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10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Februar 1956 i. S. Spillmann gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
1. Art. 1 und 14 Abs. 1 lit. a HR G, Art. 18 VHRG. |
2. Art. 13-15 HRG. |
a) Diese Bestimmungen gehören dem Verwaltungsstrafrecht an (Erw. 3 lit. a). |
b) Die Straffähigkeit der juristischen Person schliesst die strafrechtliche Verfolgung ihrer fehlbaren Organe nicht aus (Erw. 3 lit. b). |
3. Art. 1 VHRG. Pflicht der Firma, für die Taxkarte ihrer Reisenden zu sorgen (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 22. November 1954 büsste der Gerichtspräsident von Konolfingen im Strafmandatsverfahren Jakob Spillmann und Fritz Grossglauser wegen Übertretung von Art. 14 Abs. 1 lit. a HRG mit Fr. 400.-- bzw. Fr. 80.-. Dagegen erhob ersterer Einspruch, worauf die Busse auf Fr. 300.-- herabgesetzt wurde.
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Die II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern bestätigte am 3. Juni 1955 das Urteil des Gerichtspräsidenten, welches Spillmann auf dem Wege der Appellation angefochten hatte.
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C.- Jakob Spillmann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Nach Art. 1 HRG ist Handelsreisender im Sinne dieses Gesetzes und bedarf einer Ausweiskarte, wer als Inhaber, Angestellter oder Vertreter eines Fabrikations- oder Handelsgeschäftes Bestellungen auf Waren aufsucht. Diese Ausweiskarte ist gemäss Art. 3 Abs. 1 die taxfreie ![]() | 6 |
Nach der tatsächlichen Feststellung des Gerichtspräsidenten von Konolfingen, dessen Ausführungen die Vorinstanz folgt, suchte Grossglauser in der Zeit vom 19. Februar bis 14. November 1954, ohne im Besitze einer roten Taxkarte zu sein, ausserhalb des Geschäftssitzes der Mobilia A.-G. im Gebiete des Kantons Bern verschiedene Bestellungen bei andern als in Art. 3 Abs. 1 HRG erwähnten Kunden auf, indem er selbst einen Kaufvertrag für die genannte Firma abschloss und ihr im übrigen sog. Vorzahlungsverträge vermittelte. Daran ist der Kassationshof gebunden (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP). Dass Grossglauser durch den Abschluss eines Kaufvertrages eine Bestellung auf Waren aufgesucht hat, steht ausser Frage. Dem Zweck des Gesetzes entsprechend umfasst aber der Begriff des Aufsuchens von Bestellungen nicht bloss die eigentliche Bestellungsaufnahme, sondern auch jede Vorarbeit dazu (Art. 18 VHRG;BGE 70 IV 42E. 2 Abs. 2 und 3). In den sog. Vorzahlungsverträgen, welche die Mobilia A.-G. mit ihren Kunden abzuschliessen pflegt, verpflichten sich diese, innert 10 Jahren für eine bestimmte Summe Möbel zu kaufen. Ihrem Wesen nach sind somit diese Rechtsgeschäfte darauf angelegt, die Verwirklichung eigentlicher Bestellungen in bindender Weise vorzubereiten. Wer daher den Abschluss solcher Vorzahlungsverträge vermittelt, leistet Vorarbeit zur späteren Bestellungsaufnahme. Da Grossglauser in dieser Weise tätig gewesen ist, hat er im Sinne von Art. 1 HRG Bestellungen auf Waren aufgesucht.
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2. Nach Art. 1 VVO zum HRG haben im schweizerischen Handelsregister emgetragene Firmen, die für ihre Vertreter eine Ausweiskarte für Handelsreisende wünschen, ein schriftliches Gesuch an die kantonale Abgabestelle des Amtskreises zu richten, wo die Firma ihren Sitz hat. Daraus geht hervor, dass grundsätzlich die Firma für die Taxkarte zu sorgen hat. Dieser gesetzlichen Pflicht kann sie sich nicht dadurch entschlagen, dass sie die Kosten hiefür dem Vertreter oder Agenten aufbürdet oder diesen vertraglich zur selbständigen Beschaffung des Ausweises verpflichtet. Anders könnte es nur sein, wenn ein Agent selber im Handelsregister eingetragen ist und reine Agententätigkeit ausübt. Dies war jedoch bei Grossglauser nicht der Fall, sodass seine Ausweiskarte einzig durch die Mobilia A.-G. erlangt werden konnte. Da sie ihn vertraglich mit dem Aufsuchen von Bestellungen bei Kunden beauftragte, hatte sie dafür zu sorgen, dass er mit der durch das Gesetz vorgeschriebenen Taxkarte ![]() | 9 |
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a) Wie gesagt, will das HRG unter anderem den ortsansässigen Handel gegen die Konkurrenz auswärtiger Firmen schützen (BGE 66 I 134;BGE 70 IV 43). Daneben zielt es wie das Bundesgesetz betr. die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24.7.1892, an dessen Stelle es getreten ist, auf einen Ausgleich zwischen den kantonalen Finanzbedürfnissen und den Interessen der reisenden Kaufleute ab (Art. 12 Abs. 2 HRG; Botschaft des Bundesrates vom 11.1. 1929 in BBl. 1929 I, S. 55). Ausser diesen gewerbepolitischen und fiskalischen Momenten finden sich im HRG auch solche gewerbepolizeilicher Natur, indem das Publikum vor Missbräuchen im Reiseverkehr geschützt werden soll (BGE 66 I 134; RUCK, Verwaltungsrecht II, S. 150 f.). Daraus erhellt, dass das HRG inhaltlich unverkennbar verwaltungsrechtlichen Charakter hat und die in den Artikeln 13 - 15 niedergelegten Strafbestimmungen dem Verwaltungsstrafrecht angehören (vgl. für das Patenttaxengesetz: KRONAUER, Kompendium des Bundesstrafrechts, S. 267 (unter dem Titel Bundespolizeigesetze); RENOLD, Das schweizerische Bundesverwaltungsstrafrecht, S. 158).
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b) In BGE 64 I 53 hat die I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes entschieden, dass Aktiengesellschaften und Genossenschaften ![]() | 12 |
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