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20. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1955 i.S. Foschi gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 144 StGB. | |
Sachverhalt | |
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C.- Anna Foschi führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das oberinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie macht geltend, Realini habe, da der Strafantrag Strafbarkeitsbedingung sei, keine "strafbare Handlung" begangen und folglich liege Hehlerei nicht vor.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das dem Vortäter zur Last fallende Tun oder Unterlassen die objektiven Merkmale einer im Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung (infraction, reato) aufweist. Die Handlung muss abstrakt ![]() | 6 |
3. Dass aber eine vom Vortäter begangene mit Strafe bedrohte Handlung (infraction, reato) nicht vorliege, wenn der vorgeschriebene Strafantrag nicht gestellt oder zurückgezogen worden ist, und dass folglich aus begriffiichen Gründen in diesem Falle auch der Hehler nicht verfolgt und bestraft werden könne, ist eine Auffassung, ![]() | 7 |
a) Die Auffassung der Beschwerdeführerin widerspricht schon jedem natürlichen Empfinden. Das freilich weniger deshalb, weil der Strafantrag zur Strafwürdigkeit gar nichts beiträgt, als vielmehr deshalb, weil er im Gegensatz zu der sog. Strafbarkeitsbedingung (Bedingung der Strafbarkeit im abstrakten Sinne) nicht auf der Seite des Täters oder der Tat liegt, sondern in einer Willenserklärung des Verletzten besteht, also der Willkür einer an der Verfolgung oder Nichtverfolgung interessierten Person anheimgegeben ist. Es verstösst geradezu gegen die Logik, die Tat erst dann als abstrakt strafbar gelten zu lassen, wenn der Verletzte die Bestrafung des Täters verlangt hat, und in ihr wiederum eine nicht mit Strafe bedrohte Handlung zu sehen, wenn der Verletzte den Antrag zurückgezogen hat. Die im Strafantrag oder dessen Rückzug liegende Willenserklärung des Verletzten ist immer auf Bestrafung bezw. Nichtbestrafung eines bestimmten Täters gerichtet. Von ihr hängt ab, ob im konkreten Falle Strafe ausgefällt werden darf. Für die abstrakte Würdigung der Tat als mit Strafe bedrohte oder nicht mit Strafe bedrohte Handlung ist sie dagegen begriffiich belanglos. Dass erst die Willenserklärung des Verletzten die Tat rechtswidrig (und damit strafbar) mache und eine solche Willenserklärung (Rückzug) ihr die Rechtswidrigkeit (und Strafbarkeit) auch wieder nehme, entsprechend dem Satze "volenti non fit iniuria", ist eine aus dem Zivilrecht hergeholte Überlegung, die für das Strafrecht abwegig ist. Der Strafantrag trägt zur abstrakten Strafbarkeit der Tat umsoweniger etwas bei, als er nur gültig ist, wenn er binnen drei Monaten gestellt wird (Art. 29), eine Voraussetzung, die nur aus prozessualen Gründen aufgestellt worden sein kann. Wie die Beschwerdeführerin aus der Befristung des Antragsrechts gerade das Gegenteil schliessen kann, ist unverständlich.
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b) Hiegegen ist nicht aufzukommen mit der Auffassung, das Strafgesetzbuch sehe im Strafantrag eine Strafbarkeitsbedingung, weil es in Art. 28 Abs. 1 bestimmt: "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar, so kann jeder, der durch sie verletzt worden ist, die Bestrafung des Täters beantragen." Nichts spricht dafür, dass diese Bestimmung unter "strafbar" das gleiche verstehe wie Art. 144 Abs. 1, nämlich "mit Strafe bedroht", d.h. abstrakt strafbar. "Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar" kann durchaus dahin verstanden werden: "Ist wegen einer Tat nur auf Antrag Strafe auszufällen". So verstanden, ist "strafbar" eine vereinfachte Wendung für "der Ausfällung eines Strafurteils zugänglich", hat also rein prozessuale Bedeutung, keineswegs dagegen den Sinn, dass erst der Antrag die Tat zu einer vom Gesetz verpönten, zu einer mit Strafe bedrohten mache, sodass z.B. der Vorwurf an den diebischen Familiengenossen (Art. 137 Ziff. 3 StGB), er habe eine strafbare Handlung (infraction, reato) begangen, solange unwahr wäre, als ein Strafantrag nicht gestellt worden ist, dagegen wahr würde, sobald ein solcher vorliegt, oder dass erst der Strafantrag die Verfolgungsverjährung in Gang setzen könnte, weil ja vorher eine "strafbare Tätigkeit", ein "strafbares Verhalten" (siehe Art. 71 StGB) noch gar nicht vorliegen würde.
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Die romanischen Texte zeigen denn auch deutlich, dass Art. 28 Abs. 1 im Strafantrag nicht eine abstrakte Strafbarkeitsbedingung sieht. "Tat" ist hier mit "infraction" bezw. "reato" wiedergegeben, was gleichbedeutend ist mit einer Handlung, die das Gesetz an sich als strafbar ![]() | 11 |
c) Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich schlechterdings nichts anderes ableiten. Gewiss vertrat der Verfasser des ersten Vorentwurfes die Auffassung, es gebe keine "strafbaren Handlungen in abstracto", wenn also mangels Strafantrages die Verfolgung des Täters ausgeschlossen sei, liege auch keine strafbare Handlung vor (CARL STOOSS, Lehrbuch des österreichischen Strafrechts, Wien 1910 146), und begann deshalb Art. 2 der Vorentwürfe von 1893 und 1894 mit den Worten: "Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch einen Antrag bedingt ..." bezw. "ist eine Handlung auf Antrag strafbar ...". Ferner ist richtig, dass auch die Expertenkommissionen dem Strafantrag die Bedeutung einer Bedingung der Strafbarkeit der Handlung beilegten (Verhandl. 1. ExpK 1 20 f.; Protokoll 2. ExpK 1 174). Der Vorentwurf 1916 (Art. 29) und der Entwurf des Bundesrates von 1918 (Art. 27) wichen aber durch die Worte "ist eine Tat nur auf Antrag zu verfolgen..." unmissverständlich von der früheren Auffassung ab. Daran ändert auch die Äusserung des Berichterstatters im Nationalrat, Prof. Logoz, nichts. -Dieser erklärte, das Strafgesetzbuch müsse die allgemeinen Bedingungen der Ausübung des Antragsrechtes umschreiben, wenigstens wenn es den Strafantrag als eine "condition ![]() ![]() | 12 |
d) Davon kann, wie schon in BGE 69 IV 72 ausgeführt worden ist, auch deshalb keine Rede sein, weil der besondere Teil des Strafgesetzbuches verschiedene Bestimmungen enthält, die im Strafantrag deutlich eine Voraussetzung der Verfolgung des Täters sehen (Art. 137 Ziff. 3, 140 Ziff. 3, 148 Abs. 3, 159 Abs. 3, 165 Ziff. 2, 254 Abs. 2), und weil er überall dort von "verfolgen", nicht von "bestrafen" spricht, wo durch die Wendung "von Amtes wegen" hervorgehoben wird, dass ein Strafantrag nicht erforderlich ist (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2, 125 Abs. 2, 145 Abs. 2, 183 Abs. 3). Dass daneben im besonderen Teil auch Bestimmungen zu finden sind, die im Zusammenhang mit dem Strafantrag nicht von Verfolgen, sondern von Bestrafen sprechen, ändert nichts; denn das Wort "bestrafen" musste dort verwendet werden, weil zugleich gesagt wurde, welche Strafe das Gesetz verlangt (z.B. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1); man konnte doch nicht sagen: "Wer... wird, auf Antrag, mit Gefängnis verfolgt." Gerade die Wendung "auf Antrag bestraft" erweckt übrigens die Vorstellung eines rein prozessualen Vorganges, nämlich der vom Verletzten verlangten Ausfällung eines Strafurteils. Dass die Handlung auch ohne Antrag eine mit Strafe bedrohte (infraction, reato) sei, ist damit nicht im geringsten gesagt.
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Wie wenig aus Art. 28 Abs. 1 geschlossen werden darf, erst der Strafantrag mache die Handlung zu einer "strafbaren" (mit Strafe bedrohten), zeigt auch Art. 339, wo wahllos "strafbar", "zu verfolgen" und "Verfolgung" nebeneinander stehen und "strafbar" in Ziffer 3 allgemein und ohne Unterscheidung darnach verwendet ist, ob und wieweit die kantonalen Rechte den Antrag als Prozessvoraussetzung oder als abstrakte Strafbarkeitsbedingung behandelten. Übrigens kann auch hier unter Strafbarkeit die Befugnis des Richters verstanden werden, gegenüber einem Täter für eine konkrete Tat Strafe auszufällen, womit keineswegs gesagt ist, dass diese Tat beim Fehlen ![]() | 14 |
Über die Bestimmungen des zweiten und des dritten Buches kann nicht mit der Begründung, der Entscheid der Streitfrage habe in Art. 28 getroffen werden müssen, hinweggesehen werden. Er hätte in Art. 28 nebenbei getroffen werden können. Zu sagen, diese Bestimmung wolle in erster Linie die Rechtsnatur des Strafantrages regeln, ist jedoch angesichts ihres ganzen Inhaltes, der vom ersten bis zum letzten Absatz die Frage der Legitimation zum Strafantrag (Randtitel "Antragsrecht") betrifft, offensichtlich verfehlt.
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e) Die Auffassung, der Strafantrag sei nicht Prozessvoraussetzung, sondern erst er mache die Handlung überhaupt zu einer mit Strafe bedrohten, widerspricht auch dem Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP, wo von "den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden", die Rede ist. Da diese Bestimmung erst durch Art. 168 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943, also nach Erlass des Strafgesetzbuches, wieder eingeführt worden ist (der Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 betreffend vorläufige Änderungen in der Bundesrechtspflege hatte sie aufgehoben), ginge sie dem Strafgesetzbuch für den Entscheid der streitigen Frage vor, wenn es noch irgendwelche Zweifel aufkommen liesse.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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