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45. Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1954 i.S. Schneeberger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. Welche im Auslande begangenen Handlungen sind Verbrechen oder Vergehen im Sinne dieser Bestimmung? (Erw. 1-3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 19. Februar 1954 bestrafte das Amtsgericht Rotenburg (Deutschland) Schneeberger wegen Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass, begangen anfangs Februar 1954, mit zehn Tagen Gefängnis.
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Mit Verfügung vom 25. August 1954 ordnete deshalb das Statthalteramt Luzern-Land den Vollzug der am 29. Juni 1953 verhängten Gefängnisstrafe an. Zur Begründung wird ausgeführt, Schneeberger sei für die während der Probezeit begangene Tat mit Gefängnis bestraft worden. Damit seien die Voraussetzungen des Art. 41 Ziff. 3 StGB für den Widerruf des bedingten Strafvollzuges erfüllt. Von einem besonders leichten Fall im Sinne des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB könne nach der Rechtsprechung des Kassationshofes bei der neuen Tat schon wegen der dafür verhängten Gefängnisstrafe nicht die Rede sein.
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C.- Gegen diese Verfügung hat Schneeberger die Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen, mit dem Antrage, es sei vom Widerruf des bedingten Strafvollzuges abzusehen.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Ob Schneeberger am 19. Februar 1954 mit Recht des Grenzübertritts ohne gültigen Reisepass schuldig erklärt worden ist, ist im Verfahren nach Art. 41 Ziff. 3 ![]() | 6 |
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Für die neue Tat, die er in Deutschland begangen hat, ist Schneeberger vom Amtsgericht Rotenburg in Anwendung deutschen Rechts zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt worden. Nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ist der ihm zur Last gelegte Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass also ein Vergehen (§ 1 Abs. 2 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871). Nach schweizerischem Recht ist diese Tat bloss eine Übertretung (Art. 1 und 13 des BRB vom 10. April 1946 über Einreise und Anmeldung der Ausländer; Art. 23 letzter Absatz des BG vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; Art. 101 und 333 StGB).
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3. Das angefochtene Urteil beruht auf der Annahme, in diesem Falle sei unter dem Gesichtspunkte des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 i. i. StGB massgebend, dass die neue Straftat nach dem Recht des ausländischen Begehungsortes ein Verbrechen oder Vergehen bzw. dort mit Zuchthaus oder Gefängnis bedroht ist. Diese Auslegung geht fehl. Sie würde in vielen Fällen überhaupt zu keiner Lösung führen, nämlich dann, wenn das Recht des ausländischen Begehungsortes die strafbaren Handlungen nicht in Verbrechen oder ![]() | 9 |
Sinngemäss können unter den "Verbrechen oder Vergehen" des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB nur solche strafbare Handlungen verstanden werden, die nach schweizerischem Strafrecht Verbrechen oder Vergehen sind (THORMANN-OVERBECK, Kommentar, Art. 41 N. 16). Nur bei dieser Auslegung hängt, wie es der kriminalpolitischen Bedeutung dieser Vorschrift entspricht, der Widerruf des bedingten Strafvollzuges wegen vorsätzlicher Begehung eines Verbrechens oder Vergehens nicht davon ab, ob die neue Tat im In- oder Auslande begangen wurde.
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5. Man kann sich fragen, ob nicht schon Art. 6 StGB verbieten würde, wegen der neuen Verurteilung den bedingten Strafvollzug ohne weiteres zu widerrufen. Widerhandlungen gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften gehören nicht zu den Auslieferungsdelikten. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 ![]() | 12 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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