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Informationen zum Dokument  BGE 146 III 403  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 9
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42. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_609/2019 vom 16. Juli 2020
 
 
Regeste
 
Art. 52 Abs. 2 und Art. 56 EPÜ 2000; Patentierbarkeit einer Erfindung; Technizität einer gemischten Erfindung; Wiedergabe von Informationen.  
Die Frage des Ausschlusses von der Patentierung (Art. 52 Abs. 2 EPÜ 2000) ist von der Frage der erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 2000) zu trennen. Eine Erfindung ist dann nicht von der Patentierbarkeit nach Art. 52 Abs. 2 EPÜ 2000 ausgeschlossen, wenn sie mindestens ein technisches Merkmal umfasst (E. 9.1-9.2). Merkmale, welche keinen Beitrag zur technischen Lösung eines technischen Problems leisten, können die erfinderische Tätigkeit nach Art. 56 EPÜ 2000 nicht begründen (E. 10). Drei Voraussetzungen, unter denen die Darstellung von Informationen technischer Natur ist; Anwendung im konkreten Fall (E. 10-10.3.2).  
 
Sachverhalt
 
BGE 146 III 403 (404)A. Die B. AG (Patentinhaberin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) ist Inhaberin des europäischen Patents x (nachfolgend: Klagepatent). Dieses bezieht sich gemäss seinem Titel auf ein Verfahren und eine Einrichtung zum Vereinfachen einer diagnostischen Bewertung eines mechanisch beatmeten Patienten.
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Die A. AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) vertreibt unter anderem das Beatmungsgerät "C." in verschiedenen Varianten nebst zugehörigen proximalen Flusssensoren, das nach der Behauptung der Patentinhaberin das europäische Patent x verletzt.
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B. Am 23. Mai 2017 reichte die Klägerin beim Bundespatentgericht eine Patentverletzungsklage ein. Sie stellte lange - im Laufe des Verfahrens angepasste - Rechtsbegehren, die im Wesentlichen auf das Verbot des Vertriebs in der Schweiz und Liechtenstein von Beatmungsgeräten zur mechanischen Beatmung eines Patienten mit Beatmungsluft, die verschiedene Merkmale aufweisen (Rechtsbegehren 1), bzw. von unter verschiedenen Bezeichnungen vertriebenen Produkten (Rechtsbegehren 2, 3 und 4) gerichtet sind. Zudem stellte sie ein Begehren um Auskunft und Rechnungslegung hinsichtlich der von der Beklagten erzielten relevanten Netto-Verkaufserlöse und Bruttogewinne (Rechtsbegehren 5) und beantragte die Zahlung eines gemäss dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren zu ermittelnden Betrages (Rechtsbegehren 6) sowie die Einziehung und Zerstörung der Vorrichtungen gemäss Rechtsbegehren 1-4 bzw. der zu ihrer Herstellung dienenden und sich im Eigentum der Beklagten befindenden Mittel (Rechtsbegehren 7).
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Mit Teilurteil vom 1. November 2019 hiess das Bundespatentgericht die Rechtsbegehren 1a und 5 teilweise gut, trat auf die Rechtsbegehren 2-4 nicht ein und wies das Rechtsbegehren 7 ab.BGE 146 III 403 (404)
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BGE 146 III 403 (405)C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. Dezember 2019 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Teilurteil sei teilweise aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Bundespatentgericht zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen:
 
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Erwägung 9
 
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9.1.1 Sie erwog, nach dem sog. COMVIK-Ansatz - genannt nach dem Leitentscheid einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (T 641/00 vom 26. September 2002) -, welchen die Beschwerdekammern in ständiger Rechtsprechung anwendeten, sei eine Erfindung dann nicht nach Art. 52 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens vom 5. Oktober 1973, revidiert in München am 29. November 2000 (EPÜ 2000; SR 0.232.142.2) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn sie mindestens ein technisches Merkmal umfasse. Um eine "gemischte Erfindung" in diesem Sinn handle es sich bei Anspruch 1 und den von ihm abhängigen Ansprüchen 5 bis 7. Denn Anspruch 1 und die von ihm abhängigen Ansprüche 5 bis 7 umfassten neben Merkmalen, deren Technizität strittig sei, auch Merkmale, die zweifellos technisch seien, so insbesondere einen Bildschirm (Merkmal 1A) und Mittel zur Erfassung vonBGE 146 III 403 (405) BGE 146 III 403 (406)wenigstens drei veränderlichen Werten unterschiedlicher Herkunft (Merkmal 1C). Entsprechend verneinte sie einen Ausschlussgrund gemäss Art. 52 Abs. 2 EPÜ 2000.
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9.1.2 Welche Merkmale bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Sinn von Art. 56 EPÜ 2000 zu berücksichtigen seien, sei - so die Vorinstanz weiter - eine andere Frage. Merkmale (einer gemischten Erfindung), die weder eine technische Wirkung hätten noch mit den übrigen Merkmalen so in Wechselwirkung stünden, dass sich daraus ein funktionaler technischer Beitrag ergebe, könnten die erfinderische Tätigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes nicht begründen (mit Hinweis auf zit. Entscheid T 641/00 sowie die Entscheide T 258/03 vom 21. April 2004 und T 531/03 vom 17. März 2005). Dies gelte nicht nur dann, wenn die Merkmale nicht selbst zum technischen Charakter der Erfindung beitrügen, sondern auch, wenn die Merkmale grundsätzlich zwar als technisch bezeichnet werden könnten, im Kontext der beanspruchten Erfindung aber keine technische Funktion hätten.
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Damit rügt sie die vorinstanzliche Bejahung der erfinderischen Tätigkeit gemäss Art. 56 EPÜ 2000 und nicht, dass eine Erfindung auch dann nicht gemäss Art. 52 Abs. 2 EPÜ 2000 ausgeschlossen ist, wenn es sich um eine gemischte Erfindung handelt. In der Tat ist die Frage des Ausschlusses von der Patentierung von der Frage der erfinderischen Tätigkeit zu trennen. Mit dem COMVIK-Ansatz hat sich in der Praxis des Europäischen Patentamts die Debatte darüber, was in einer Erfindung als technisch anzusehen ist, vom Erfindungsbegriff auf die logisch nachgeordnete Ebene der Patentierungsvoraussetzungen verlagert (RAINER MOUFANG, in: Patentgesetz mit europäischem Patentübereinkommen, Rainer Schulte [Hrsg.], 10. Aufl. 2017, N. 69 und 71 zu Art. 52 EPÜ; PETER HEINRICH, PatG/EPÜ, Kommentar [...], 3. Aufl. 2018, N. 43 zu Art. 1 PatG).
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(...)
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BGE 146 III 403 (406)
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Diese drei Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Ein Beatmungsgerät zur künstlichen Beatmung eines Menschen sei eine Maschine. Die grafische Darstellung der Volumenänderung der beatmeten Lunge mit jedem Atemzug gebe Informationen über den technischen Zustand der Maschine wieder. Da das an der Maschine eingestellte Tidalvolumen bei einem künstlich beatmeten Menschen dem Atemzugsvolumen ("breath volume") entspreche, wenn nicht besondere Umstände vorlägen, und die Atemfrequenz ebenfalls von der an der Maschine eingestellten Beatmungsfrequenz abhänge, erschliessen sich aus der animierten Lungendarstellung die aktuellen Einstellungen der Maschine, also ihr Betriebszustand. Diese Darstellung der Volumenänderung der beatmeten Lunge mit jedem Atemzug durch eine Grössenänderung der Lungenform unterstütze das medizinische Personal bei der Bedienung des Beatmungsgeräts. Entgegen der Beschwerdeführerin sei es nicht zwingend notwendig, dass die beanspruchte grafische Darstellung eine gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Bedienung desBGE 146 III 403 (407) BGE 146 III 403 (408)Beatmungsgeräts erlaube (Hervorhebung im Original). Dies spiele erst bei der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe, die sich aus den Wirkungen des unterscheidenden Merkmals ergebe, eine Rolle. Die Mensch-Maschinen-Interaktion - womit die Interaktion zwischen medizinischem Personal und Beatmungsgerät gemeint sei - sei auch eine fortgesetzte. Dazu sei es nicht notwendig, dass das Bedienungspersonal ständig in den Betrieb der Maschine eingreife. Die Beschwerdeführerin verkenne, dass bei der Prüfung, ob die Erfindung eine technische Lösung einer technischen Aufgabe bereitstelle, die einzelnen Merkmale nicht isoliert betrachtet werden dürften. Im Kontext der Erfindung trage die Darstellung der Volumenänderung zur Lösung einer technischen Aufgabe, der Bedienung eines Beatmungsgeräts bei. Die Erfindung unterscheide sich dadurch von andern gemischten Erfindungen, die nichttechnische Informationen über soziale Interaktionen, wie beispielsweise Geschäftsangelegenheiten, auf eine von Menschen erfassbare Weise darstellen und bei denen die Wiedergabe der Information nicht zur Lösung einer technischen Aufgabe beitrage. Die Darstellung der Volumenänderung der beatmeten Lunge mit jedem Atemzug durch eine Grössenänderung der Lungenform (Merkmale 1F[b] und [c]) sei daher bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit als technisches Merkmal zu berücksichtigen.
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In dem ebenfalls in den Richtlinien angeführten Verfahren T 336/2014 verneinte das Europäische Patentamt (EPA) eine erfinderische Tätigkeit bei einer gemischten Erfindung (Visualisierung von Daten auf einer Benutzeroberfläche für eine extrakorporale Blutbehandlungsmaschine). Es erwog, die auf einem Bildschirm angezeigten Bedienungsanleitungen und die dazugehörigen PiktogrammeBGE 146 III 403 (410) BGE 146 III 403 (411)gemäss den strittigen Merkmalen (1.12 und 1.13) können zugegebenermassen den Benutzer unterstützen bei der Bedienung der Maschine. Doch nicht alles, was die Erfüllung einer technischen Aufgabe unterstütze, habe selber technischen Charakter. Eine Handlung des Nutzers, die möglicherweise als Reaktion auf die vermittelte Information betreffend das Funktionieren der Maschine angeführt werde, mache die vermittelte Information nicht zwingend technisch. Vorliegend beinhalte der auf der Benutzeroberfläche dargestellte Inhalt (Bedienungsanleitungen und Piktogramme) vorgespeicherte statische Daten. Eine geführte Mensch-Maschinen-Interaktion finde nicht statt, denn die Wahl einer Bedienungsanleitung durch den Nutzer sei weder abhängig von einem beliebigen internen Zustand der Blutbehandlungsmaschine noch liefere die automatische Anzeige des jeweiligen Piktogramms irgendwelche Einzelheiten betreffend den aktuellen Betriebszustand der Maschine (nicht publ. E. 1.2.5).
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In dem im Fachrichtervotum (S. 61) zitierten EPA-Entscheid T 231/13 vom 1. August 2017 wurde der technische Effekt für ein mit einem Hornhautspekularmikroskop verbundenen Verfahren verneint, mittels welchem die vom Mikroskop gewonnenen Daten mit verschiedenen Graphiken und damit in einer - allenfalls - benutzerfreundlicheren Art dargestellt wurden. Nur das Mikroskop selber habe technischen Charakter. Das Argument der Beschwerdeführerin, die Darstellung der Graphiken verbessere die Datenvermittlung gegenüber dem Nutzer und bewirke dadurch einen technischen Effekt, sei offensichtlich unbehelflich; denn es handle sich nur um eine andere Formulierung für eine nichttechnische Wiedergabe von Information (nicht publ. E. 6).
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Als (Gegen-)beispiel für eine technische Wirkung bei bestehender Mensch-Maschinen-Interaktion nennen die Richtlinien die Darstellung der gegenwärtigen Ausrichtung eines medizinischen Kugelgelenkimplantats während der Operation in einer Weise, die den Chirurgen glaubhaft dabei unterstützt, die Position des Implantats genauer zu korrigieren (Richtlinien 2019, Teil G - Kapitel II-24).
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Damit geht die Beschwerdeführerin erneut davon aus, bereits im Hinblick auf die Beurteilung der Technizität müsse eine verbesserte Informationsverarbeitung nachgewiesen sein, was wie dargelegt (vgl. E. 10.3.1 hiervor) nicht der Fall ist. Aber auch unabhängig davon muss im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter auf die Beweislastverteilung eingegangen werden. Die Frage nach dieser stellt sich nämlich nur, wenn eine zu beweisende Tatsache nicht erwiesen ist. Nach den Richtlinien des Europäischen Patentamtes gilt die "technische Wirkung (...) als glaubhaft erzielt, wenn die Unterstützung des Nutzers bei der Ausführung der technischen Aufgabe objektiv, zuverlässig und ursächlich mit dem Merkmal verknüpft ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die behauptete Wirkung von subjektiven Interessen oder Präferenzen des Nutzers abhängt" (Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, November 2019, Teil G-Kapitel II-21). Die Vorinstanz hat wie erwähnt die "glaubhafte Unterstützung" nicht weiter begründet. Eine solche Unterstützung liegt aber auf der Hand. Es geht darum, ob davon ausgegangen werden kann, dass es für das medizinische Personal nützlich ist, wenn die Volumenänderung der beatmeten Lunge und die Beatmungsfrequenz angezeigt wird, um so die künstliche Beatmung patientengerecht einstellen zu können. Dies ergibt sich, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht geltend macht, ohne Zweifel aus dem natürlichen anatomischen Kontext, so wie jeder Nutzer den Beatmungsvorgang und dessen Auswirkung am Patienten auch aus seiner Lebenserfahrung kennt. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch vom von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheid T 1802/13. Dort war eben gerade nicht ersichtlich, dass durch die anspruchsgemässe Vorrichtung der Chirurg kausal unterstützt werde.
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Die Vorinstanz hat daher den technischen Charakter zu Recht bejaht.BGE 146 III 403 (412)
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