In der Literatur wird denn zum Teil auch ausdrücklich vertreten, Art. 224 Abs. 1 ZPO gehe Art. 94 Abs. 1 ZPO als lex specialis vor (so EMMEL, Echte Teilklage vor Arbeitsgericht und negative Feststellungswiderklage, BJM 2012 S. 77 f.; HEINZMANN, a.a.O., S. 492 f.; siehe ferner WILLISEGGER, a.a.O., N. 44 zu Art. 224 ZPO; kritisch HAAS/SCHLUMPF, Teilklage und Feststellungswiderklage nach der neuen ZPO, SJZ 2011 S. 305; anders wohl auch MARKUS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 9 zu Art. 86 ZPO; NOVIER, Demande et réponse en procédure ordinaire selon le CPC: quelques observations, JdT 2010 III S. 219; TAPPY, a.a.O., N. 14 zu Art. 224 ZPO). Jedenfalls lassen Gesetzeswortlaut und -systematik durchaus Raum für die Auslegung, wonach überhaupt erst im Sinne von Art. 94 Abs. 1 ZPO auf das höhere Rechtsbegehren abgestellt werden darf, wenn die Widerklage gestützt auf Art. 224 Abs. 1 ZPO zulässig ist.
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Der Bundesrat führte in seiner Botschaft zum Entwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung aus, die Widerklage sei nur zulässig, "wenn für sie die gleiche Prozessart wie für die Hauptklage anwendbar" sei. Gelte für die Hauptklage beispielsweise das vereinfachte Verfahren, so könne keine Widerklage erhoben werden, die ins ordentliche Verfahren gehöre. In diesem Zusammenhang verwies der Bundesrat auf den heutigen Artikel 243 ZPO, ohne nach dessen Absätzen zu differenzieren (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [nachfolgend: BotschaftZPO], BBl 2006 7339 zu Art. 221). Demgegenüber führte der Bundesrat in den Erläuterungen zum heutigen Artikel 94 ZPO unter Hinweis auf den heutigen Artikel 224 Absatz 2 ZPO lediglich aus, soweit sich die sachliche Zuständigkeit vom Streitwert ableite, werde auf den höheren Streitwert abgestellt (Botschaft ZPO, BBl 2006 7292 zu Art. 92).
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Dass keine einheitliche Bestimmung der Verfahrensart für Haupt- und Widerklage nach dem höheren der beiden Begehren erfolgen sollte, ergab sich bereits aus dem Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission vom Juni 2003 (nachfolgend: Bericht Vorentwurf ZPO): Darin wurde ausgeführt, es ginge nicht, einer Hauptklage, die im vereinfachten Verfahren zu beurteilen sei, eine Widerklage gegenüberzustellen, die ins ordentliche Verfahren gehöre (S. 47 zu Art. 80). Aus dem nachfolgenden Beispiel ergibt sich, dass gemäss dem Verständnis der Expertenkommission das Erheben einer Widerklage mit höherem Streitwert keine Änderung der Verfahrensart für die Hauptklage nach sich ziehen sollte. Damit steht im Einklang, dass der Bericht ausdrücklich die Möglichkeit der Kantone erwähnte, die Überweisung von Haupt- und Widerklage an das Gericht mit höherer Spruchkompetenz "unter Erhaltung der Verfahrensart" vorzusehen.
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Schliesslich ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung zu beachten, so insbesondere aArt. 343 OR: Gemäss dessen zweitem Absatz hatten die Kantone "für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen". Laut dem zweiten Teilsatz der Bestimmung bemass sich der Streitwert "nach der eingeklagten Forderung, ohne Rücksicht auf Widerklagebegehren". Die Unbeachtlichkeit der Widerklagebegehren gemäss dieser Vorschrift sollte nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verhindern, dass der Kläger durch eine möglicherweise haltlose Widerklage um das rasche, einfache und grundsätzlich kostenlose Verfahren gebracht wird, wie es die genannte Bestimmung vorschrieb (BGE 115 II 366 E. 3 S. 370 mit Hinweisen). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber beim Erlass der Schweizerischen Zivilprozessordnung in diesem Punkt eine Rechtsänderung beabsichtigt hätte (vgl. auch FRÖHLICH, a.a.O., S. 128 Rz. 316; RAPOLD/FERRARI-VISCA, Die Widerklage nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, AJP 2013 S. 391), zumal in der Botschaft zum heutigen Art. 243 ZPO im Zusammenhang mit aArt. 343 OR vom "arbeitsrechtlichen Vorbild" die Rede ist (Botschaft ZPO, BBl 2006 7346 zu Art. 239).
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Demgegenüber braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden, ob umgekehrt im ordentlichen Verfahren eine Widerklage erhoben werden kann, für die aufgrund ihres - Fr. 30'000.- nicht übersteigenden - Streitwerts gemäss Art. 243 Abs. 1 ZPO das vereinfachte Verfahren gilt (dafür etwa FRAEFEL, a.a.O., N. 12 zu Art. 243 ZPO; GASSER/RICKLI, a.a.O., N. 3 zu Art. 224 ZPO; GRIEDER, a.a.O., S. 236 Rz. 614-615; HOFMANN/LÜSCHER, a.a.O., S. 203; LEUENBERGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 14 zu Art. 224 ZPO; RAPOLD/FERRARI-VISCA, a.a.O., S. 390 f.; TAPPY, a.a.O., N. 14 zu Art. 224 ZPO; dagegen FRÖHLICH, a.a.O., S. 124 f. Rz. 308; HEINZMANN, a.a.O., S. 493; PAHUD, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.],Bd. II, 2. Aufl. 2016, N. 15 zu Art. 224 ZPO; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., S. 53).
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Erwägung 4 | |
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Mit einer Teilklage macht die klagende Partei nur einen Teil eines Anspruchs geltend. Gemäss Art. 86 ZPO ist dies zulässig, wenn der Anspruch teilbar ist, was bei Geldforderungen stets zutrifft. Immerhin ist das Verbot des Rechtsmissbrauchs zu beachten (BGE 142 III 683 E. 5.2). Fordert die klagende Partei wie vorliegend mittels einer sogenannten echten Teilklage einen quantitativen Teil ihres gesamten aus einer Körperverletzung sich ergebenden Schadens, muss sie ihr Klagebegehren nicht auf bestimmte Schadenspositionen beschränken (BGE 143 III 254 E. 3.6 S. 260). Mittels negativer Feststellungswiderklage verlangt der Beklagte und Widerkläger im Sinne von Art. 88 ZPO die gerichtliche Feststellung, dass der über die Teilklage hinausgehende, nichteingeklagte Teilanspruch nicht besteht (so etwa bereits GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 149).
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Erwägung 4.2 | |
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Dieser Auffassung schloss sich die Vorinstanz an, wie vor ihr etwa bereits das Kantonsgericht Schwyz (siehe dessen Urteil ZK1 2015 15 vom 24. November 2015 E. 2b [= EGV-SZ 2015 A 3.2]).
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4.2.2 Im Schrifttum wird aber teilweise auch die Auffassung vertreten, der beklagten Partei müsse es als Reaktion auf eine Teilklage im vereinfachten Verfahren erlaubt sein, eine negative Feststellungswiderklage zu erheben, deren Streitwert über Fr. 30'000.- liegt:
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So sprechen sich etwa HAAS/SCHLUMPF nach einer Analyse der Parteiinteressen und aufgrund prozessökonomischer Erwägungen dafür aus, "zumindest für den Fall", "in dem sich der Beklagte im Wege einer Feststellungswiderklage gegen eine Teilklage wehrt", nicht nur hinsichtlich der Zuständigkeit, sondern auch der Verfahrensart auf den "einheitlich gemäss Art. 94 Abs. 1 ZPO für beide Klagen (Haupt- und Widerklage) zu bestimmenden Streitwert" abzustellen. Ändere sich demzufolge aufgrund der Widerklage der Verfahrensstreitwert nach Rechtshängigkeit der Hauptklage, so habe das Gericht Klage und Widerklage "entsprechend Art. 224 Abs. 2 ZPO an das für das ordentliche Verfahren zuständige Gericht zu überweisen" (a.a.O., S. 303-307; zustimmend OBERHAMMER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 12 zu Art. 86 ZPO; STEINEGGER, Das Prozessrecht - oft geprügelter Gehilfe des materiellen Rechts, HAVE 2014 S. 304 f.).
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OTZ/KLETT fordern eine "differenzierte Handhabung von Art. 224 Abs. 1 ZPO". Sie begründen dies unter anderem damit, mit der negativen Feststellungsklage werde "kein eigener (unabhängiger) Anspruch geltend gemacht, sondern lediglich die Feststellung des Nichtbestandes der ganzen Forderung verlangt". Deshalb sei "im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 224 Abs. 1 ZPO zwischen dem Normalfall der Widerklage und dem Sonderfall der negativen Feststellungswiderklage" zu unterscheiden. Überdies führen auch diese beiden Autoren prozessökonomische Überlegungen an. Könne nämlich die beklagte Partei keine negative Feststellungswiderklage erheben, werde sie gezwungen, den Nichtbestand der Forderung in einem parallelen ordentlichen Verfahren feststellen zu lassen (Teilklage - Teillösung, HAVE 2014 S. 239 f.; vgl. auch LEUENBERGER, a.a.O., N. 6 zu Art. 224 ZPO).
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FRÖHLICH schlägt vor, die negative Feststellungswiderklage als "ein eigenständiges Rechtsinstitut zu behandeln, welches nicht der Einschränkung von Art. 224 Abs. 1 ZPO unterliegt" (a.a.O., S. 133 Rz. 331).
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MEIER befürwortet ohne weitere Begründung, eine "von der Teilklage ausgelöste Feststellungsklage zuzulassen, ohne dass die Voraussetzung betreffend Höhe des Betrages gegeben sein muss" (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 212).
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HEINZMANN postuliert schliesslich allgemein, dass Streitgegenstände, die im Sinne der Kernpunkttheorie identisch seien, "nicht nur vor demselben Gericht, sondern auch im Rahmen desselben Verfahrens zu behandeln" seien. Das Erfordernis der gleichen Verfahrensart gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO werde daher in diesen Fällen zurückgedrängt, und es sei stattdessen in analoger Anwendung von Art. 224 Abs. 2 ZPO auf den höheren Streitwert abzustellen (a.a.O., S. 493; vgl. auch die ähnlichen Ausführungen hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit bei SOGO, Widerklage in handelsrechtlichen Streitigkeiten: Kernpunkttheorie und Erfordernis der gleichen sachlichen Zuständigkeit, ZBJV 2011 S. 937-968).
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Erwägung 4.3 | |
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Dass die Möglichkeit der beklagten Partei, eine negative Feststellungswiderklage zu erheben, durch das Erfordernis der gleichen Verfahrensart gemäss Art. 224 Abs. 1 ZPO weitgehend ausgeschlossen werden sollte, ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen:
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Wohl steht in der Botschaft des Bundesrats im Zusammenhang mit der negativen Feststellungswiderklage als Reaktion auf die Teilklage gemäss Art. 86 ZPO in Klammern "vgl. die Voraussetzungen der Widerklage in Art. 221", d.h. im heutigen Artikel 224 ZPO (Botschaft ZPO, BBl 2006 7288 zu Art. 84). Daraus leiten verschiedene Autoren ab, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch die negative Feststellungswiderklage der allgemeinen Voraussetzung der gleichen Verfahrensart unterstehen sollte (in diesem Sinne etwa EMMEL, a.a.O., S. 75 f.; GREMPER/MARTIN, a.a.O., S. 94; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., S. 227 § 14 Rz. 38; WAGNER/SCHMID, a.a.O., S. 220).
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Tatsächlich lässt der genannte Verweis auf die Voraussetzungen der Widerklage jedoch nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber diese Konsequenz bedacht und bewusst in Kauf genommen hätte. Insbesondere wird in der Botschaft in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich auf den heutigen Artikel 243 Absatz 1 ZPO Bezug genommen, der alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- dem vereinfachten Verfahren zuweist. Übrigens verwies bereits die Expertenkommission im gleichen Kontext auf die Voraussetzungen der Widerklage (siehe Bericht Vorentwurf ZPO, S. 43 zu Art. 76). Dies hatte indessen noch einen anderen Hintergrund, musste die Widerklage doch nach dem Vorentwurf noch in einem sachlichen Zusammenhang mit der Hauptklage stehen (siehe Art. 80 Abs. 1 lit. a des Vorentwurfs der Expertenkommission vom Juni 2003). In der Literatur wird denn auch vermutet, dass der Verweis auf die Voraussetzungen von Art. 224 ZPO "einzig zur besseren Lesbarkeit der Botschaft eingefügt" worden sein und "rein redaktionellen Charakter" aufweisen könnte (siehe FRÖHLICH, a.a.O., S. 129 Rz. 318 f.). Jedenfalls wurde im Rahmen der Vernehmlassung zum Vorentwurf und der parlamentarischen Beratungen - soweit ersichtlich - nicht diskutiert, dass Art. 224 Abs. 1 ZPO (zusammen mit Art. 243 Abs. 1 ZPO) der negativen Feststellungswiderklage im Weg stehen könnte oder sollte.
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4.3.2 Weiter ist die Gerichtspraxis zum einfachen und raschen Verfahren vor Inkrafttreten der Zivilprozessordnung zu beachten (vgl. dazu EMMEL, a.a.O., S. 63 f., und GREMPER/MARTIN, a.a.O., S. 93 f. und 98). Unter Geltung von aArt. 343 Abs. 2 OR (siehe dazu bereits E. 3.2.2) wurde die Meinung vertreten, mit einer negativen Feststellungswiderklage mache die beklagte Partei keinen eigenen, selbständigen Anspruch geltend, weshalb es sich nicht um eine Widerklage im Sinne dieser Bestimmung handle. So führte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt aus, wer in Wirklichkeit mehr als die der damaligen Streitwertgrenze entsprechenden Fr. 5'000.- fordere, der solle sich nicht einerseits auf die Vorteile von aArt. 343 Abs. 2 OR berufen und andererseits die gesetzliche Begrenzung des Streitwertes durch eine oder mehrere Teilklagen umgehen können, "ohne dass sich die Gegenpartei durch Einreichung einer negativen Feststellungswiderklage dagegen zur Wehr setzen kann". Mit dem in aArt. 343 Abs. 2 OR verwendeten Begriff des Widerklagebegehrens sei offensichtlich nur die Widerklage gemeint, mit der der Beklagte der Klage einen eigenen, selbständigen Leistungsanspruch gegenüberstelle. Hiervon unterscheide sich die negative Feststellungswiderklage insofern, als sie nicht auf die Verurteilung des Klägers und Widerbeklagten zu einer Leistung gerichtet sei, sondern damit "lediglich die Feststellung der Nichtexistenz des vom Kläger bereits angemeldeten Gesamtanspruchs angestrebt" werde (Urteil des Appellationsgerichts vom 20. Dezember 1976 E. 2 [= BJM 1977 S. 186-190]). Diese Rechtsprechung fand in der Literatur Zustimmung (siehe REHBINDER, Berner Kommentar, 1992, N. 14 zu Art. 343 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1996, N. 24 zu Art. 343 OR; STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht nach den Gesetzen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft unter Einbezug des Bundesrechts, 1992, S. 149 § 13 Rz. 37; je mit weiteren Hinweisen; kritisch immerhin etwa FRÖHLICH, a.a.O., S. 126 f. Rz. 313 mit Hinweis). Das Bundesgericht führte wohl im Urteil 4A_104/2011 vom 27. September 2011 unter Berufung auf den in diesem Verfahren noch anwendbaren Artikel 343 Absatz 2 OR aus, die beklagte Partei verfüge nicht über die Möglichkeit, sich einer arbeitsrechtlichen Teilklage mit einem Streitwert von weniger als Fr. 30'000.- mittels eines negativen Feststellungsbegehrens zu widersetzen (E. 3.2). Im konkreten Fall war jedoch nicht über die Zulässigkeit der negativen Feststellungswiderklage zu befinden, sondern darüber, ob die Teilklage rechtsmissbräuchlich erhoben worden war.
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4.3.3 Schliesslich ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Streitwertberechnung im bundesgerichtlichen Verfahren zu erwähnen. Gemäss Art. 52 BGG werden mehrere in einer vermögensrechtlichen Sache von der gleichen Partei oder von Streitgenossen und Streitgenossinnen geltend gemachte Begehren zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen. Demgegenüber sieht Art. 53 Abs. 1 BGG vor, dass der Betrag einer Widerklage nicht mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet wird. Das Bundesgericht erkannte bereits unter der Geltung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 531) zu dessen Artikel 47, dem die heute geltenden Artikel 52 und 53 BGG entsprechen, dass eine wörtliche Anwendung der Bestimmungen zur Festsetzung des Streitwerts bei negativen Feststellungsklagen zu Ergebnissen führen würde, die mit dem Zweck der Regelung nicht vereinbar wären. Für die Frage, ob bei der Berechnung des Streitwerts verschiedene Begehren zusammenzurechnen sind, ist daher entgegen dem Wortlaut nicht massgebend, welche Partei formell als Klagpartei auftritt beziehungsweise die Begehren stellt, sondern, welche Ansprüche die eine Partei gegenüber der anderen erhebt (Urteile 4A_493/2014 vom 26. Januar 2015 E. 1.1.2; 4A_181/2009 vom 20. Juli 2009 E. 1.1; BGE 102 II 394 E. 1 mit Hinweisen).
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Die negative Feststellungswiderklage, die als Reaktion auf eine echte Teilklage erhoben wird, ist keine gewöhnliche Widerklage, mit der die beklagte Partei "einen von der Vorklage nicht erfassten, unabhängigen Anspruch ins Recht legt" (BGE 123 III 35 E. 3c). Vielmehr will die beklagte Partei mit ihr den umstrittenen Anspruch der klagenden Partei in seinem gesamten Betrag zum Gegenstand des hängigen Verfahrens machen. Die Auffassung, dass Art. 224 Abs. 1 ZPO sie an diesem Vorgehen hindern soll, wenn die klagende Partei ihre Rechtsbegehren betragsmässig auf höchstens Fr. 30'000.- beschränkt hat, trägt diesem Umstand nicht Rechnung. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Streitwertberechnung im bundesgerichtlichen Verfahren liegt vielmehr nahe, die Bestimmung in dem Sinne eingeschränkt zu verstehen, dass sie der in Reaktion auf eine echte Teilklage erhobenen negativen Feststellungswiderklage nicht entgegensteht.
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4.4 Die genannten Überlegungen führen zum folgenden Ergebnis: Erhebt der Kläger eine echte Teilklage, für die aufgrund ihres Streitwerts von höchstens Fr. 30'000.- nach Art. 243 Abs. 1 ZPO das vereinfachte Verfahren gilt, hindert Art. 224 Abs. 1 ZPO die beklagte Partei nicht daran, eine negative Feststellungswiderklage zu erheben, auch wenn deren Streitwert die Anwendbarkeit des ordentlichen Verfahrens zur Folge hat. Haupt- und Widerklage sind diesfalls zusammen im ordentlichen Verfahren zu beurteilen. Die Auffassung, wonach die negative Feststellungswiderklage bloss unter der Voraussetzung zulässig sein soll, dass auf sie aufgrund ihres Streitwerts die gleiche Verfahrensart anwendbar ist wie auf die Teilklage, erweist sich in diesem Sinne als bundesrechtswidrig. (...)
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