BGE 80 IV 243 | |||
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50. Urteil des Kassationshofes vom 20. Dezember 1954 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Eheleute B. | |
Regeste |
Art. 159 StGB. |
b) Der Geschäftsführer ist nur strafbar, wenn das schädigende Tun oder Unterlassen pflichtwidrig ist. Pflicht des Geschäftsführers einer Kollektivgesellschaft, deren Vermögen zu mehren (Erw. 2). |
c) Am Vermögen schädigt der Geschäftsführer den Geschäftsherrn auch, wenn er dessen Vermögen pfiichtwidrig nicht vermehrt (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- H. B. und sein Neffe E. B. gründeten am 1. Januar 1926 die Kollektivgesellschaft B. & Cie, die den Vertrieb von...maschinen und...apparaten und den Verkauf von dazu benötigtem Material bezweckte. E. B. verpflichtete sich, das Geschäft der Gesellschaft zu führen, seine ganze Zeit und Tätigkeit sowie seine Kenntnisse dem Geschäft zu widmen, weder für eigene Rechnung noch für Rechnung Dritter Nebengeschäfte zu betreiben und sich an solchen auch nicht direkt oder indirekt zu beteiligen. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass er in der Geschäftsführung von seiner Ehefrau A. B. unterstützt werde. Beide Gesellschafter hatten Einzelunterschrift. Frau A. B. erhielt solche als Prokuristin. Sie befasste sich mit der internen Geschäftsführung, insbesondere mit der Buchhaltung und Korrespondenz. E. B. oblag dagegen vorwiegend der Reisetätigkeit und leitete den externen Geschäftsbetrieb.
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Am 30. Dezember 1947 kündete E. B. den Gesellschaftsvertrag auf 31. Dezember 1948. Da die Gesellschafter sich über den Abschluss eines neuen Vertrages nicht einigen konnten, erklärte H. B. am 29. November 1948 unter Berufung auf den Gesellschaftsvertrag, dass er Aktiven und Passiven des Geschäftes übernehme. Die Eheleute B. behielten die Geschäftsführung bis 31. Dezember 1948 bei. Am 18. Dezember 1948 gründete E. B. eine Aktiengesellschaft, deren Geschäftszweck dem der B. & Cie vollständig entsprach.
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B.- Die Eheleute B. wurden in der Folge beschuldigt, zum Nachteil des H. B. verschiedene strafbare Handlungen begangen zu haben. Der Untersuchungsrichter des Kantons Basel-Stadt warfihnen im Schlussbericht vom 31. März 1954 unter anderem vor, sie seien sich spätestens im Sommer 1948 im klaren gewesen, dass sie auf Jahresende aus der B. & Cie ausscheiden und ein eigenes Geschäft gründen würden. Damit dieses von Anfang an genug Aufträge habe, hätten sie durch die damaligen zwei Vertreter der B. & Cie die Kunden dieser Gesellschaft auffordern lassen, mit ihr abgeschlossene Kauf- und Lieferungsverträge aufzuheben und auf die künftige Gesellschaft der Eheleute B. überzuschreiben und neue Verträge nicht mehr mit B. & Cie, sondern mit obiger Gesellschaft oder mit E. B. persönlich abzuschliessen. E. B. habe allein oder gemeinsam mit dem einen Vertreter verschiedene Kunden in gleichem Sinne bearbeitet. Die aufgehobenen Verträge hätten Bestellungen von über Fr. 64'000.-- betroffen, die neu abgeschlossenen Verträge Bestellungen von über Fr. 103'000.--.
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Am 10. Mai 1954 teilte die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten gemäss § 128 StPO mit, dass sie beabsichtige, gegen sie wegen ungetreuer Geschäftsführung (Art. 159 StGB) Anklage zu erheben.
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C.- Die Eheleute B. erhoben Einsprache. Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt hiess diese am 17. August 1954 dahin teilweise gut, dass sie die Verfolgung wegen der neu abgeschlossenen Verträge einstellte.
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Sie nahm an, als Geschäftsführer der B. & Cie seien die Beschuldigten zwar taugliche Subjekte zur Verübung des Vergehens des Art. 159 StGB gewesen, doch hätten sie dadurch, dass sie Lieferungsverträge nicht auf den Namen der B. & Cie abschlossen, diese Gesellschaft nicht am Vermögen geschädigt. Für die ungetreue Geschäftsführung gelte der gleiche Schadensbegriff wie für die übrigen strafbaren Handlungen gegen das Vermögen. Das durch Art. 159 StGB geschützte Vermögen sei nur dann geschädigt, wenn es infolge einer Verfügung oder Unterlassung weniger wert sei als vorher, wobei der Nachteil entweder in einer Verminderung des vorhandenen Vermögensbestandes bestehen oder entgangener Gewinn sein könne. Letzterer stelle aber nur dann einen Vermögensschaden dar, wenn ein rechtlich begründeter Anspruch auf den Vermögenszuwachs bestehe. Daran sei auch deshalb nicht zu zweifeln, weil Art. 159 StGB verlange, dass die Schädigung "am Vermögen" erfolgt sei. Gewinn, der mangels eines obligatorischen Anspruches rechtlich nicht geltend gemacht werden könne, sei nicht Bestandteil eines Vermögens. Dass Ansprüche auf Gewinn durch das Vorgehen der Beschuldigten für die B. & Cie nicht entstanden seien, bedeute für sie ein Nachteil. Das sei aber ausschliesslich Vertragsschaden, den E. B. durch Verletzung des Gesellschaftsvertrages und Frau A. B. durch Verletzung des Dienstvertrages herbeigeführt hätten. Rechtlich verhalte es sich gleich, wie wenn sie z.B. aus Trägheit untätig geblieben und dadurch die B. & Cie um den Abschluss gewinnbringender Geschäfte gebracht hätten. Sähe man in diesem Falle ungetreue Geschäftsführung, so würde das zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten unsinnigen Ausdehnung der strafrechtlich erfassbaren Vertragsverletzungen führen; denn es sei kaum eine Pflichtwidrigkeit eines Geschäftsführers denkbar, die für den Berechtigten nicht irgendwie nachteilig wäre.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss der Überweisungsbehörde sei insoweit aufzuheben, als er das Verfahren hinsichtlich der Verfolgung der Neuabschlüsse einstelle, und die Akten seien zur Beurteilung der Anklage wegen fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.
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E.- Die Eheleute B. beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen und der angefochtene Beschluss zu bestätigen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Ungetreue Geschäftsführung begeht, "wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll" (Art. 159 Abs. 1 StGB). Die Tat setzt somit unter anderem voraus, dass der Täter für fremdes Vermögen "sorgen soll". Gemeint ist, dass er fremde Geschäfte zu besorgen, d.h. zu führen habe. Das ergibt sich nicht nur aus dem Randtitel, der das in Art. 159 StGB umschriebene Vergehen als "ungetreue Geschäftsführung" und im französischen Text als "gestion déloyale" bezeichnet. Auch das schweizerische Obligationenrecht setzt die Begriffe der Geschäftsführung, der Geschäftsbesorgung und der "gestion" bzw. des Geschäftsführers und des "gérant" einander gleich (s. Art. 419 ff. OR) und gibt "Geschäfte besorgen" mit "gérer" wieder (Art. 394, 419 OR). Dem französischen Worte "veiller" (sur les intérêts pécuniaires d'autrui) in Art. 159 StGB darf kein weiterer Sinn entnommen werden als dem Worte "gérer".
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Ob Geschäftsführung nur inne hat, wer für einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen, oder auch, wer für fremdes Vermögen lediglich tatsächlich zu sorgen, z.B. es zu verwahren, zu unterhalten, zu bewachen, zu transportieren hat, kann dahingestellt bleiben. Denn E. B. als geschäftsführender Gesellschafter und seine ihm in dieser Stellung als Prokuristin beigeordnete Ehefrau haben für das Vermögen der B. & Cie durch Abschluss von Rechtsgeschäften zu sorgen gehabt, wird ihnen doch gerade vorgeworfen, sie hätten sich der ungetreuen Geschäftsführung dadurch schuldig gemacht, dass sie bestimmte Verträge pflichtwidrig nicht für B. & Cie abschlossen. Die zur Anwendung des Art. 159 StGB gehörende Stellung zum Vermögen der Gesellschaft kam ihnen zu.
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Der Auffassung der Beschwerdegegner, ihr Verhalten sei nicht pflichtwidrig gewesen, weil dem Geschäftsführer nur die Erhaltung vorhandenen Vermögens, nicht auch dessen Mehrung obliege, ist indessen nicht beizupflichten. Welche Pflichten ein Geschäftsführer hat, hängt von der Vereinbarung der Parteien und vom Gesetze ab. Darnach kann ein Geschäftsführer durchaus gehalten sein, das seiner Sorge unterstellte Vermögen zu mehren. Das trifft z.B. zu für den Vormund, der es zinstragend anzulegen hat (vgl. Art. 401 ZGB), aber auch für den Geschäftsführer eines Handelsgeschäftes, in dem Vermögen nicht lediglich zu seiner Erhaltung, sondern zu Erwerbszwecken angelegt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im vorliegenden Falle. Der Gesellschaftsvertrag nannte als Zweck der Gesellschaft den Vertrieb von...maschinen,...apparaten usw., sah die Verzinsung der Kapitaleinlagen, die Auszahlung von Gehältern und Abschreibungen auf dem Geschäftsvermögen vor und regelte die Verteilung des nach Bestreitung sämtlicher Geschäftsunkosten verbleibenden Reingewinnes. Es liegt daher auf der Hand, dass die Gesellschaft die Mehrung ihres Vermögens bezweckte und dass die Geschäftsführung der Beschwerdegegner darauf ausgerichtet sein musste, dass insbesondere gewinnnbringende Verträge betreffend Lieferung der von der Gesellschaft vertriebenen Erzeugnisse abzuschliessen waren. Weisungen an die Vertreter der B. & Cie, solche Verträge im Namen der Konkurrenzunternehmung, nämlich der neuen Aktiengesellschaft oder des E. B. persönlich abzuschliessen, und dahingehende Bearbeitung der Kunden war umsomehr pflichtwidrig, als der Gesellschaftsvertrag zulasten des E. B. ein Konkurrenzverbot enthielt und auch Frau A. B. als Dienstpflichtige und Prokuristin gegenüber der B. & Cie zu Treue verpflichtet war und weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen durfte (Art. 464 OR).
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3. Aus der Wendung des Art. 159 StGB, dass der Täter jemanden "am Vermögen" geschädigt haben müsse, schliesst die Überweisungsbehörde zu Unrecht, die Bestimmung sei nur anzuwenden, wenn das vorhandene Vermögen vermindert, nicht auch, wenn es pflichtwidrig nicht vermehrt worden ist. Wer durch Untreue seines Geschäftsführers um einen Vermögenszuwachs kommt, den dieser herbeizuführen verpflichtet war, ist auch "am Vermögen geschädigt". Das erhellt namentlich aus dem französischen Text, der von "intérêts pécuniaires", also allgemein von Vermögensinteressen spricht, die der Täter verletze. Ein Vermögensinteresse hat der Geschäftsherr auch am Abschluss gewinnbringender Verträge. Obschon die Ansprüche aus solchen vor dem Abschluss nicht bestehen, also noch nicht Bestandteil seines Vermögens bilden, sollen sie es doch werden. Es besteht kein sachlicher Grund, in der pflichtwidrigen Verhinderung dieses Erwerbes durch den Geschäftsführer nicht ebenso eine ungetreue Geschäftsführung zu sehen wie in der pflichtwidrigen Veräusserung oder Beeinträchtigung der dem Geschäftsherrn bereits zustehenden Vermögenswerte. Die Überlegung der Vorinstanz, es würde zu einer "unsinnigen Ausdehnung der strafrechtlich erfassbaren Vertragsverletzungen" führen, wenn Art. 159 StGB auf die ungetreue Verhinderung eines Vermögenserwerbes angewendet würde, schlägt nicht durch. Entscheidend ist nicht, ob solche Untreue von Geschäftsführern mehr oder weniger häufig vorkommt, sondern ob der Gesetzgeber Grund gehabt hat, sie als ebenso verwerflich anzusehen wie die Untreue durch pflichtwidrige Schädigung an bereits erworbenem Vermögen. Daran aber ist nicht zu zweifeln. Die Untreue wiegt in beiden Fällen annähernd gleich schwer. Die unterschiedliche Behandlung wäre daher stossend.
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Von einer Schädigung an noch nicht erworbenem Vermögen kann jedoch nur die Rede sein, wenn durch pflichtgemässes Verhalten des Geschäftsführers der Erwerb eingetreten wäre. Das setzt im vorliegenden Falle voraus, dass die Kunden die mit der Aktiengesellschaft E. B. persönlich abgeschlossenen Verträge ohne das pflichtwidrige Verhalten der Beschwerdegegner mit der B. & Cie eingegangen wären. Die Beschwerdegegner bestreiten das, indem sie behaupten, die Kunden hätten nur mit Rücksicht auf die Person des E. B. bestellt. Auf diese Behauptung ist nicht einzutreten. Die Überweisungsbehörde führt im angefochtenen Beschlusse aus, es bedeute für die B. & Cie zweifellos ein Nachteil, dass Ansprüche auf Gewinn für sie durch das Vorgehen der Beschwerdegegner nicht entstanden seien. Darin liegt zugleich die Feststellung, dass ohne deren Machenschaften die Kunden bei der B. & Cie bestellt hätten. Der Kassationshof ist an diese tatsächliche Feststellung gebunden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die B. & Cie durch die in Frage stehenden Pflichtverletzungen der Beschwerdegegner geschädigt worden ist.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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