BGE 82 IV 29 | |||
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8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1956 i.S. Zürcher gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
1. Art. 33 MFG unterstehen ausser Handkarren und Zugwagen lediglich für Tierbespannung gebaute und bestimmte landwirtschaftliche Fahrzeuge (Erw. 1 lit. a). |
a) Zur Fortbewegung durch einen Traktor bestimmte landwirtschaftliche Anhängewagen müssen, auch wenn sie parkiert sind, dieser Vorschrift entsprechend beleuchtet sein (Erw. 1 lit. a und b). |
b) Die rote Reflexlinse ist vom Halter des Fahrzeugs stets in sauberem Zustand zu halten (Erw. 2 lit. b). |
3. Art. 125 und 237 StGB. |
Rechtserheblicher Kausalzusammenhang. Tatfrage - Rechtsfrage (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 30. Oktober 1954, um 18.05 Uhr, führte Werner Rupp, auf dem Soziussitz begleitet von Helene Zimmerli, seinen Motorroller bei Dunkelheit mit 40-45 km/Std auf der trockenen, 6 m breiten Ausserortsstrecke von Reiden Richtung Wikon. Kurz nach der Abzweigung zum Kieswerk Aecherli stiess er mit einem auf der rechten Strassenseite stationierten, unbeleuchteten Anhängewagen zusammen, den der Landwirt Gottfried Zürcher dort parkiert hatte, um mit dem Traktor in dem links der Strasse gelegenen Acker ein zweites Fuder zu holen und dann den ganzen Anhängerzug nach Hause zu führen. Rupp und seine Begleiterin wurden durch den Aufprall zu Boden geworfen, wobei ersterer sich eine einfache Oberschenkelfraktur, Quetschungen am rechten Oberschenkel und innere Verletzungen zuzog, während letztere am rechten Oberschenkel Quetschungen erlitt.
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B.- Die Untersuchung durch das Statthalteramt Willisau führte am 31. Mai 1955 zur Einstellung des Verfahrens gegen Zürcher. Werner Rupp und Helene Zimmerli zogen am 7. Juni 1955 die Sache an das Amtsgericht Willisau weiter. Dieses verurteilte am 21. September 1955 Gottfried Zürcher wegen Übertretung von Art. 38 Abs. 4 MFV, fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu Fr. 70.- Busse. Es warf ihm vor, trotz nächtlicher Dunkelheit den nur mit einer Reflexlinse versehenen Anhänger unbeleuchtet auf einer verkehrsreichen Strasse parkiert zu haben. Damit habe er die Hauptursache des Unfalls gelegt. Nach Art. 38 Abs. 4 MFV seien landwirtschaftliche Anhängewagen vorne links mit einem weissen Licht zu versehen. Diese Vorschrift gelte nicht nur für Anhängerzüge, sondern auch für allein parkierte Anhänger. Weiter müsse ihm zur Last gelegt werden, dass die Reflexlinse beschmutzt gewesen sei, was ihre Rückstrahlwirkung dermassen herabgesetzt habe, dass Rupp den Anhänger nicht rechtzeitig habe wahrnehmen können. Durch die Übertretung der MFV habe er auch den öffentlichen Verkehr gestört und den Tatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung erfüllt.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt in ihrer Vernehmlassung, das Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell sei die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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a) Dem ist nicht beizupflichten. Nicht jeder zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendete Anhängewagen untersteht solange Art. 33 MFG, als er nicht mit einem Zugwagen oder Zugtier bespannt ist. Vielmehr erfasst Art. 33 MFG ausser Handkarren und Zugwagen lediglich für Tierbespannung bestimmte und gebaute Fahrzeuge. Dies geht sowohl aus dem französischen als auch aus dem italienischen Gesetzestext hervor, wo von "véhicules à traction animale" und "veicoli a trazione animale" die Rede ist. Damit wird aber generell auf die Fortbewegungsart hingewiesen, für welche das Fahrzeug gebaut und bestimmt ist (BGE 72 II 211). Auf die momentane Verbindung mit einem Zugwagen oder Zugtier kommt ebensowenig an wie darauf, ob das Fahrzeug überhaupt bespannt ist oder nicht. Es wäre widersinnig anzunehmen, vor dem "Einspannen" und nach dem "Ausspannen" des Zugwagens könne ein landwirtschaftlicher Anhängewagen bei Nacht unbeleuchtet im Bereiche des allgemeinen Verkehrs stehen gelassen werden, während er in Verbindung mit einem Traktor beleuchtet werden muss.
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Dass im vorliegenden Fall der Anhänger des Beschwerdeführers nicht für Tierbespannung, sondern zur Fortbewegung durch einen Traktor bestimmt war, bestreitet Zürcher mit Recht nicht. Landwirtschaftliche Anhängewagen dieser Art unterstehen der Vorschrift des Art. 38 Abs. 4 MFV (STREBEL, Kommentar N. 33 zu Art. 17 und N. 17 zu Art. 19). Somit war der Beschwerdeführer verpflichtet, seinen Anhänger vorne links mit einem weissen Licht zu versehen. Dass er dies unterlassen hat, wird ihm zu Recht als Übertretung von Art. 38 Abs. 4 MFV zur Last gelegt.
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b) Dem Schuldspruch steht auch nicht entgegen, dass sich der Anhängewagen des Beschwerdeführers zur Zeit des Zusammenstosses nicht in Fahrt befand, sondern still stand. Zwar schreibt Art. 38 Abs. 4 MFV nicht ausdrücklich vor, das betreffende Fahrzeug müsse auch beim Parkieren beleuchtet sein. Doch lässt die ratio legis keine andere Auslegung zu. Ob ein landwirtschaftlicher Anhängewagen sich in Fahrt befindet oder auf der Strasse still steht: in jedem Falle ist er ein Strassenbenützer, der neben den Motorfahrzeugen und Radfahrern einen Teil der Fahrbahn beansprucht, durch die Art seines Fahrens Kollisionen herbeiführen kann und im Stillestehen ein Verkehrshindernis darstellt sogut wie im Fahren. Die Pflicht, auch einen parkierten Anhängewagen zu beleuchten, ergibt sich somit unmittelbar aus Art. 38 Abs. 4 MFV und nicht - wie die Vorinstanz annimmt - aus Art. 39 MFV.
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2. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger schwerer Körperverletzung ficht der Beschwerdeführer mit der Begründung an, es fehle zwischen den ihm zur Last gelegten Unterlassungen und dem Zusammenstoss am rechtserheblichen Kausalzusammenhang. Das weisse Licht vorne links am Anhänger hätte ein von hinten aufholender Fahrzeugführer nicht wahrnehmen können, weil es durch den Anhängewagen selbst verdeckt werde. Für die von hinten herankommenden Strassenbenützer sei die rote Reflexlinse bestimmt. Diese sei zwar leicht beschmutzt gewesen, was jedoch keinen Straftatbestand erfülle.
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a) Die Vorinstanz sieht darin, dass der Beschwerdeführer es unterlassen hatte, seinen auf der Strasse parkierten Anhänger nach der Vorschrift des Art. 38 Abs. 4 MFV zu beleuchten, die Hauptursache des Zusammenstosses. Damit ist der natürliche Kausalzusammenhang in für den Kassationshof verbindlicher Weise festgestellt. Überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die Ursachenfolge adäquat sei (BGE 76 II 318). Dies ist vorliegend zu bejahen. Nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge war die pflichtwidrige Unterlassung des Beschwerdeführers geeignet, eine Kollision herbeizuführen. Der Einwand, dass das weisse Licht von einem von hinten aufholenden Fahrzeugführer nicht hätte wahrgenommen werden können, findet weder in den Akten noch in den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Stütze. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Strahlen des weissen Lichtes selbst bei verdeckter Lichtquelle von Rupp hätten gesehen werden können, weil der Lichtschein sich von seinem dunklen Hintergrund abhebt und zudem angeleuchtete Gegenstände (z.B. die Strasse) sichtbar macht. Dass nach Art. 38 Abs. 4 MFV das weisse Licht vorne links am Anhängewagen anzubringen ist und damit in erster Linie der Warnung des entgegenkommenden Fahrzeugführers dient, schliesst keineswegs aus, dass es auch als Gefahrsignal für den auf derselben Fahrbahn verkehrenden Strassenbenützer wirkt.
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b) Auch wenn übrigens mit dem Beschwerdeführer der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlen des weissen Lichtes und dem Zusammenstoss verneint würde, wäre das Endergebnis kein anderes.
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Art. 38 Abs. 4 MFV schreibt vor, dass landwirtschaftliche Anhängewagen hinten mit einer roten Reflexlinse versehen sein müssen. Der damit verfolgte Sicherheitszweck ist offenkundig: es soll das auf die Reflexlinse einfallende Licht eines anderen Fahrzeuges in der Weise zurückgeworfen werden, dass der Widerschein vom aufholenden aufmerksamen Fahrzeugführer aus angemessener Entfernung wahrgenommen werden kann. Der Wirkungsgrad eines solchen Rückstrahlers hängt damit vom Zustand seiner Spiegelfläche ab. Ist sie beschmutzt, wird das auftreffende Licht nicht oder nur ungenügend zurückgeworfen, und die gewollte rechtzeitige Warnung des herannahenden Fahrzeuges unterbleibt. Schreibt das Gesetz schon vor, dass landwirtschaftliche Anhängewagen mit einer Reflexlinse zu versehen seien, so verpflichtet es den Halter sinngemäss auch dazu, diese Sicherheitsvorrichtung stets in einem Zustand zu erhalten, dass sie ihren Zweck erfüllen kann. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Begriff der Betriebs- und Verkehrssicherheit des Art. 17 MFG.
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Dieser Vorsichtspflicht hat der Beschwerdeführer nicht genügt. Nach der für den Kassationshof verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP) war die Reflexlinse an seinem Anhängewagen derart beschmutzt, dass ihre Rückstrahlwirkung herabgesetzt war. Dies führte unter anderem dazu, dass Rupp den Anhänger nicht schon aus einer Entfernung wahrnahm, die es ihm erlaubt hätte, rechtzeitig nach links auszuweichen und den Zusammenstoss zu vermeiden. Den Beschwerdeführer entlastet dabei nicht, dass er seiner Frau auftrug, sich mit einer weissen Schürze beim Anhänger aufzustellen. Dadurch konnte die mangelnde Wirkung der Reflexlinse nicht ausgeglichen werden. Der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen seiner Pflichtverletzung und dem Unfall ist gegeben. Er wird auch dadurch, dass noch ein anderer schuldhaft zum Erfolg beiträgt, nicht unterbrochen. Voraussetzung ist nur, dass das Verhalten des Beschwerdeführers allein nach dem normalen Lauf der Dinge geeignet war, den Erfolg herbeizuführen (BGE 73 IV 232;BGE 77 IV 188). Das liegt aber bei der Missachtung des Art. 38 Abs. 4 MFV, der gerade dazu bestimmt ist, Zusammenstösse zwischen Fahrzeugen zu verhüten, auf der Hand.
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