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36. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Regierungsstatthalteramt Biel/Bienne (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_791/2017 vom 17. Juli 2018 | |
Regeste |
Art. 580 ff. ZGB; öffentliches Inventar; einmalige Einsichts- und Äusserungsmöglichkeit im Verfahren auf Aufnahme des Inventars; Kognition der zuständigen Behörde. | |
Sachverhalt | |
1 | |
A.a 2016 verstarb C.A. (geb. 1928; Erblasser). Er hinterliess als gesetzliche Erben die Ehefrau D.A. (geb. 1945) sowie die Enkel A.A. (geb. 1993; Beschwerdeführer 1) und B.A. (geb. 1995; Beschwerdeführer 2). Als Willensvollstrecker hatte er am 11. August 2005 E. eingesetzt.
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A.b Auf Antrag von A.A. und B.A. hin ordnete die stellvertretende Regierungsstatthalterin von Biel/Bienne am 29. Dezember 2016 die Errichtung eines öffentlichen Inventars über den Nachlass an. Zur verantwortlichen Urkundsperson ernannte sie den Notar F. Zudem setzte sie einen Massaverwalter ein.
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Der Notar schloss das Inventar am 28. Februar 2017 und stellte es den Erben und dem Willensvollstrecker zu. Aufgrund verschiedener Bemerkungen sowie Ergänzungs- und Änderungsanträgen von A.A. und B.A. musste es nochmals überarbeitet werden. Am 3. Juli 2017 reichte F. das Inventar (inklusive Nachtrag vom 30. Juni 2017) schliesslich beim Regierungsstatthalteramt ein. Je ein Exemplar liess er den Erben zukommen.
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Mit Eingabe vom 7. Juli 2017 beanstandeten A.A. und B.A. das Inventar in verschiedenen Punkten und beantragten, es sei von der Ansetzung einer Erklärungsfrist abzusehen und der Notar anzuweisen, weitere Abklärungen zu treffen sowie das Inventar anzupassen. Mit Schreiben vom gleichen Tag setzte die stellvertretende Regierungsstatthalterin den Erben Frist von einem Monat zur Erklärung, ob sie ![]() | 5 |
B. Mit Beschwerde vom 2. August 2017 gelangten A.A. und B.A. an das Obergericht des Kantons Bern und beantragten die Aufhebung der Verfügungen vom 7. und vom 12. Juli 2017. Ausserdem ersuchten sie um Rückweisung der Sache an das Regierungsstatthalteramt mit der Weisung, das Inventar nach Vornahme zusätzlicher Abklärungen anzupassen und eine neue Erklärungsfrist anzusetzen. Mit Entscheid vom 31. August 2017 wies das Obergericht die Beschwerde ab und setzte A.A. und B.A. Frist an, um sich zur Annahme der Erbschaft zu erklären.
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C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 8. Oktober 2017 sind A.A. und B.A. mit dem Antrag an das Bundesgericht gelangt, es sei der Entscheid des Obergerichts vom 31. August 2017 aufzuheben. Das Regierungsstatthalteramt sei anzuweisen, das öffentliche Inventar (inkl. Nachtrag) zu ergänzen und zu bereinigen. Insbesondere seien verschiedene (namentlich genannte) "Aktiv- und Passivpositionen" der Erbschaft abzuklären. Anschliessend sei das Regierungsstatthalteramt anzuhalten, das Inventar erneut aufzulegen und A.A. und B.A. eine neue Frist zur Erklärung über die Annahme der Erbschaft anzusetzen.
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Das Obergericht und das Regierungsstatthalteramt haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
Erwägung 2 | |
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In sachverhaltlicher Hinsicht ist unbestritten, dass der Notar das Inventar am 28. Februar 2017 abschloss und den Beschwerdeführern anschliessend Gelegenheit für allfällige Änderungsanträge gab, von der diese Gebrauch machten. Am 3. Juli 2017 reichte er das Inventar mitsamt einem Nachtrag vom 30. Juni 2017 ohne weitere Auflegung ![]() | 12 |
(...)
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2.4 Wie das Obergericht richtig festhält, sieht das Gesetz nach seinem Wortlaut damit nur eine einmalige Auflage des Inventars zur Einsicht vor (Art. 584 Abs. 1 ZGB). Diese Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Institut des öffentlichen Inventars eine bloss beschränkte Aufgabe erfüllt: Es dient einzig der Information der Erben über die Aktiven und Passiven der Erbschaft und gibt Ersteren in Form des Instituts der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar die Möglichkeit, die Schuldenhaftung zu beschränken (vgl. Urteile 5A_184/2012 vom 6. Juli 2012 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 138 III 545, aber in: Pra 102/2013 Nr. 14 S. 128; 5P.155/2001 vom 24. Juli 2001 E. 2a). Es hat keinen konstitutiven Charakter. Der Streit um den (materiellen) Bestand und Inhalt der Aktiven und Passiven der Erbschaft wird nicht im Rahmen der Inventaraufnahme, sondern eines späteren Zivilprozesses geführt (vgl. ![]() | 15 |
Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, vom Wortlaut des Gesetzes abzuweichen (vgl. BGE 143 III 385 E. 4.1; BGE 142 V 402 E. 4.1; je mit Hinweisen) und den Erben mehr als eine Einsichts- und Äusserungsmöglichkeit einzuräumen. Dies gilt auch mit Blick auf Art. 29 Abs. 2 BV. Um den berechtigten Informationsinteressen der Erben Rechnung zu tragen, ist diesen eine allfällige nachträgliche Berichtigung von Aktiven und Passiven aber anzuzeigen (vgl. ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1960, N. 2 zu Art. 584 ZGB; PFYL, a.a.O., S. 13; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 6 zu Art. 584 ZGB; WISSMANN/VOGT/LEU, a.a.O., N. 10 zu Art. 584 ZGB).
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(...)
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Erwägung 3 | |
3.1 Die Beschwerdeführer rügen weiter, das öffentliche Inventar sei inhaltlich nicht vollständig und vermöge den gesetzlichen Anforderungen des ZGB sowie der einschlägigen kantonalen Bestimmungen nicht zu genügen. Notwendige Abklärungen seien trotz entsprechender Anträge unterblieben, weshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör mehrfach verletzt sei. Aktiven und Passiven der Erbschaft seien, sofern überhaupt festgestellt und inventarisiert, beliebig bewertet worden, offensichtlich aufzunehmende Positionen, namentlich ![]() | 18 |
3.2 Mit ihren Vorbringen verkennen die Beschwerdeführer, dass das öffentliche Inventar nicht der Ort ist, um den Streit um Inhalt und Bestand der Aktiven und Passiven der Erbschaft zu führen. Hierüber ist vielmehr in einem Zivilprozess zu entscheiden (vgl. vorne E. 2.4 und die dortigen Hinweise). Die Aufnahme eines Passivum in das Inventar hat denn auch allein deklaratorische Wirkung. Das Inventar gibt bloss Auskunft darüber, welche Schulden aufgrund der einschlägigen Bestimmungen aufgenommen wurden, ohne sich zu deren Begründetheit zu äussern. Die zuständige Behörde hat bei der Inventaraufnahme diesbezüglich keine Entscheidungsbefugnis. Entsprechend hat sie die angemeldeten Forderungen im Inventar aufzunehmen, ohne sie einer Prüfung zu unterziehen. Sie darf diese weder zurückweisen noch herabsetzen (vgl. ESCHER, a.a.O., N. 3 zu Art. 581 ZGB; MATTER, a.a.O., S. 64 f.; PFYL, a.a.O., S. 10). Das öffentliche Inventar gibt einzig einen informativen Überblick über die Aktiven und Passiven der Erbschaft, enthält aber keine umfassende und inhaltlich bereinigte Zusammenstellung derselben. Dementsprechend ist auch nicht bei der Aufnahme des Inventars, sondern im Zivilprozess über die Frage zu entscheiden, ob eine Forderung rechtzeitig angemeldet wurde oder die Präklusionswirkung (vgl. Art. 590 ZGB) eingetreten ist (für Beispiele entsprechender Zivilprozesse vgl. BGE 110 II 228; 79 II 362; Urteil 5C.126/2006 vom 23. August 2006, teilweise publ. in: BGE 133 III 1; zu den materiellrechtlichen Folgen der Präklusion vgl. etwa NONN/ENGLER, in: Praxiskommentar Erbrecht, Abt/Weibel [Hrsg.], 3. Aufl. 2015, N. 4 ff. zu Art. 590 ZGB; TUOR/PICENONI, a.a.O., N. 2 zu Art. 589/590 ZGB; WISSMANN/VOGT/LEU, a.a.O., N. 1 und 3 zu Art. 590 ZGB; WOLF/GENNA, Erbrecht, SPR, Bd. IV/2, 2015, S. 115 ff.). Hieran ändert nichts, dass Erbschaftsgläubiger berechtigt sind, gegen die Nichtaufnahme ihrer Forderung in das Inventar vorzugehen (vgl. Urteil 5A_392/2016 vom 1. November 2016). Anders als die Beschwerdeführer meinen, sind Steuerforderungen sodann von vornherein nicht in das Inventar aufzunehmen (Art. 165 Abs. 4 DBG [SR 642.11] und Art. 238 Abs. 4 des Steuergesetzes [des Kantons Bern] vom 21. Mai 2000 [StG/BE; BSG 661.11]; BGE 132 I 117 E. 5.1; BGE 102 Ia 483 E. 5 und 6; Urteil 2C_377/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 2). Somit ![]() | 19 |
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