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9. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen C. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_412/2017 vom 8. Januar 2018 | |
Regeste |
Art. 498 ff. und Art. 509 ff. ZGB; Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge letztwilliger Verfügungen; Vernichtung eines Widerrufstestaments. | |
Sachverhalt | |
1 | |
B.
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B.a Am 15. Dezember 2010 eröffnete das Bezirksgericht Meilen eine Reihe von letztwilligen Verfügungen bzw. Schenkungsversprechen des Erblassers aus der Zeit zwischen dem 14. Januar 2008 und dem 27. Juni 2010, darunter das im Original erhaltene "Testament" vom 7. November 2008, dessen Ziffer 3 wie folgt lautet:
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"An meine frühere Ehefrau E.A., richte ich ein Vermächtnis von CHF 20'000'000.- (zwanzig Millionen Schweizerfranken) und an meine jetzige Lebenspartnerin C., CHF 10'000'000.- (zehn Millionen Schweizerfranken) höchstens jedoch für beide insgesamt 10 % (zehn Prozent) meines Nettovermögens."
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B.b Ein weiteres "Testament" datiert vom 17. März 2010 und ist lediglich in Kopie vorhanden. Laut Ziffer 3.2 soll "Frau C." bis fünf Jahre nach dem Ableben des Erblassers monatlich den Betrag von Fr. 15'000.- erhalten. In der Zeit danach sollen deren Tochter F. monatlich Fr. 5'000.- (zuzüglich Schulgelder, Internatskosten, Studiengebühren etc.) ausbezahlt werden, und zwar solange F. einer angemessenen Ausbildung nachgeht, längstens aber bis zu F.s 26. Geburtstag. Ziffer 7 des Testaments vom 17. März 2010 trägt den Titel "Verhältnis zu früheren Verfügungen" und lautet wie folgt:
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"Dieses Testament ersetzt alle früheren letztwillige Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge zu diesen."
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In einem "Nachtrag zum Testament vom 17. März 2010", der vom 27. Juni 2010 datiert und nur in Kopie vorhanden ist, ergänzte der Erblasser die Ziffern 3.2 und 5 des Testaments vom 17. März 2010.
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C. Am 6. Juni 2011 verklagte C. die Gebrüder A. vor dem Bezirksgericht Meilen. Soweit vor Bundesgericht noch streitig, stellte sie das Begehren, die Beklagten solidarisch zu verpflichten, ihr "10 Mio. Schweizer Franken gemäss Vermächtnis des Erblassers vom 7. November 2008 (zuzüglich Verzugszinsen) zu bezahlen". Das Bezirksgericht wies das Begehren ab (Urteil vom 3. November 2016). Darauf erhob C. Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich. Dieses hiess die Klage gut und entsprach dem Begehren; einzig den Beginn des Zinsenlaufs bestimmte es neu (Urteil vom 26. April 2017).
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 3 | |
3.1 Zu Recht beklagen sich die Beschwerdeführer darüber, wie das Obergericht seinem Urteil die Überlegung zugrunde legt, dass Verfügungen von Todes wegen ihre Wirkungen erst beim Tod des Erblassers entfalten. Der angefochtene Entscheid weist diesen Grundsatz als Lehrmeinung des Kommentators PETER WEIMAR aus (Berner Kommentar, Die Verfügungen von Todes wegen - Einleitung, 2009, N. 96). Wie sich aus der Überschrift der Kommentarstelle ergibt, kommt der Autor dort auf die Unterscheidung zwischen den Verfügungen von Todes wegen und den Rechtsgeschäften unter Lebenden zu sprechen (WEIMAR, a.a.O., N. 96 ff.). Die Unterscheidung erfolgt anhand der Rechtsfolge (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 10. Aufl. 2014, Rz. 134). Das Kriterium der Unterscheidung ist der Zeitpunkt, in welchem das Rechtsgeschäft seine Wirkungen entfalten soll. Die Abgrenzung besteht darin, dass Rechtsgeschäfte unter Lebenden schon vor dem Tod des Verpflichteten rechtliche Bindungen begründen, während bei den Verfügungen von Todes wegen die Verpflichtungen grundsätzlich erst mit dem Tode des Erblassers entstehen (BGE 113 II 270 E. 2b S. 273 mit Hinweisen). Von der Rechtsfolge eines Rechtsgeschäfts - im Falle der Verfügung von Todes wegen der Gestaltung der Rechtslage für die Zeit nach dem Tod des Erklärenden - ist der Tatbestand zu unterscheiden. Der Tatbestand des Rechtsgeschäfts ist die Willenserklärung, das heisst die Mitteilung des privaten Gestaltungswillens, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis begründet, geändert oder beendet werden soll (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1973, N. 18 ff. zu Art. 1 OR; VON TUHR/ ![]() | 11 |
3.2 Mit Blick auf die Tragweite von Ziffer 7 des Testaments vom 17. März 2010 (s. Sachverhalt Bst. B.b) verkennt das Obergericht die dargelegte Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge von Rechtsgeschäften. Gewiss entfaltete dieses Testament zu Lebzeiten des Erblassers keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen, weil die Rechtsfolge dieses Rechtsgeschäfts erst mit Tod des Erklärenden eintrat. Allein damit ist noch nichts darüber gesagt, welches Schicksal in der Zeit vor dem Tod des Erblassers der Willenserklärung, also dem Tatbestand dieses einseitigen Rechtsgeschäfts beschieden ist. Wie gesehen, setzt die Wirksamkeit der Willenserklärung im Falle der letztwilligen Verfügung gerade nicht voraus, dass die Erklärung zu Lebzeiten des Erklärenden in Empfang genommen wird. Mit anderen Worten ist der rechtsgeschäftliche Tatbestand der letztwilligen Verfügung erfüllt und hat die Willenserklärung Bestand, sobald der Erblasser seinen Geschäftswillen in einer der gesetzlich vorgeschriebenen Formen (Art. 498 ff. ZGB) erklärt hat. Aus dieser Besonderheit folgt zum einen das zwingende, unverzichtbare Recht des Erblassers, seine letztwillige Verfügung jederzeit frei zu widerrufen (BGE 108 II 405 E. 2a S. 407). Zum andern setzt der Widerruf aber auch voraus, dass der Erblasser seinen Widerrufswillen - wiederum in einer der gesetzlich vorgesehenen Formen (Art. 509 ff. ZGB) - tatsächlich äussert, wenn er teilweise oder vollständig (Art. 509 Abs. 2 ZGB) auf seinen früher wirksam erklärten Testierwillen zurückkommen will (vgl. BGE 78 II 348 E. 4 S. 351). Der Widerruf einer ![]() | 12 |
3.3 Im konkreten Fall sind sich die Parteien gemäss den verbindlichen (Art. 105 Abs. 1 BGG) vorinstanzlichen Feststellungen darüber einig, dass der Erblasser das Testament vom 17. März/27. Juni 2010 in Aufhebungsabsicht vernichtete. Mit der Vernichtung schaffte der Erblasser auch Ziffer 7 des Testaments aus der Welt, wonach "dieses Testament ... alle früheren letztwillige[n] Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge zu diesen" ersetzt (s. Sachverhalt Bst. B.b). Eine (wie auch immer geartete) rechtsgeschäftliche Bedeutung kommt diesem Akt der Vernichtung freilich nur zu, wenn es sich bei der zerstörten Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 überhaupt um ein Testament im Rechtssinne handelte, der Tatbestand dieses einseitigen Rechtsgeschäfts also erfüllt war. Unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen und die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ist insbesondere, dass der Erblasser seinen Testierwillen erklärt (BGE 131 III 601 E. 3.1 S. 604; BGE 116 II 117 E. 7c S. 128; vgl. auch BGE 78 II 348 E. 2 S. 350), das heisst seinen Willen, über sein Vermögen für die Zeit nach seinem Tod zu verfügen (BGE 88 II 67 E. 2 S. 71). Das Erfordernis eines erklärten Testierwillens zählt (wie der Erklärungsvorgang) zum Tatbestand der letztwilligen Verfügung. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um den rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen des Erblassers. Der ![]() | 13 |
Was den hier zu beurteilenden Streit angeht, ergibt sich aus dem angefochtenen Entscheid, dass die Beschwerdegegnerin dem Erblasser mit Bezug auf das Testament vom 17. März/27. Juni 2010 den Testierwillen abspricht. Das Obergericht schliesst nicht aus, dass es sich bei dieser Urkunde um einen blossen Entwurf handelte, der Erblasser in diesem Schriftstück also (noch) nicht seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen zum Ausdruck brachte. In E. III/4.2 des angefochtenen Entscheids erklärt es zwar, dass der erstinstanzlichen Einschätzung, wonach aus Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 (s. Sachverhalt Bst. B.b) der Wille zum Widerruf des Testaments vom 7. November 2008 "unzweideutig hervorgehe", "grundsätzlich ohne weiteres zu folgen" sei. Trotzdem kann nicht gesagt werden, dass das Obergericht im angefochtenen Entscheid in für das Bundesgericht verbindlicher Weise (Art. 105 Abs. 1 BGG) einen Testierwillen des Erblassers feststellt. Denn schon in E. III/4.8.1 des angefochtenen Entscheids erörtert die Vorinstanz erneut zwei gegensätzliche Hypothesen: Zum einen ist davon die Rede, was gälte, wenn es am Testierwillen fehlen würde, zum anderen kommt das Obergericht darauf zu sprechen, welche Fragen sich stellen würden, wenn von einem Testierwillen auszugehen wäre. Letztendlich bleibt im angefochtenen Entscheid ungewiss, ob der Erblasser in der Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 seinen Testierwillen zu Papier brachte. Zur Erklärung, weshalb es diese Ungewissheit nicht auszuräumen brauche, führt das Obergericht aus, dass Ziffer 7 des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 infolge der Vernichtung des ![]() | 14 |
3.4 Im Ergebnis wird sich das Obergericht in einem neuen Entscheid abschliessend dazu äussern müssen, ob der Erblasser seinen Testierwillen erklärte, als er in Ziffer 7 der Urkunde vom 17. März/27. Juni 2010 anordnete, dass dieses Testament alle früheren letztwilligen Verfügungen und Testamente einschliesslich aller Nachträge ersetzt. Falls die Vorinstanz dies bejaht, wird sie sich mit der soeben formulierten Frage auseinandersetzen müssen, welche Konsequenzen sich aus der Vernichtung des Testaments vom 17. März/27. Juni 2010 ergeben. Im Hinblick darauf ist klarzustellen, dass die hier erörterten Grundlagen aus der Lehre von den Rechtsgeschäften (E. 3.1-3.3) nicht nur für die Errichtung eines Testaments gelten, sondern auch für den nach Massgabe von Art. 509 ff. ZGB erfolgten Widerruf letztwilliger Verfügungen (s. E. 3.3).
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