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5. Urteil des Kassationshofes vom 12. Februar 1954 i. S. Weyeneth und Flückiger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Art. 157, 18, 20 StGB. |
2. Wucher durch Diskontierung von Wechseln, die mit gefälschten Akzepten versehen sind; offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (Erw. 2). |
3. Vorsatz des Wuchers. Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört nicht dazu. Zureichende Gründe für Rechtsirrtum verneint (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Johann Flückiger liess sich in den Monaten März bis Mai 1948 von der Eos Film AG fünf Wechsel von je Fr. 20'000.--, zwei Wechsel von je Fr. 25'000.-- und einen Wechsel von Fr. 30'000.-- mit Laufzeiten von einem bis drei Monaten ausstellen und übergeben und bezahlte ihr dafür, um ihr finanziell beizustehen, Beträge aus, die in fünf Fällen um 10%, in zwei Fällen um 11, 1% und in einem Falle (bei einer Laufzeit von einem Monat und einer Wechselsumme von Fr. 25'000.--) um 20% unter der Wechselsumme blieben. Für jenen Wechsel, den er gegen 20% Einschlag erhielt, nahm er bei Verfall einen Erneuerungswechsel mit einer Laufzeit von einem Monat an, wobei die Wechselsumme von Fr. 25'000.-- auf Fr. 27'000.-- erhöht wurde. Als der Erneuerungswechsel verfiel, liess er ![]() | 2 |
Am 29. September 1948 wurde über die Eos Film AG der Konkurs eröffnet.
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B.- Am 23. September 1953 verurteilte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Weyeneth und Flückiger wegen wiederholten Wuchers zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von je einem Monat, unter Auferlegung von zwei Jahren Probezeit, Weyeneth ausserdem zu einer Busse von Fr. 1000.-- und Flückiger zu einer solchen von Fr. 600.--.
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C.- Die Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung an das Appellationsgericht zurückzuweisen.
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Sie machen geltend, es sei fraglich, ob eine juristische Person, wie hier die Eos Film AG, Opfer des Wuchers nach Art. 157 StGB sein könne; jedenfalls seien die gesetzlichen Merkmale der Notlage, Abhängigkeit, Geistesschwäche, Unerfahrenheit, Charakterschwäche nicht gleich zu werten wie bei der natürlichen Person, und namentlich sei eine Notlage nicht ohne weiteres anzunehmen, da die Art. 725, 817 und 903 OR den Eintritt einer solchen verhindern sollten. Zudem seien die gefälschten Wechsel in Wirklichkeit wertlos gewesen, weshalb ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht zu Ungunsten der Eos Film AG bestanden habe. Den Beschwerdeführern habe auch der Vorsatz gefehlt.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Diese Bestimmung schützt das Vermögen (vgl. die Überschrift zum zweiten Titel und den Randtitel zu Art. 148 ff.) und kommt daher auch einer juristischen Person als Träger von Vermögensrechten zugute, gleichgültig ob sie selber oder ob vielmehr das für sie handelnde Organ sich in einer vom Täter ausgebeuteten Notlage, Abhängigkeit usw. befunden hat. Nach dem Wortlaut ist nicht nötig, dass die Person, deren Lage oder Eigenschaften der Täter ausbeutet, mit dem Geschädigten identisch sei; es genügt, dass die Ausbeutung überhaupt zum Mittel gemacht werde, um einen auf Austausch von Vermögensleistungen gerichteten Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, zustande zu bringen. Selbst der französische Text, der im Gegensatz zum deutschen und italienischen verlangt, dass der Täter sich (oder einem andern) den Vermögensvorteil ![]() | 9 |
So verhält es sich hier freilich nicht. Den Beschwerdeführern wird nicht vorgeworfen, sie hätten, um die Eos Film AG zu bewuchern, die Notlage der Geschäftsführerin Gertrud Bachthaler ausgebeutet, sondern die Gesellschaft selber soll sich in der ausgebeuteten Notlage befunden haben. Die Person, deren Lage ausgebeutet wurde, ist hier mit der Geschädigten identisch; nur ist sie nicht eine natürliche, sondern eine juristische Person. Aber auch dieser Tatbestand wird von Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 erfasst. Diese Bestimmung spricht von einer Person schlechthin, nicht von einer natürlichen Person. Wenn und soweit auch eine juristische Person sich in einer Lage befinden oder eine Eigenschaft aufweisen kann, wie sie in der erwähnten Norm umschrieben sind, zieht die wucherische Ausbeutung dieser Lage oder Eigenschaft Strafe nach sich.
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Im vorliegenden Falle geht es nur um die Frage der "Notlage". In einer solchen kann sich auch die juristische Person befinden. Daran ändert die Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und bei Überschuldung (Art. 725, 817, 903 OR) nichts. Abgesehen davon, dass man sich fragen kann, ob nicht schon der die Anzeigepflicht auslösende Tatbestand die Voraussetzungen einer "Notlage" im Sinne des Art. 157 StGB erfüllt, kann in Fällen, in denen die Anzeigepflicht verletzt worden ist und die Lage sich dadurch verschlimmert hat, die Notlage nicht deshalb ![]() | 11 |
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Zum Vorsatz gehört ferner, dass die Beschwerdeführer wussten, in welchem Verhältnis Leistung und Gegenleistung zueinander standen. Auch dieses Wissen steht fest. Die irrige Vorstellung über die Gültigkeit der Akzepte ![]() | 14 |
Endlich war den Beschwerdeführern auch bekannt, dass die Eos Film AG die Wechselverpflichtungen nur wegen ihrer Notlage zu den vereinbarten Bedingungen einging. Sie waren sich also bewusst, dass sie durch den Abschluss der Geschäfte zu diesen Bedingungen die Notlage ausbeuteten.
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Indem sie trotz ihres Wissens die Geschäfte abschlossen, und zwar, wie nicht bestritten wird, aus freiem Willensentschlusse, hatten sie notwendigerweise auch den zum Vorsatz gehörenden Willen, die den Wuchertatbestand ausmachenden Merkmale zu verwirklichen.
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Die Vorinstanz hat den Vorsatz somit zu Recht bejaht.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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