BGE 81 IV 181 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
41. Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1955 i.S. Gesund heits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich gegen Perrin. | |
Regeste |
1. Art. 1 lit. a LMG, Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV. Tabak und Tabakerzeugnisse sind Lebensmittel. | |
Sachverhalt | |
A.- Der Lebensmittelinspektor der Stadt Zürich machte die SA Vautier Frères & Cie im Winter 1953/54 wiederholt darauf aufmerksam, dass sie die Worte "Rauchen Sie gesünder" in ihrer Reklame nicht verwenden dürfe. Mit Schreiben vom 31. März 1954 drohte er ihr für den Fall erneuter Widerhandlung Strafanzeige an. Trotzdem machte Odet Perrin als Leiter der erwähnten Firma am 14. Juni 1954 im "Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich" wieder wie folgt Reklame: "Rauchen Sie gesünder Marocaine Filtre, die Cigarette, die nicht zum Husten reizt." Eine Bewilligung des eidgenössischen Gesundheitsamtes, das Erzeugnis mit dem Hinweis auf günstigere gesundheitliche Wirkungen anzupreisen, hatte er nicht eingeholt. Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich verfällte ihn daher am 22. Juni 1954 wegen Übertretung der Art. 18 und 19 der Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (LMV) in eine Busse von Fr. 20.-.
| 1 |
B.- Perrin verlangte gerichtliche Beurteilung und wurde am 29. Oktober 1954 vom Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich freigesprochen. Der Einzelrichter ging davon aus, nach allgemeiner Auffassung sei das Rauchen einer Zigarette nicht gesund, sondern ungesund. Daher könne durch das Wort "gesünder" gar nicht ausgedrückt werden, die Marocaine Filtre steigere die Gesundheit, sondern nur, sie sei weniger ungesund oder weniger gesundheitsschädlich als die anderen Zigaretten. Ob das eine wahrheitswidrige Anpreisung sei, wie das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich behaupte, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls habe Perrin sie für wahr gehalten und halten dürfen. Die Behauptung, ein Erzeugnis sei weniger gesundheitsschädlich als andere, enthalte auch keine Heilanpreisung im Sinne des Art. 19 LMV.
| 2 |
C.- Das Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Verzeigten wegen Übertretung des Art. 19 Abs. 1 LMV an diese Instanz zurückzuweisen. Nicht angefochten wird der Freispruch von der Anschuldigung wahrheitswidriger Reklame (Art. 18 LMV).
| 3 |
D.- Perrin ist zur Vernehmlassung eingeladen worden, hat jedoch innert gesetzter Frist nur eine Antwort einreichen lassen, die keine Unterschrift trägt und daher unbeachtlich ist (vgl. BGE 80 IV 48).
| 4 |
Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
5 | |
2. Lebensmittel im Sinne dieser Bestimmung sind auch Tabak und Tabakerzeugnisse, insbesondere Zigaretten. Das ergibt sich aus Art. 1 lit. a des Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG), das den Bundesrat zum Erlass des Art. 19 LMV ermächtigt hat (Art. 54 LMG). Art. 1 lit. a LMG versteht unter den Lebensmitteln sowohl die Nahrungs- als auch die Genussmittel. Letztere werden denn auch in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 unter den von der Verordnung erfassten Lebensmitteln (und Gebrauchsgegenständen) aufgezählt und zusammen mit den Gewürzen umschrieben als "Stoffe und Erzeugnisse, die, meist ohne einen eigentlichen Nährwert zu besitzen, gewissen Nahrungsmitteln zur Geschmackverbesserung oder der anregenden Wirkung wegen zugesetzt oder auch für sich genossen oder dem Organismus sonstwie zugeführt werden". Dass der französische und der italienische Text von Art. 1 lit. a LMG den Begriff des Genussmittels nicht erwähnen und an seiner Stelle in Art. 2 Abs. 1 Ziff. 3 LMV von "condiments et substances analogues" bzw. "condimenti e sostanze analoghe" sprechen, schliesst die Anwendung des Art. 19 Abs. 1 LMV auf Tabak und Tabakerzeugnisse nicht aus. Diese Waren sind im Abschnitt "B. Bestimmungen für Lebensmittel" der Verordnung ausdrücklich behandelt (Art. 420). Ein Grund, nicht auch den Abschnitt "A. Allgemeine Bestimmungen", zu dem Art. 19 LMV gehört, auf sie anzuwenden, besteht nicht.
| 6 |
7 | |
4. Bei dieser Auslegung des Art. 19 Abs. 1 LMV kommt nichts darauf an, ob das vom Gesundheits- und Wirtschaftsamt der Stadt Zürich beanstandete Inserat den Sinn habe, das Rauchen der Marocaine Filtre sei weniger gesundheitsschädlich, oder vielmehr, es hebe die Gesundheit mehr als das Rauchen anderer Zigaretten. Im einen wie im anderen Falle verstösst das Inserat gegen das Verbot nichtbewilligter Hinweise auf "eine günstigere gesundheitliche Wirkung".
| 8 |
9 | |
Demnach erkennt der Kassationshof:
| 10 |
11 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |