BGE 81 IV 25 | |||
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4. Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1955 i.S. Oklé gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | |
Regeste |
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. |
b) Sie setzt die Absicht unrechtmässiger Bereicherung voraus (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Maria Tschupp war mit dem in der Heil- und Pflegeanstalt Waldhaus untergebrachten bevormundeten Paul Caviezel verlobt. Um ihn heiraten zu können, beauftragte sie im Oktober 1950 seinen Vormund Josef Oklé, der in Chur den Beruf eines Rechtsanwaltes ausübt, sich um die Entlassung Caviezels aus der Vormundschaft und aus der Anstalt zu bemühen. Sie versprach Oklé, ihn für die Ausführung des Auftrages angemessen zu honorieren und ihm seine Auslagen zu ersetzen, und leistete ihm bis im Juli 1951 für die Bemühungen, die er bis dahin gehabt hatte, insgesamt Fr. 800.--. Im August 1951 erklärte ihr Oklé, um die Entlassung aus der Vormundschaft zu befördern, sollten die von der Gemeinde Tomils vorgeschossenen Anstaltskosten und die Gerichtskosten eines gegen Caviezel durchgeführten Strafverfahrens wenigstens teilweise bezahlt werden. Maria Tschupp überwies daher dem Oklé am 6. August 1951 Fr. 2000.-- und am 29. September 1951 Fr. 1000.-- mit der Weisung, ersteren Betrag zur Bezahlung der Anstaltskosten und letzteren zur teilweisen Bezahlung der Gerichtskosten zu verwenden. Oklé leistete an die Anstaltskosten Fr. 1900.-- und an die Gerichtskosten Fr. 70.-. Am 1. Juli 1952 stellte er Maria Tschupp Rechnung, wobei er die behaltenen Beträge mit seinen Honoraransprüchen verrechnete und einen Saldo zu seinen Gunsten von Fr. 66.40 geltend machte.
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B.- Am 29. Juli 1954 erklärte das Kantonsgericht Graubünden Oklé gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Veruntreuung schuldig, weil er von dem zur Deckung von Gerichtskosten empfangenen Gelde Fr. 930.-- für sich behalten habe, und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten.
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C.- Oklé führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verzichtet auf Gegenbemerkungen.
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Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Gemäss Art. 125 Ziff. 1 OR können "Verpflichtungen zur Rückgabe oder zum Ersatze hinterlegter, widerrechtlich entzogener oder böswillig vorenthaltener Sachen" nicht wider Willen des Gläubigers durch Verrechnung getilgt werden. Ob diese Bestimmung dem Beschwerdeführer verbot, die in bewusster Verletzung des erhaltenen Auftrages behaltenen Fr. 930.-- mit seinem Honoraranspruch zu verrechnen, kann dahingestellt bleiben. Denn eine unzulässige Verrechnungserklärung erfüllt den Tatbestand der Veruntreuung im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB selbst dann nicht, wenn der Täter sich der Unzulässigkeit einseitiger Verrechnung bewusst ist. Diese Unzulässigkeit macht die Erklärung rechtlich unwirksam. Wer eine solche abgibt, begeht aber nicht einmal einen untauglichen Versuch der Veruntreuung. Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB besteht das vollendete Vergehen darin, dass jemand "anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet"; folglich kann ein Versuch erst mit dem entscheidenden Schritt zur (unrechtmässigen) Verwendung des Gutes beginnen. Die Abgabe einer Verrechnungserklärung enthält diesen Schritt noch nicht; er kann erst darin liegen, dass der Täter das Geld zu verbrauchen beginnt. Dass der Beschwerdeführer das getan habe, wirft ihm jedoch das Kantonsgericht nicht vor. Es erklärt lediglich, dass er das Geld in die eigene Tasche habe fliessen lassen, sich daraus in unzulässiger Weise selbst bezahlt gemacht habe. Das heisst nur, dass er sich fortan der Verpflichtung, es auftragsgemäss zu verwenden oder es zurückzugeben, enthoben betrachtet habe. Wer einen solchen Willen in Bezug auf eine fremde Sache bekundet, eignet sie sich im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an, auch wenn er objektiv in der Lage bleibt, sie jederzeit zurückzugeben. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 geht jedoch weniger weit; er lässt nicht schon die Aneignung genügen, sondern verlangt ausdrücklich, dass der Täter das Gut verwende. Von einer Aneignung im eigentlichen Sinne könnte denn auch keine Rede sein, wenn das Gut schon mit dem Anvertrauen in das Eigentum des Täters übergegangen ist und nur wirtschaftlich weiterhin einem andern gehört hat. Wer sich entschliesst, dieses sein Eigentum zu behalten, eignet es sich nicht an, sondern nimmt sich einfach vor, seine Verpflichtung auf Rückgabe oder Ablieferung nicht zu erfüllen. Damit allein macht er sich nicht der Veruntreuung schuldig und versucht er auch noch nicht, es zu tun. Der Beschwerdeführer muss deshalb freigesprochen werden.
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Damit soll nicht gesagt sein, dass er wegen seines dem erhaltenen Auftrage widersprechenden und gegen Treu und Glauben verstossenden Verhaltens nicht nach kantonalem Anwaltsrecht allenfalls disziplinarisch bestraft werden dürfe.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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