BGE 147 III 85 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 03.06.2021, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
9. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. FRACTAL-SWISS AG gegen A. Sàrl (vormals: FRACTAL-SWISS pma Sàrl) (Beschwerde in Zivilsachen) |
4A_297/2020 vom 7. September 2020 | |
Regeste |
Art. 53 MSchG; Klage auf Übertragung einer Marke. | |
Sachverhalt | |
A. Die FRACTAL-SWISS AG (Lizenzgeberin, Klägerin, Beschwerdeführerin) mit Sitz in Hergiswil ist Inhaberin der Wortmarke Nr. 604913 "Fractal", hinterlegt am 31. August 2010, sowie der Wort-Bild-Marke Nr. 681948 "Fractal-Swiss", hinterlegt am 11. Dezember 2015. Beide Marken beanspruchen Schutz für Waren und Dienstleistungen der Klasse 9.
| 1 |
Am 26. Januar 2017 wurde die FRACTAL-SWISS (pma) Sàrl (heute: A. Sàrl; Lizenznehmerin, Beklagte, Beschwerdegegnerin) mit Sitz in V. ins Handelsregister eingetragen.
| 2 |
Zwischen diesen beiden Gesellschaften bestand ein Lizenzvertrag, den die FRACTAL-SWISS AG mit Schreiben vom 11. Mai 2018 gekündigt hat.
| 3 |
Am 20. März 2019 ersuchte die FRACTAL-SWISS (pma) Sàrl das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) um Zulassung des Zeichens "Fractal-Swiss" zum Markenschutz für Waren und Dienstleistungen der Klassen 35 und 45 (Markeneintragungsgesuch Nr. 3872/2019).
| 4 |
B. Am 1. Juli 2019 reichte die FRACTAL-SWISS AG beim Obergericht des Kantons Nidwalden Klage gegen die FRACTAL-SWISS (pma) Sàrl ein. Sie stellte unter anderem ein Übertragungsbegehren. Mit Urteil vom 27. April 2020 trat das Obergericht - soweit vorliegend von Interesse - auf die Klage nicht ein.
| 5 |
Das Bundesgericht heisst die von der FRACTAL-SWISS AG erhobene Beschwerde in Zivilsachen gut.
| 6 |
(Zusammenfassung)
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
3.1 Nach Art. 53 MSchG (SR 232.11) kann der Kläger anstatt auf Feststellung der Nichtigkeit der Markeneintragung auf Übertragung der Marke klagen, wenn der Beklagte sich diese angemasst hat. Diese Klage dient dem Schutz vor Usurpatoren. Indem der besser Berechtigte nicht nur auf Nichtigkeit der Marke klagen, sondern ihre Übertragung verlangen kann, vermag er sich insbesondere die Priorität der Markeneintragung des Usurpators zu sichern. Voraussetzungen des Übertragungsanspruchs sind zum einen die bessere Berechtigung des Klägers an der Marke und zum anderen, dass sich der Beklagte die Marke angemasst hat. Beides ist vom Kläger nachzuweisen (Urteil 4A_39/2011 / 4A_47/2011 vom 8. August 2011 E. 8.5.1 mit Hinweisen).
| 9 |
10 | |
11 | |
Zwar entsteht das Markenrecht nach Art. 5 MSchG mit der Eintragung im Register. Indes befürwortet die Lehre einhellig die Möglichkeit, klageweise die Übertragung von Marken im Anmeldungsstadium zu verlangen (MARKUS R. FRICK, in: Basler Kommentar, Markenschutzgesetz, 3. Aufl. 2017, N. 2 zu Art. 53 MSchG; CHRISTOPH GASSER, in: Markenschutzgesetz [MschG], Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, N. 19 zu Art. 5 MSchG; ANNE-VIRGINIE LA SPADA-GAIDE, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 9 zu Art. 5 MSchG; STAUB, in: Markenschutzgesetz [MschG], Noth/Bühler/Thouvenin [Hrsg.], 2. Aufl. 2017, N. 7 zu Art. 53 MSchG). Dies überzeugt. Denn es ist nicht einzusehen, weshalb der Kläger zuwarten müsste, bis die Marke eingetragen ist und so der widerrechtliche Registerinhalt länger als nötig aufrecht bleibt. Das Bundesgericht hat sich dieser Auffassung im Urteil 4A_39/2011 / 4A_47/2011 vom 8. August 2011 E. 8.5.1 angeschlossen.
| 12 |
Die Vorinstanz stützt sich für ihre Auffassung einzig auf STAUB, a.a.O., N. 7 zu Art. 53 MSchG. Dieser Autor führt zwar aus, dass sich der Wortlaut von Art. 53 Abs. 1 MSchG auf eingetragene Marken beziehe, hält aber im gleichen Absatz einschränkend fest, dass die Übertragungsklage auch in Bezug auf Markenanmeldungen zu befürworten sei. Auch den Materialien sind im Übrigen keine Anhaltspunkte zu entnehmen, wonach die Klage auf Übertragung der Marke bewusst auf bereits im Register eingetragene Zeichen hätte beschränkt, (blosse) Markenanmeldungen dagegen vom Anwendungsbereich des Art. 53 MSchG hätten ausgenommen werden sollen (vgl. Botschaft vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben [nachfolgend: Botschaft], BBl 1991 I 43 zu Art. 50 [heute: Art. 53] MSchG; parlamentarische Beratungen: AB 1992 S 33; AB 1992 N 402). Für eine solche Unterscheidung wären nach dem Gesagten auch keine stichhaltigen praktischen Gründe erkennbar.
| 13 |
14 | |
Mit dieser Erwägung ist die Beschwerdeführerin zu Recht nicht einverstanden: Anmassung im Sinne von Art. 53 MSchG meint, dass der Beklagte die Marke zur Eintragung anmeldet, obwohl er vom besseren Recht des Klägers wusste oder hätte wissen müssen (Urteil 4A_39/2011 / 4A_47/2011 vom 8. August 2011 E. 8.5.1; FRICK, a.a.O., N. 3 f. zu Art. 53 MSchG; STAUB, a.a.O., N. 11 f. zu Art. 53 MSchG). Bereits die - dergestalt treuwidrige - Anmeldung der Marke tangiert die Rechte des Klägers, ohne dass es einen darüber hinausgehenden "effektiv[en]" Gebrauch des Zeichens durch den Beklagten bedürfte (siehe auch die Botschaft, BBl 1991 I 43 zu Art. 50[heute: Art. 53] MSchG).
| 15 |
Hinzu kommt, dass die Klage nach Art. 53 MSchG auf die Herstellung des rechtmässigen Zustands und insofern auf eine Bereinigung des Markenregisters zielt, weshalb etwa verlangt wird, dass die Marke, deren Übertragung verlangt wird, dem Kläger tatsächlich zustünde, wenn er sie selbst angemeldet hätte (Urteil 4A_39/2011 / 4A_47/2011 vom 8. August 2011 E. 8.5.1). Auf den Gebrauch der angegriffenen Marke durch den Beklagten kann es dabei nicht ankommen. Es wäre der Beschwerdeführerin denn auch nicht zuzumuten, trotz der - behauptetermassen markenrechtsverletzenden - Anmeldung des Zeichens "Fractal-Swiss" mit der Erhebung der Übertragungsklage zuzuwarten, bis sich die Rechtsverletzung in einem Gebrauch durch die Beschwerdegegnerin manifestiert.
| 16 |
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR). |