BGE 81 IV 134 | |||
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28. Urteil des Kassationshofes vom 6. April 1955 i. S. Rediger gegen Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Art. 25 Abs. 1 MFG und 75 MFV. |
Kausalzusammenhang (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Werner Rediger stiess am 13. Dezember 1953 nach Einbruch der Dunkelheit, gegen 18.00 Uhr, auf seinem Motorroller in Schweizerhalle beim Abbiegen aus der Strasse Augst-Birsfelden nach links in den Rothausweg mit dem von hinten kommenden Auto des Matzinger zusammen, wobei der Mitfahrer Redigers, Amstutz, schwer verletzt wurde.
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Dieses Urteil erwuchs gegenüber Matzinger in Rechtskraft. Rediger zog die Sache an das Obergericht weiter mit dem Antrag auf Freisprechung. Die Staatsanwaltschaft appellierte ebenfalls und beantragte Erhöhung der Busse Redigers auf Fr. 100.--.
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Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft bestätigte mit Urteil vom 3. Dezember 1954 den Schuldspruch der ersten Instanz und erhöhte in teilweiser Gutheissung der Appellation der Staatsanwaltschaft die Busse Redigers auf Fr. 60.-.
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C.- Nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen trug sich der Unfall unter den folgenden Umständen zu: Zur Bekundung der Absicht, nach links abzubiegen, streckte Amstutz auf Weisung Redigers ca. 100 m vor der Einmündung des Rothausweges den linken Arm aus. Rediger verlangsamte seine Geschwindigkeit auf ca. 15 Std/km. Nachdem er vorerst zwei in gleicher Richtung fahrende Autos vorbeigelassen hatte, bog er, ohne nochmals zurückzuschauen, nach links ab und überquerte die Strasse, die dort eine durch eine Sicherheitslinie unterteilte Fahrbahn von insgesamt 8,50 Breite aufweist. Matzinger, der in einem Abstand von ca. 60 m mit 70 Std/km Geschwindigkeit den beiden erwähnten Autos folgte und mit abgeblendeten Lichtern fuhr, war noch höchstens 40 m vom Motorroller Redigers entfernt, als dieser abzubiegen begann. Matzinger bemerkte den Roller erst in diesem Augenblick. Er bremste scharf ab und riss seinen Wagen nach links. Dieser kam ins Schleudern, streifte den Roller, der inzwischen in die Einmündung des Rothausweges gelangt war, hinten am Gepäckträger und überschlug sich. Der Roller wurde weggeschleudert. Während sein Führer Rediger wie auch der Autolenker Matzinger unverletzt blieben, wurde der Mitfahrer Redigers, Amstutz, auf das Trottoir geworfen und schwer verletzt.
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Auf Grund dieses Sachverhalts verneinte das Obergericht zwar, dass Rediger gegen eine Fahrvorschrift des MFG verstossen habe, da dieses den Führer, der bei einer Einmündung nach links abbiege, nicht verpflichte, vorerst nach rückwärts zu schauen. Dagegen erblickte es darin, dass Rediger ein solches Zurückschauen unterliess, eine Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB und gelangte auf diesem Wege zu der Verurteilung Redigers wegen schwerer Körperverletzung.
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D.- Gegen dieses Urteil führt Rediger Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und er von Schuld und Strafe freizusprechen. Er bestreitet, dass sein mit den Vorschriften des MFG im Einklang stehendes Verhalten eine Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 18 StGB darstelle. Ferner stellt er das Bestehen eines Kausalzusammenhanges zwischen seinem Verhalten und der Verletzung seines Mitfahrers in Abrede.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Dispositiv des angefochtenen Urteils sei zu bestätigen, jedoch in den Erwägungen zum Ausdruck zu bringen, dass die Auffassung der Vorinstanz, Rediger habe keine Bestimmung des MFG verletzt, nicht zutreffe.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Wohl ist der Fahrer, der nach links in eine öffentliche Seitenstrasse abbiegen will und diese Absicht entsprechend den Vorschriften von Art. 75 MFV ankündigt, grundsätzlich nicht verpflichtet, vor dem Abschwenken nach rückwärts zu schauen (BGE 76 IV 58,BGE 78 IV 183; nicht publ. Urteil des Kassationshofs vom 11. Dezember 1953 i.S. Benoit). Er hat sein Augenmerk vor allem nach vorne zu richten, um einem allenfalls aus der Gegenrichtung herannahenden Fahrzeug den Vortritt gewähren zu können. Mit der Möglichkeit, dass ein ihm nachfolgendes Fahrzeug ihn überholen wolle, braucht er nicht zu rechnen; denn Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Kreuzungen, und solchen sind nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, Einmündungen gleichzusetzen (BGE 79 IV 70und dort erwähnte Entscheide).
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Diese Ordnung gilt indessen nur dort, wo der abbiegende Fahrer nach den gesamten Umständen der Überzeugung sein darf, dass sein Zeichen wahrgenommen worden ist. An dieser Voraussetzung gebrach es im vorliegenden Fall. Der herrschenden Dunkelheit wegen konnte sich Rediger nicht mit Sicherheit darauf verlassen, dass der ausgestreckte Arm seines Mitfahrers Amstutz von einem nachfolgenden Fahrzeuglenker rechtzeitig bemerkt werde, und tatsächlich hat er nach seinen Aussagen vor der ersten Instanz mit der Möglichkeit gerechnet, dass das Handzeichen allenfalls nicht gesehen werden könnte. Unter diesen Umständen durfte er nicht im Vertrauen auf das Vortrittsrecht, das ihm nach Art. 26 Abs. 3 MFG gegenüber einem von hinten kommenden Fahrzeug zustand, es bei dem Handzeichen bewenden lassen und aufs Geratewohl abbiegen. Er hätte vielmehr unmittelbar vorher, allenfalls nach bereits erfolgter leichter Schrägstellung seines Fahrzeuges, einen Blick nach rückwärts werfen sollen, um sich zu vergewissern, ob von dort keine Gefahr drohe. Hätte er sich so verhalten, dann hätte er das Auto Matzingers, das nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz in diesem Zeitpunkt nur noch ca. 40 m entfernt war, sehen und auf Grund der Erkenntnis, dass jener ihm den Vortritt nicht mehr gewähren könne oder wolle, anhalten müssen. Hiezu war er nach der allgemeinen Vorschrift von Art. 25 Abs. 1 MFG gehalten, die den Fahrzeuglenker überall dort zum Anhalten verpflichtet, wo sein Fahrzeug Anlass zu einem Unfall geben könnte. Nach ständiger Rechtsprechung gilt diese Bestimmung auch für den Vortrittsberechtigten, der sieht oder bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen könnte, dass ihm durch ein selbst vorschriftswidriges Verhalten des andern die Ausübung des Vortrittsrechts verunmöglicht wird (BGE 77 IV 221,BGE 79 II 216und dort erwähnte Entscheide).
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Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kann sodann nicht zweifelhaft sein, dass zwischen seinem Verstoss gegen die erwähnte Verkehrsvorschrift und den Verletzungen des Amstutz ein Kausalzusammenhang im Rechtssinn besteht. Sein Verhalten war nach der Erfahrung des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, den tatsächlich eingetretenen Erfolg herbeizuführen (BGE 73 IV 231). Die Missachtung der nach Art. 25 Abs. 1 MFG gebotenen Vorsichtspflicht schloss unter den gegebenen Umständen die hohe Gefahr eines Zusammenstosses in sich. Dass neben dem fehlerhaften Verhalten des Beschwerdeführers auch ein solches des Autolenkers Matzinger zum Unfall beigetragen hat, ist für die Entscheidung der grundsätzlichen Frage nach der rechtserheblichen Kausalität des vom Beschwerdeführer begangenen Verstosses ohne Belang.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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