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54. Urteil des Kassationshofes vom 27. Oktober 1955 i. S. Schärer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG. |
Wenn er seine Absicht, den rechts liegenden Radfahrweg zu verlassen, rechtzeitig anzeigt, haben ihm aber die von hinten kommenden Benützer der Hauptfahrbahn an einer Strassenkreuzung den Vortritt zu lassen. |
Sie dürfen nicht so schnell fahren, dass sie ihm die Ausübung des Vortrittsrechts verunmöglichen. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich klagte Schärer auf Weisung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) und der Übertretung der Art. 26 Abs. 3 und 27 Abs. 1 MFG an.
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Das Bezirksgericht Zürich sprach den Angeklagten frei. Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte ihn dagegen am 3. Mai 1955 auf Berufung der Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 100.-- Busse.
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Das Obergericht nahm an, die Geschwindigkeit Schärers sei trotz der Feuchtigkeit der Fahrbahn an sich nicht übersetzt gewesen und habe auch nicht wegen Annäherung an die Strassengabel herabgesetzt zu werden brauchen. Dagegen habe der Angeklagte das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen (Art. 26 Abs. 3 MFG) verletzt. Sein Verschulden sei aber gering, weil der Radfahrer die Richtungsänderung nicht rechtzeitig angezeigt und vor dem Abbiegen nicht zurückgeschaut habe.
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C.- Schärer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Er macht geltend, es liege kein Fall des Überholens vor, weil Bolt sich auf dem von der Hauptfahrbahn durch einen Randstein deutlich getrennten Radfahrweg befunden habe. Die Rechtsprechung, wonach nicht nur an Kreuzungen ![]() | 5 |
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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2. Von einem Überholen kann jedoch nur die Rede sein, wenn beide Fahrzeuge sich auf der gleichen Fahrbahn befinden. Da in diesem Falle das schneller fahrende die gleichen Strassenteile benützen darf wie das langsamer fahrende, muss der Führer des ersteren auf das letztere Rücksicht nehmen, wenn er an ihm vorbeifahren will (Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG, Art. 46 Abs. 3 MFV). Er darf es nur links überholen (Art. 26 Abs. 1 MFG), hat von ihm einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), darf ihm nur vorfahren, wenn die Strassenstrecke frei und übersichtlich ist, namentlich wenn kein anderes Fahrzeug entgegenkommt (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 MFV), und darf erst dann wieder nach rechts einbiegen, wenn jede Gefährdung des überholten Fahrzeuges ausgeschlossen ist (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 MFV). Wenn nötig, hat er seine Absicht dem Führer des langsamer ![]() | 8 |
Das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen hätte freilich auch Sinn, wo die Bahnen der Motorfahrzeuge und der Radfahrer voneinander vollständig getrennt sind. Der Radfahrer muss seinen Fahrstreifen verlassen und ![]() | 9 |
Der Führer des Motorfahrzeuges hat daher dem die Absicht des Kreuzens (Verlassen des Radfahrweges) rechtzeitig anzeigenden Radfahrer den Vortritt zu lassen, wenn der Radfahrer sich rechts befindet (Art. 27 Abs. 1 MFG). Ob die Kreuzung innerorts oder ausserorts liegt, macht keinen Unterschied. Denn die Regel des Art. 27 Abs. 2 MFG in Verbindung mit dem BRB vom 26. März 1934 über die Hauptstrassen mit Vortrittsrecht, wonach ausserorts der auf der Hauptstrasse Verkehrende vortrittsberechtigt ist, versagt hier, weil auch der Radfahrweg zur Hauptstrasse gehört und die Regel folglich auch dem Radfahrer zugute käme (Art. 30 MFG). Vorbehalten ![]() | 10 |
Der Führer des Motorfahrzeuges hat ferner wie immer an Strassenkreuzungen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass er dem andern die Ausübung des Vortrittsrechtes nicht verunmöglicht (Art. 27 Abs. 1 MFG). Nur wenn er sicher ist und sicher sein darf, dass kein vortrittsberechtigter Radfahrer seine Bahn kreuzen wolle, ist er dieser Pflicht enthoben.
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Dagegen hätte der Beschwerdeführer wegen der Annäherung an die Kreuzung die Geschwindigkeit herabsetzen sollen. Wie er selber ausgeführt und wie das Bezirksgericht angenommen hat, auf dessen tatsächliche Feststellungen das Obergericht verweist, verdeckten ihm zwei vor der Garage Haller stehende Motorwagen die Sicht auf den Radfahrweg und auf Bolt, sodass er diesen erst bemerkte, als Bolt den Weg verlassen hatte und das Fahrzeug des Beschwerdeführers ihm auf 40 bis 30 m nahe war. Mit dieser Möglichkeit hätte der Beschwerdeführer rechnen sollen. Dass Bolt den Arm zu spät ausstreckte, entschuldigt den Beschwerdeführer nicht. Vor genau gleicher Lage hätte er sich durch das plötzliche Auftauchen des Radfahrers auch gesehen, wenn dieser seine Absicht rechtzeitig angezeigt hätte. Der Beschwerdeführer hätte daher seine Geschwindigkeit bei der Annäherung an die beiden Motorwagen so stark herabsetzen sollen, dass er vor dem auftauchenden Radfahrer hätte anhalten oder hinter ihm hätte durchfahren können. Hiezu verpflichteten ihn schon Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG ![]() | 13 |
Hätte der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit rechtzeitig genügend gemässigt, so wäre der Zusammenstoss unterblieben. Sein pflichtwidriges Verhalten ist somit natürliche Ursache der eingetretenen Verkehrsstörung. Dieser ursächliche Zusammenhang ist auch rechtserheblich. Das Fahren mit übersetzter Geschwindigkeit bei beeinträchtigter Sicht konnte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem Zusammenstoss der vorliegenden Art führen. Gerade weil die Möglichkeit unvorhergesehenen Kreuzens mit einem hinter den parkierten Wagen hervorkommenden Radfahrer erfahrungsgemäss nahe lag, war der Beschwerdeführer verpflichtet, ihr zum vornherein Rechnung zu tragen.
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Das Obergericht hat ihn somit zu Recht wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs bestraft. Auch ändert die Berichtigung der vorinstanzlichen Erwägungen am Strafmass nichts, da das Obergericht davon ausgegangen ist, das Verschulden des Beschwerdeführers sei leicht.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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