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36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1955 i.S. Marti gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
1. Art. 285, 286 StGB. Blosser Ungehorsam gegenüber einem Landjäger erfüllt diese Bestimmungen nicht (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 11. Februar 1955 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Marti wegen Führens in angetrunkenem Zustande (Art. 59 Abs. 2 MFG) zu dreissig Tagen Gefängnis und wegen unanständigen Benehmens (Art. 15 bern. EG zum StGB) und Erschwerung der Aufgabe der Polizei (§§ 44, 52 bern. Vo. über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949) zu Fr. 40.- Busse.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Auch Art. 292 StGB, der den Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen mit Strafe bedroht, trifft nicht zu, da der Landjäger sein Verbot nicht mit dem Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels begleitet hat und übrigens auch nicht feststeht, dass er das hätte tun dürfen.
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3. Art. 335 Ziff. 1 StGB behält den Kantonen die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht soweit vor, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1), ![]() | 6 |
Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes (BGE 68 IV 41, 110, BGE 70 IV 85, 132, BGE 71 IV 47) dürfen die Kantone nicht schon dann eine Handlung zur Übertretung erheben, wenn sie nicht vom eidgenössischen Recht mit Strafe bedroht ist. Die Nichtaufnahme eines Tatbestandes in das Strafgesetzbuch kann bedeuten, dass er überhaupt straflos bleibe, also auch nicht als kantonale Übertretung zu ahnden sei. Diesen Sinn hat das Schweigen des Strafgesetzbuches dann, wenn dieses Gesetz die Angriffe auf ein Rechtsgut durch ein geschlossenes System von Normen regelt. Behandelt es dagegen ein bestimmtes strafrechtliches Gebiet überhaupt nicht, oder stellt es nur einige wenige Tatbestände daraus unter Strafe, um den von Kanton zu Kanton wechselnden Ansichten über die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit einer Handlung Rechnung zu tragen, so bleibt Raum für kantonales Übertretungsstrafrecht.
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Die eidgenössische Ordnung betreffend die strafbaren Handlungen gegen die öffentliche Gewalt (Art. 285 ff. StGB) ist nicht abschliessend. Der Entwurf des Bundesrates sah ausser den "Vergehen gegen die Staatsgewalt" (Art. 255 ff. = StGB Art. 285 ff.) sieben "Übertretungen gegen die Staatsgewalt" vor (Art. 337-343). Sie waren in Bestimmungen umschrieben, die als blosse Aushilfsnormen allfälligen in anderen kantonalen oder eidgenössischen Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen über die Nichtbefolgung amtlicher Anordnungen nachgehen sollten (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf S. 74). Die Bundesversammlung erhob drei dieser Tatbestände (Art. 337, 338, 343) zu Vergehen (Art. 286, 292, 293 StGB) und strich die anderen vier zusammen mit weiteren Übertretungsnormen "in der Meinung, dass es Sache des kantonalen Polizeistrafrechts sei, hier zum Rechten zu sehen" (StenBull, Sonderausgabe, NatR 506 ff.; vgl. BGE 71 IV ![]() | 8 |
Indem das Obergericht den Beschwerdeführer wegen seines Ungehorsams gegenüber Landjäger Läderach in Anwendung der §§ 44 und 52 der bernischen Verordnung über die Strassenpolizei und Strassensignalisation vom 31. Dezember 1940/15. Juli 1949 verurteilte, verletzte es daher das eidgenössische Recht nicht.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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