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64. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_362/2018 vom 5. Oktober 2018 | |
Regeste |
Art. 117 lit. a ZPO; unentgeltliche Rechtspflege; Bedürftigkeit. | |
Sachverhalt | |
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B. Mit Verfügung vom 18. Mai 2018 schrieb das Sozialversicherungsgericht das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung [bezüglich der Befreiung von den Gerichtskosten] als gegenstandslos ab, da das zu Grunde liegende Verfahren eine Streitigkeit ![]() | 2 |
C. Gegen die Verfügung des Sozialversicherungsgerichts erhob der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er begehrte unter anderem, die Verfügung der Vorinstanz sei bezüglich der Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtsvertretung aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Dagegen rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 117 lit. a ZPO. Die Vorinstanz habe unter Berufung auf BGE 135 I 288 in unzulässiger Weise die Kapitalauszahlung seiner zweiten Säule als Vermögen angerechnet. Der von der Vorinstanz zitierte Bundesgerichtsentscheid (BGE 135 I 288) sei nicht einschlägig. Dort sei einzig entschieden worden, dass einem Versicherten, der freiwillig ![]() | 8 |
Erwägung 3 | |
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Wohl trifft es zu, dass BGE 135 I 288 nicht exakt die in casu zu beantwortende Frage behandelt, ob die nach Eintritt des Vorsorgefalls ausbezahlte Kapitalabfindung bei der Bestimmung der prozessualen Bedürftigkeit als Vermögen anzurechnen ist. Gleichwohl ist dieser Entscheid keineswegs "nicht einschlägig", wie der Beschwerdeführer moniert. Vielmehr hat die Vorinstanz diesen Entscheid zu Recht berücksichtigt, bringt er doch klar die Auffassung des Bundesgerichts zum Ausdruck, dass verfügbares Kapital als Vermögen anzurechnen ist, auch wenn es ursprünglich zu Vorsorgezwecken geäufnet wurde.
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Dem kantonalen Gericht sei in seinem Standpunkt voll und ganz beizupflichten, wonach es für die Anrechnung oder Berücksichtigung ![]() | 13 |
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3.3.1 BÜHLER ist der Auffassung, das oben wiedergegebene Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts missachte die Zweckbestimmung einer berufsvorsorgerechtlichen Kapitalabfindung und deren beschränkte Pfändbarkeit gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG. Dem mit dieser Bestimmung verfolgten Zweck der Erhaltung des Vorsorgeschutzes komme nach Eintritt des Versicherungsfalls weiterhin der Vorrang zu. Das dem Versicherten als Kapital ausbezahlte Vorsorgevermögen dürfe deshalb nicht unbeschränkt zur Finanzierung von Prozesskosten dienen. Dem mit Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG bezweckten Sozialschutz entspreche vielmehr nur eine Anrechnung als Renteneinkommen in dem Masse, als das ausbezahlte Kapital einer nach der statistischen Lebenserwartung ![]() | 15 |
Ihm folgt ein Teil der Lehre (STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs. 3 BV], 2008, S. 82, nach welchem der Vorsorgezweck es verbiete, das ganze Kapital anzurechnen [Fn. 80]; FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg], 3. Aufl. 2016, N. 6 zu Art. 117 ZPO; RÜEGG/RÜEGG, a.a.O., N. 9 und 16 zu Art. 117 ZPO).
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Auch kantonale Gerichte haben sich für diese Auffassung entschieden (Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 1. Oktober 2015, Geschäftsnummer ZR.2015.38, publ. in: RBOG 2015, Nr. 11, E. 2 f.; wohl auch: Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. September 2017, Geschäftsnummer PQ170064, E. II.5).
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Erwägung 4 | |
4.1 Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Wer diese Bedingungen erfüllt, hat ausserdem Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand, sofern dies zur Wahrung der ![]() | 19 |
Die unentgeltliche Rechtspflege nach Art. 29 Abs. 3 BV und Art. 117 ff. ZPO dient dem Zugang zum Gericht. Mit dem Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege soll eine nicht über genügend finanzielle Mittel verfügende Partei in den Stand versetzt werden, zur Durchsetzung ihrer Rechte einen Prozess zu führen. Es soll ihr, gleich wie einer vermögenden Partei, der Zugang zum Gericht ungeachtet ihrer Bedürftigkeit gewährleistet sein (BGE 142 III 131 E. 4.1 S. 136; BGE 140 III 12 E. 3.3.1; BGE 139 I 138 E. 4.2; BGE 135 I 91 E. 2.4.2.3; je mit Hinweisen).
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Als bedürftig gilt eine Person, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind (BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 371; BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; BGE 128 I 225 E. 2.5.1). Dazu gehören nicht nur die Einkommens-, sondern auch die Vermögensverhältnisse (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; BGE 124 I 97 E. 3b S. 98; je mit Hinweisen).
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Soweit das Vermögen einen angemessenen "Notgroschen" ("réserve de secours") übersteigt, ist dem Gesuchsteller unbesehen der Art der Vermögensanlage zumutbar, dieses zur Finanzierung des Prozesses zu verwenden (Urteile 9C_659/2016 vom 17. Januar 2017 E. 4.2; 4A_664/2015 vom 19. Mai 2016 E. 3.1; 8C_273/2015 vom 12. August 2015 E. 6.2; 5A_103/2014 vom 4. Juni 2014 E. 3.1; 4D_22/2014 vom 22. April 2014 E. 2.1; 4D_41/2009 vom 14. Mai 2009, E. 3; 4P.313/2006 vom 14. Februar 2007 E. 3.3). Die Art der Vermögensanlage beeinflusst allenfalls die Verfügbarkeit der Mittel, nicht aber die Zumutbarkeit, sie vor der Beanspruchung des Rechts auf unentgeltliche Prozessführung anzugreifen. Soweit die eigenen Mittel erlauben, einen Prozess zu finanzieren, ist der Zugang zur Justiz gewährleistet, und es rechtfertigt sich nicht, öffentliche Mittel dafür bereitzustellen (Urteile 5A_726/2014 vom 2. Februar 2015 E. 4.2; 5A_329/2010 vom 16. Juli 2010 E. 3.1; 4A_294/2010 vom 2. Juli 2010 E. 1.3; 4D_41/2009 vom 14. Mai 2009 E. 3; 4P.313/2006 vom 14. Februar 2007 E. 3.3).
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4.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat schon im Jahre 1998 zu Recht entschieden, dass eine bei Eintritt des Versicherungsfalls ![]() | 23 |
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Eine schematische Gleichbehandlung zwischen den Auszahlungsvarianten Rente und Kapital ist gesetzlich nicht vorgesehen. So gibt es beispielsweise Unterschiede in der steuerlichen Behandlung und auch im Falle des Todes des Versicherten stimmen die Folgen nicht überein. Auch für die unentgeltliche Rechtpflege nach Art. 117 ff. ZPO besteht kein Grund, den autonomen Entscheid des Versicherten zu negieren und für die Berechnung der prozessualen Bedürftigkeit eine hypothetische Rente anzunehmen. Mit der Gleichbehandlung mit einem Versicherten, der sich statt des Kapitalbezugs für eine Rente entschieden hat, lässt sich die Umrechnung des Kapitalbezugs in eine Rente nicht rechtfertigen.
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4.2.2 Auch die mangelnde Pfändbarkeit vermag dies nicht: Es ist zutreffend, dass Ansprüche aus beruflicher Vorsorge nach Eintritt der Fälligkeit beschränkt pfändbar sind (Art. 93 Abs. 1 SchKG; BGE 144 III 407 E. 4.3 S. 410; BGE 120 III 75 E. 1a S. 77, BGE 120 III 71 E. 4; Urteil 5A_908/2017 vom 7. März 2018 E. 2.2). Aber nur weil ein Vermögenswert im Betreibungsverfahren beschränkt gepfändet werden kann, bedeutet dies noch nicht zwingend, dass dieser Wert für die prozessuale Bedürftigkeit nicht berücksichtigt werden kann. So wird doch das Erwerbseinkommen - in der Regel die Haupteinnahmequelle des Gesuchstellers - bei der Berechnung der Bedürftigkeit unbestrittermassen als Aktivposten veranschlagt, unabhängig davon, dass dieses nach Art. 93 Abs. 1 SchKG beschränkt pfändbar ist. Sodann wird in der Lehre zu Recht davon ausgegangen, dass die beschränkte ![]() | 26 |
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Mit der Auszahlung des Pensionskassenguthabens und dem Übergang in das Privatvermögen des Versicherten kann dieser grundsätzlich frei darüber verfügen. Es ist also nicht gesetzlich sichergestellt, dass der Versicherte das ausbezahlte Kapital nur für den Vorsorgefall VERWENDEN WIRD. Auch die Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege in der ZPO dienen nicht der Erhaltung des Vorsorgeschutzes des ausbezahlten Pensionskassenkapitals. Wenn sodann davon ausgegangen würde, dass ein Vermögenswert, welcher der Vorsorge gewidmet wäre, bei der Beurteilung der Bedürftigkeit nicht als Vermögen berücksichtigt werden könnte, müssten konsequenterweise auch andere Vermögenswerte im Vermögen unberücksichtigt bleiben, so z.B. ein Sparkonto, das einzig zum Zweck der Altersvorsorge geäufnet wurde. Dieser Vermögenswert wird aber unbestritten in die Berechnung der prozessualen Bedürftigkeit einbezogen. Dies aus gutem Grund:
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4.2.4 Für die Berechnung der Mittellosigkeit im Sinne von Art. 117 lit. a ZPO ist grundsätzlich unerheblich, aus welcher Quelle ein ![]() | 29 |
4.3 Nach dem Gesagten ist die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gekommen, dass das bei Gesuchseinreichung noch vorhandene Vermögen aus dem Kapitalbezug der beruflichen Vorsorge von rund Fr. 180'000.- bei der Ermittlung der Bedürftigkeit im Vermögen des Beschwerdeführers anzurechnen ist. Der Beschwerdeführer macht nicht hinreichend geltend, dass er mit diesem Vermögen, abzüglich eines "Notgroschens", die allfällig anfallenden Kosten seiner Rechtsvertretung nicht bestreiten könnte. Es mangelt ihm daher für die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands an der Bedürftigkeit nach Art. 117 lit. a ZPO.
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