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37. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Masse en faillite ancillaire de A. SA gegen Nachlassmasse der B.-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen) |
5A_731/2019 / 5A_732/2019 vom 30. März 2021 | |
Regeste |
Art. 166 Abs. 1 IPRG; Art. 250 SchKG; Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes; Kollokationsklage der schweizerischen Hilfskonkursmasse. |
Zur Kollokationsklage berechtigt sind nur Gläubiger, die eine Forderung im Kollokationsverfahren gegen den Gemeinschuldner angemeldet haben. Das gilt auch für eine schweizerische Hilfskonkursmasse als Kollokationsklägerin. Ob ein Kollokationskläger formelle Gläubigerstellung hat, richtet sich nach der Kollokationsverfügung (Art. 17 SchKG), welche für das Gericht verbindlich ist (E. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
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A.a Am 7. November 2001 eröffnete das Handelsgericht Brüssel über die A. SA, mit Sitz in Brüssel, den Konkurs ("A. SA in Konkurs"). Das belgische Konkursdekret wurde mit Urteil des Tribunal de première instance des Kantons Genf vom 3. Dezember 2002 in der Schweiz nach Art. 166 ff. IPRG (SR 291) anerkannt und ein (zunächst auf die Schweizer Niederlassung beschränkter) Hilfskonkurs eröffnet; am 2. November 2004 wurde über das gesamte in der Schweiz gelegene Vermögen der A. SA der Hilfskonkurs eröffnet, welcher vom Konkursamt Genf durchgeführt wird ("Hilfskonkursmasse A.").
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A.b Am 5. Oktober 2001 bewilligte der Nachlassrichter am Bezirksgericht Bülach der B.-Aktiengesellschaft die provisorische und am 4. Dezember 2001 die definitive Nachlassstundung. Im Rahmen des am 22. Mai 2003 genehmigten Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung trat die Nachlassschuldnerin ihr Vermögen an ihre Gläubiger ab und wurde der Liquidator zur Erhaltung und Verwertung der Masse bezeichnet ("Nachlassmasse B."). ![]() | 3 |
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A.d Mit Kollokationsverfügung (Nr. x) vom 10. Mai 2016 wies der Liquidator sämtliche Forderungen ab, nachdem langjährige Vergleichsgespräche ohne Erfolg geblieben waren. Der Liquidator begründete die Abweisung mit der fehlenden Legitimation der ausländischen A.-Konkursmasse, Forderungen im Nachlassverfahren der B. anzumelden sowie aus materiellen Gründen.
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A.e Am 31. Mai 2016 erhob die Hilfskonkursmasse A. beim Bezirksgericht Bülach Kollokationsklage nach Art. 250 Abs. 1 SchKG und verlangte, es sei die Forderung der "Klägerin bzw. A. SA" gemäss Eingaben vom 29. Januar 2002, 22. Februar 2006 und 19. Dezember 2014 im Umfang von über Fr. 113 Mio. im Kollokationsplan der B. in der Dritten Klasse zuzulassen.
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B.
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B.a Mit Verfügung vom 22. Dezember 2016 beschränkte das Bezirksgericht das Verfahren auf die Fragen, ob die Klägerin (Hilfskonkursmasse A.) zur Prozessführung befugt sei und ob die A. SA in Konkurs zur Anmeldung der strittigen Forderungen im Nachlassverfahren der Beklagten (Nachlassmasse B.) berechtigt gewesen sei. Mit Urteil vom 26. April 2018 wies das Bezirksgericht die Kollokationsklage ab.
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B.b Gegen das erstinstanzliche Urteil gelangte die Hilfskonkursmasse A. mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Beschluss und Urteil vom 5. Juli 2019 hiess das Obergericht die Berufung teilweise gut. Das erstinstanzliche Urteil vom 26. April 2018 wurde im Umfang von über Fr. 34'758'341.- aufgehoben und die Sache zur Weiterführung des Verfahrens an das Bezirksgericht zurückgewiesen (Beschluss). Im Übrigen, d.h. im Umfang von Fr. 78'601'099.90 wurde die Berufung abgewiesen und die erstinstanzliche Klageabweisung bestätigt (Urteil).
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C.
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C.a Mit Eingabe vom 19. September 2019 hat die Hilfskonkursmasse A. (nachfolgend: Klägerin im Kollokationsprozess) Beschwerde in Zivilsache erhoben (5A_731/2019). Die Klägerin verlangt, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Streitsache sei zur Durchführung eines vollständigen erstinstanzlichen Verfahrens ![]() ![]() | 11 |
(...)
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C.b Mit Eingabe vom 16. September 2019 hat auch die Nachlass-masse der B.-Aktiengesellschaft in Nachlassliquidation (nachfolgend: Beklagte im Kollokationsprozess) Beschwerde erhoben (5A_732/ 2019). Die Beklagte verlangt, es sei der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und es sei auf die Klage vom 31. Mai 2016 nicht einzutreten. Eventualiter sei die Klage abzuweisen oder (subeventualiter) die Sache an die Vorinstanz(en) zurückzuweisen.
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(...)
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Beklagten gut und weist diejenige der Klägerin ab.
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( Auszug )
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Aus den Erwägungen: | |
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2.2 Anders verhalte es sich bezüglich der Forderungsanmeldungen nach Eröffnung des Hilfskonkurses. Eine Rechtsnachfolge hinsichtlich dieser Forderungen durch die schweizerische Hilfskonkursmasse (Klägerin) sei ausgeschlossen. Diese Forderungen müssten von ![]() ![]() | 19 |
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3.2.1 In Bezug auf einen ausländischen Konkurs geht die Schweiz vom Territorialitätsprinzip aus. Mit der Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes gemäss Art. 166 IPRG wird (anders als bei einer Anerkennung gemäss Art. 25 ff. IPRG) nicht die Wirkung des ausländischen Konkurses auf das schweizerische Terrritorium erstreckt und auf diese Weise in die schweizerische Rechtsordnung integriert. Es wird lediglich die Voraussetzung für eine Form von Rechtshilfe zugunsten eines im Ausland geführten Verfahrens geschaffen ( BGE 137 III 631 E. 2.3.1; BGE 135 III 40 E. 2.5.1; BGE 134 III 366 E. 9.2.4; VOLKEN/RODRIGUEZ, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, Bd. II, 3. Aufl. 2018, N. 69 zu Art. 166 IPRG; BRACONI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 1 zu Art. 170 IPRG; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 3. Aufl. 2016, § 13 Rz. 39 f., 80; vgl. Botschaft vom ![]() ![]() | 24 |
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3.2.4 Nicht zur Rede steht schliesslich, dass die Revision des 11. Kapitels des IPRG (in Kraft seit 1. Januar 2019, AS 2018 3263) für ![]() ![]() | 27 |
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4.2 Die ausländische Konkursmasse der A. SA ist - wie erwähnt (E. 3.2.3) und die Vorinstanz zu Recht erwogen hat - zur ![]() ![]() | 30 |
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4.3.1 Zur Kollokationsklage berechtigt sind - allgemein - nur Gläubiger, die eine Forderung im Kollokationsverfahren gegen den Gemeinschuldner angemeldet haben. Es handelt sich um eine formelle (Klage-)Voraussetzung. Ob der Partei formelle Gläubigerstellung zukommt, hängt allein davon ab, ob deren Forderung im Kollokationsverfahren behandelt wurde (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 106 zu Art. 250 SchKG). Ausschlaggebend für diese besondere Klageberechtigung zur Kollokationsklage ist die Verfügung der Konkursverwaltung, welche für das im Kollokationsprozess erkennende Gericht verbindlich ist (BRUNNER/REUTTER/SCHÖNMANN/TALBOT, Kollokations- und Widerspruchsklagen nach SchKG, 3. Aufl. 2019, S. 19 f.; GILLIÉRON, a.a.O., N. 29, 106 zu Art. 250 SchKG). Die formelle Gläubigerstellung stellt eine Prozessvoraussetzung dar und ist als solche (gemäss Art. 60 ZPO) von Amtes wegen zu prüfen (BRUNNER/ REUTTER/SCHÖNMANN/TALBOT, a.a.O., S. 19 f.; HIERHOLZER, in: Basler ![]() ![]() | 32 |
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4.4.2 Die Konkursverwaltung ist allgemein ohne weiteres befugt, eine vom Gemeinschuldner im Konkurs des Drittschuldners eingegebene Forderung zu verwalten und über diese zu verfügen. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall: Eine ausländische ![]() ![]() | 37 |
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4.5.1 Der Umstand, dass in der Kollokationsverfügung keine von der Klägerin angemeldete Forderung behandelt wurde, ist für das Kollokationsgericht verbindlich. Ob der Liquidator (in tatsächlicher Hinsicht) "gewusst" habe, dass die A. SA in Konkurs und die Hilfskonkursmasse (Klägerin) die gleichen Rechtsvertreter (gehabt ![]() ![]() | 41 |
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4.5.3 Unbehelflich ist weiter, wenn die Klägerin unter Hinweis auf Art. 321 Abs. 1 SchKG vorbringt, der Liquidator habe die strittigen Forderungen ohnehin - auch ohne Anmeldung - in das ![]() ![]() | 43 |
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Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist schliesslich die Forderungsanmeldung der Klägerin vom 1. Juni 2016, wonach sie die Forderungen nunmehr in eigenem Namen angemeldet hat. Dass der Liquidator darüber bereits eine Verfügung getroffen habe und sich die Klagebefugnis (als Prozessvoraussetzung) allenfalls nachträglich verwirklicht habe, ist nicht festgestellt, und die Frage, ob dies berücksichtigt werden könnte, ist daher nicht zu erörtern.
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5.1 Der Liquidator hat die A. SA in Konkurs als anmeldende Gläubigerin nicht zugelassen, und zwar nicht nur für die vor, sondern auch für die nach der Anerkennung des belgischen Konkursdekretes und der Eröffnung des Hilfskonkursverfahrens von ihr im Jahre ![]() ![]() | 47 |
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5.4 Die Klägerin wirft dem Obergericht vor, die Rechtsprechung gemäss BGE 137 III 374 verkannt zu haben. Nach dem zitierten Urteil kann im Fall, dass es im inländischen Hilfskonkursverfahren keine Gläubiger gibt, in (sinngemässer) Anwendung von Art. 260 SchKG eine Abtretung auch von anderen Ansprüchen als paulianischen Anfechtungsansprüchen erfolgen ( BGE 137 III 374 E. 3; BGE 138 III 628 E. 5.2). Wenn die Klägerin daraus ableitet, die ausländische Konkursverwaltung der A. SA in Konkurs sei zur Forderungsanmeldung befugt, übergeht sie zunächst, dass im vorinstanzlichen Urteil über fehlende Gläubiger oder eine entsprechende Abtretung nichts festgestellt worden ist. Sodann führt nicht weiter, wenn sie behauptet, dass die "schweizerischen Vertreter" der ausländischen ![]() ![]() | 50 |
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