BGE 147 III 176 | |||
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20. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_434/2020 vom 17. November 2020 | |
Regeste |
Art. 82 Abs. 1 SchKG; Art. 320 lit. a i.V.m. Art. 57 ZPO; Prüfungsbefugnis der Beschwerdeinstanz im Verfahren der provisorischen Rechtsöffnung. | |
Sachverhalt | |
A. Die A. AG will auf dem Weg der Betreibung auf Grundpfandverwertung eine Forderung von Fr. 729'070.53 (zzgl. Zins) vollstrecken. Schuldner der Forderung ist C. Das Betreibungsbegehren nennt als Forderungsgrund den "Inhaber-Papier-Schuldbrief Nr. n des Kreisgrundbuchamtes IV Aarwangen-Wangen in der Höhe von CHF 1'500'000.00, lastend auf der Liegenschaft Z. Gbbl-Nr. j im k. Rang (Fällige Restforderung)". Das Grundstück gehört heute der B. AG. Sowohl C. als auch die B. AG erhoben gegen den Zahlungsbefehl Nr. 1 des Betreibungsamts Emmental-Oberaargau, Dienststelle Oberaargau, Rechtsvorschlag.
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B. Am 23. April 2019 stellte die A. AG beim Regionalgericht Emmental-Oberaargau ein Rechtsöffnungsgesuch. Mit Entscheid vom 15. Januar 2020 erteilte das Regionalgericht der A. AG für Fr. 729'070.53 nebst Zins zu 5 % seit 2. Oktober 2016, für das erwähnte Pfandrecht in der Höhe von Fr. 1,5 Mio. sowie für das Pfandrecht an den seit Anhebung der Betreibung aufgelaufenen und bis zur Verwertung auflaufenden Miet- und Pachtzinsforderungen aus dem verpfändeten Grundstück die provisorische Rechtsöffnung. Auf Beschwerde der B. AG hin reduzierte das Obergericht des Kantons Bern den Betrag, für den der Rechtsvorschlag der B. AG beseitigt wird, um Fr. 250'000.- auf Fr. 479'050.53. Weiter konstatierte es, dass der erstinstanzliche Entscheid betreffend den Rechtsvorschlag von C. in Rechtskraft erwachsen ist (Entscheid vom 27. April 2020).
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C. In ihrer Beschwerde an das Bundesgericht fordert die A. AG (Beschwerdeführerin), ihr wie vom Regionalgericht entschieden (s. Bst. B) im Betrag von Fr. 729'070.53 nebst Zins zu 5 % seit 2. Oktober 2016 sowie für die Pfandrechte die provisorische Rechtsöffnung zu erteilen. Eventualiter verlangt sie, die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Die B. AG (Beschwerdegegnerin) beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Obergericht verzichtete auf eine Vernehmlassung.
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(Zusammenfassung)
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Aus den Erwägungen: | |
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4.2.1 Bezeichnet der sicherungshalber übereignete, als Rechtsöffnungstitel vorgelegte Schuldbrief, wie hier vorinstanzlich festgestellt, keinen Schuldner, so gilt er im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde gemeinsam mit einer zusätzlichen Schuldanerkennung, zum Beispiel der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung, als Rechtsöffnungstitel, sofern die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Schuldbrief in der zusätzlichen Schuldanerkennung anerkannt wird (BGE 140 III 36 E. 4 S. 39 f.; Urteil 5A_136/2020 vom 2. April 2020 E. 3.4.3). Die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Schuldner eine persönliche Schuldpflicht für die Schuldbriefforderung anerkannt hat, beschlägt demnach das Vorliegen eines (zusammengesetzten) Rechtsöffnungstitels. Sie ist nicht Thema der Einwendungen, mit denen der Schuldner die Schuldanerkennung nach Massgabe von Art. 82 Abs. 2 SchKG entkräften kann. Die Lehrmeinung, auf die sich die Beschwerdeführerin beruft (DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 167 zu Art. 82 SchKG), besagt nichts anderes. Auch diesem Autor zufolge beziehen sich die Einwendungen des Schuldners auf die Frage, ob die anerkannte Schuldbriefforderung (noch) geschuldet ist.
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Ob ein gültiger Rechtsöffnungstitel vorliegt, prüft das Gericht von Amtes wegen (BGE 140 III 372 E. 3.3.3 S. 377; BGE 103 Ia 47 E. 2e S. 52; s. auch die Urteile 5A_46/2018 vom 4. März 2019 E. 3.1; 5A_746/2015 vom 18. Januar 2016 E. 4.2; 5A_113/2014 vom 8. Mai 2014 E. 2.1). Gemäss STAEHELIN gilt diese Regel auch für das Beschwerdeverfahren, und zwar in dem Sinne, dass die Rechtsmittelinstanz bei offensichtlichen Mängeln die Beschwerde gegen die Erteilung der Rechtsöffnung gutheissen muss, selbst wenn der fragliche Einwand vor erster Instanz nicht erhoben wurde (STAEHELIN, a.a.O., N. 90 zu Art. 84 SchKG, mit Hinweisen auf die kantonale Rechtsprechung). Diese Erkenntnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach die Prüfung, ob ein Rechtsöffnungstitel vorliegt, nicht die Sachverhaltsfeststellung betrifft, sondern der Rechtsanwendung zuzuordnen ist, die auch im Verfahren auf provisorische Rechtsöffnung von Amtes wegen erfolgt (Art. 57 ZPO; vgl. die Urteile 5A_1026/2018 vom 31. Oktober 2019 E. 3.2.2; 5A_46/2018 vom 4. März 2019 E. 3.1; 5A_872/2012 vom 22. Februar 2013 E. 1.2.4), wobei in diesem reinen Urkundenprozess eben nicht der materiell-rechtliche Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung, sondern - auch in rechtlicher Hinsicht - ausschliesslich die Tauglichkeit der präsentierten Urkunden Verfahrensthema ist (BGE 142 III 720 E. 4.1 S. 722 f.; BGE 133 III 645 E. 5.3 S. 653; Urteil 5A_15/2018 vom 16. April 2019 E. 4.5 mit Hinweisen). Aus alledem folgt indes nicht, dass die Beschwerdeinstanz das Vorliegen eines provisorischen Rechtsöffnungstitels losgelöst von entsprechenden Vorbringen des Schuldners von Amtes wegen abermals umfassend prüfen und (hinsichtlich der gesamten Betreibungsforderung oder eines Teils davon) verneinen darf. Das zeigen die nachfolgenden Erwägungen.
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Nach der Rechtsprechung zur Berufung (Art. 311 ff. ZPO) zeichnet sich das zweitinstanzliche Verfahren dadurch aus, dass bereits eine richterliche Beurteilung des Streits vorliegt. Wer den erstinstanzlichen Entscheid mit Berufung anficht, hat deshalb anhand der erstinstanzlich festgestellten Tatsachen oder der daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse aufzuzeigen, inwiefern sich die Überlegungen der ersten Instanz nicht aufrecht erhalten lassen. Die Berufungsinstanz ist nicht gehalten, den erstinstanzlichen Entscheid losgelöst von konkreten Anhaltspunkten in der Berufungsbegründung von sich aus in jede Richtung hin auf mögliche Mängel zu untersuchen, die eine Gutheissung des Rechtsmittels ermöglichen könnten (Urteil 4A_397/2016 vom 30. November 2016 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Abgesehen von offensichtlichen Mängeln beschränkt sie sich vielmehr darauf, die Beanstandungen zu beurteilen, welche die Parteien in ihren schriftlichen Begründungen (Art. 311 Abs. 1 und Art. 312 Abs. 1 ZPO) gegen das erstinstanzliche Urteil erheben (BGE 142 III 413 E. 2.2.4 S. 417 mit weiteren Hinweisen, bestätigt etwa in den Urteilen 5A_164/2019 vom 20. Mai 2020 E. 5.2.3, nicht publ. in: BGE 146 III 203, und 5A_717/2019 vom 20. April 2020 E. 2.2). Inhaltlich ist die Rechtsmittelinstanz dabei weder an die Argumente, welche die Parteien zur Begründung ihrer Beanstandungen vorbringen, noch an die Erwägungen der ersten Instanz gebunden; sie wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO) und verfügt über freie Kognition in Tatfragen, weshalb sie die Berufung auch mit einer anderen Argumentation gutheissen oder diese auch mit einer von der Argumentation der ersten Instanz abweichenden Begründung abweisen kann. Die vorgebrachten Beanstandungen geben zwar das Prüfprogramm vor, binden die Rechtsmittelinstanz aber nicht an die Argumente, mit denen diese begründet werden (zit. Urteil 4A_397/2016 E. 3.1). Die beschriebenen Anforderungen an die Begründung des Rechtsmittels gelten auch für die Beschwerde nach Art. 319 ff. ZPO (Urteil 5A_247/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 3), das in Rechtsöffnungssachen gegebene kantonale Rechtsmittel (Art. 309 lit. b Ziff. 3 i.V.m. Art. 319 lit. a ZPO). Dasselbe gilt mit Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsmittelinstanz das Recht von Amtes wegen anwendet. Denn mit Bezug auf den Beschwerdegrund der unrichtigen Rechtsanwendung ist die Prüfungsbefugnis der Rechtsmittelinstanz im Beschwerde- und im Berufungsverfahren dieselbe (Art. 320 lit. a und Art. 310 lit. a ZPO).
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Wie die - für das Bundesgericht verbindlichen (nicht publ. E. 2) - Feststellungen über die Parteivorbringen im vorinstanzlichen Verfahren zeigen, bemängelte die Beschwerdegegnerin die Art und Weise, wie das Regionalgericht aus verschiedenen Schriftstücken einen Rechtsöffnungstitel zusammengesetzt hatte. Das Obergericht äussert sich dazu wie folgt: Was den Schuldbrief Nr. n angeht, erachtet es die erstinstanzliche Argumentation, wonach es sich bei der Monatsangabe "Februar" um einen Verschrieb handle, als nachvollziehbar, zumal sämtliche übrigen Angaben mit jenen im Schuldbrief Nr. n übereinstimmen würden und auf der Liegenschaft Z. Gbbl.-Nr. j kein anderes ähnlich lautendes Pfandrecht eingetragen sei. Hinzu komme, dass sich der damalige Rechtsvertreter im besagten Schreiben explizit auf den Darlehensvertrag vom 19. August 2013 beziehe und seine Angaben keine Zweifel offen liessen, dass es sich dabei um den hier interessierenden Schuldbrief handelt.
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Ob die Schuldanerkennung vollständig, insbesondere einschliesslich der erwähnten Zusatzvereinbarung betreffend die Strafzahlung, eingereicht wurde und ob es sich bei der E-Mail vom 24. Februar 2014 tatsächlich um das in der Schuldanerkennung erwähnte Schreiben vom 22. März 2014 handelt, lässt das Obergericht ausdrücklich offen. Stattdessen beschäftigt es sich mit dem Inhalt der Schuldanerkennung vom 4. August 2016 und der E-Mail vom 24. Februar 2014 und findet, diese Urkunden würden nicht belegen, dass der Schuldner (auch) bezüglich der Strafzahlung eine persönliche Schuldpflicht für die Schuldbriefforderung anerkannte (s. nicht publ. E. 3.1). Dass die Beschwerdegegnerin den erstinstanzlichen Entscheid unter diesem Gesichtspunkt beanstandet und im kantonalen Beschwerdeverfahren geltend gemacht hätte, die besagten Urkunden würden auch von ihrem Inhalt her (zusammen mit dem Schuldbrief Nr. n) nicht als Rechtsöffnungstitel für die Strafzahlung taugen, ist dem angefochtenen Entscheid indes nicht zu entnehmen. Zu Recht kreidet die Beschwerdeführerin dem Obergericht an, den erstinstanzlichen Entscheid in dieser Hinsicht zu überprüfen, ohne dass die Beschwerdegegnerin entsprechende Beanstandungen erhoben hätte. Daran ändert auch die Beschwerdeantwort nichts, in der sich die Beschwerdegegnerin darauf beruft, in Randziffer 33 ihrer Beschwerde an das Obergericht "explizit verneint" zu haben, dass der Schuldbrief Nr. n einen Rechtsöffnungstitel für die Pönale (und für den Verzugszins) darstellen soll. Wie den kantonalen Akten ohne Weiteres zu entnehmen ist (Art. 105 Abs. 2 BGG), erwähnt die Beschwerdegegnerin das Thema der Strafzahlung weder an der fraglichen Stelle noch in Randziffer 34 ihrer kantonalen Beschwerdeschrift, die sie obendrein ins Feld führt. Zu kurz greift auch ihr Hinweis darauf, dass es sich bei der Frage nach dem Vorliegen eines gültigen provisorischen Rechtsöffnungstitels um eine Rechtsfrage handele, die vom angerufenen Gericht nach dem Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen "stets beantwortet werden kann und muss". Die Beschwerdegegnerin übersieht, dass die kantonale Rechtsmittelinstanz das Recht nur innerhalb des Rahmens von Amtes wegen anwendet, der durch die mit dem Rechtsmittel erhobenen Beanstandungen vorgegeben ist (E. 4.2.1). Schliesslich kann auch nicht gesagt werden, dass der fragliche Mangel des Rechtsöffnungstitels geradezu offensichtlich wäre. Ob die drei Urkunden - der Schuldbrief Nr. n, die Schuldanerkennung vom 4. August 2016 und die E-Mail vom 24. Februar 2014 - hinreichend dokumentieren, dass der Schuldbrief auch für die Strafzahlung sicherungsübereignet wurde bzw. für die Schuldbriefforderungen auch im Umfang der Strafzahlung eine Schuldanerkennung (Art. 82 Abs. 1 SchKG) vorliegt, ist vielmehr eine (komplexe) Frage der Ermittlung des Parteiwillens bzw. der Auslegung, für deren abschliessende Beantwortung im summarischen Verfahren der provisorischen Rechtsöffnung grundsätzlich kein Platz ist (Urteil 5A_136/2020 vom 2. April 2020 E. 3.4.1 mit Hinweis).
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4.2.3 Im Hinblick auf die Streitfrage, ob der Rechtsvorschlag auch im Umfang der Strafzahlung von Fr. 250'000.- zu beseitigen ist, hätte das Obergericht - den Beanstandungen der Beschwerdegegnerin im kantonalen Rechtsmittelverfahren folgend - also prüfen müssen, ob die Schuldanerkennung vollständig eingereicht wurde und ob es sich bei der E-Mail vom 24. Februar 2014 um das in der Schuldanerkennung genannte Schreiben vom 22. März 2014 handelt. Nachdem das Obergericht diese Fragen in Verletzung von Bundesrecht ausdrücklich offenlässt, ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, als erste und einzige Rechtsmittelinstanz zu prüfen, welche Bewandtnis es damit hat. Die Sache ist deshalb zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Damit erübrigen sich Erörterungen zu den weiteren, im hiesigen Verfahren erhobenen Rügen der Beschwerdeführerin. Dasselbe gilt für den Eventualstandpunkt der Beschwerdegegnerin, wonach die Strafzahlung übermässig hoch und deshalb nach Massgabe von Art. 163 Abs. 3 OR auf maximal Fr. 20'000.- herabzusetzen sei.
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