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20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. April 1956 i.S. Girvan c. P. | |
Regeste |
Art. 173 Ziff. 3 StGB. |
2. Wann handelt der Täter mit begründeter Veranlassung (Erw. 3; Änderung der Rechtsprechung)? |
3. Ehrverletzende Äusserungen, die ohne jeden Zusammenhang mit bestimmten Tatsachen vorgebracht werden; Nichtzulassung des Entlastungsbeweises (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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"Wir wurden im Auftrag des mit Euch verbundenen Schwindlers, Betrugers und Fälschers, P., in Glarus auf seinen Auftrag hin nicht hineingelassen, zu einer Zeit, wo wir uns ausserordentlich bemühten, eine letztmögliche Losung zu finden. Damit wollte dieser Mann, der schon sicher ist, nach seinem Benehmen und Verleumdungen uns gegenüber sich alles erlauben zu dürfen, uns wiederum eine Demonstration geben, wie er sich unseren Vertrag auf "Treu und Glauben" vorstellt. Dies wohl als Dank, weil wir Euch ohne jede Garantie alles blindlings anvertraut haben."
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Am 14. Mai 1954 schrieb er an Joseph Braunsberg einen Brief, der folgende Stelle enthält:
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"... zu dem ... von mir als Schwindler, Fälscher und Betrüger bezeichneten P. ..."
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P. erhob gegen Girvan wegen der angeführten Briefstellen Ehrverletzungsklage.
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B.- Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Girvan am 15. März 1955 wegen übler Nachrede zu einer im Strafregister nach dreijähriger Probezeit bedingt löschbaren Busse von Fr. 500.--. Es ging davon aus, dass der Angeklagte die für den Ankläger ehrenrühigen Äusserungen weder in Wahrung öffentlicher Interessen, noch sonstwie mit begründeter Veranlassung, sondern lediglich in der Absicht getan habe, letzterem Übles vorzuwerfen. Es verweigerte ihm daher den Entlastungsbeweis.
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Das Obergericht des Kantons Zürich, an das der Angeklagte die Berufung erklärt hatte, bestätigte am 17. Oktober 1955 das erstinstanzliche Urteil.
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C.- Gegen das Urteil des Obergerichtes erhob Girvan kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Erstere wurde am 23. Januar 1956 durch das Kassationsgericht des Kantons Zürich abgewiesen, soweit es darauf eintrat.
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Mit der eidgenössischen Beschwerde beantragt Girvan, es sei das Urteil des Obergerichtes vom 17. Oktober 1955 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung macht er geltend, die Annahme des Obergerichtes, er habe ohne ![]() | 9 |
D.- P. beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Art. 173 Ziff. 3 schliesst den Täter vom Entlastungsbeweis aber überhaupt immer aus, wenn er die Äusserung ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht getan hat, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserung auf das Privat- oder Familienleben bezieht. Die Nichtwahrnehmung öffentlicher Interessen ist nur als besonderes Beispiel des Fehlens einer begründeten Veranlassung vorangestellt. Nicht ohne weiteres klar ist jedoch, in welchem Verhältnis die beiden Wendungen "ohne begründete Veranlassung" und "vorwiegend in der Absicht..., jemandem Übles vorzuwerfen" zueinander stehen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob das Fehlen einer begründeten Veranlassung auch schon die Absicht bedeutet, dem andern Übles vorzuwerfen, oder, mit andern Worten, ob die beiden Voraussetzungen in dem Sinne miteinander identisch sind, dass die zweite nur als Erläuterung, als nähere Umschreibung der ersten dasteht und richtigerweise mit einem "das heisst" eingeleitet sein müsste.
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Diese Auffassung wird von SCHWANDER, das Schweizerische Strafgesetzbuch, Nr. 612, Ziff. 3, vertreten, wobei er lediglich eine Ausnahme machen will für den Fall, dass der Täter in entschuldbarem Irrtum eine begründete Veranlassung angenommen habe. Das widerspricht jedoch ![]() ![]() ![]() | 14 |
Das Erfordernis, dass die beiden Voraussetzungen für den Ausschluss des Entlastungsbeweises kumulativ erfüllt sein müssen, ist deswegen noch von besonderer Bedeutung, weil die Gerichte erfahrungsgemäss leicht dazu neigen, aus dem Fehlen einer begründeten Veranlassung ohne weiteres auch darauf zu schliessen, der Täter habe vorwiegend in der Absicht gehandelt, dem andern Übles vorzuwerfen. Das ist nicht zulässig, weil es auf eine Umgehung der Kumulation hinausläuft. Auch wenn feststeht, dass keine begründete Veranlassung zur Äusserung bestand, muss in jedem Falle noch untersucht werden, ob der Täter mit der durch Art. 173 Ziff. 3 StGB geforderten üblen Absicht oder aus einem andern Beweggrund, z.B. aus blosser Klatschsucht, gehandelt hat. Daher kann, was in BGE 81 IV 237 über die Verbindlichkeit der tatsächlichen Feststellung der kantonalen Instanz ausgeführt wurde, nur mit der genannten Einschränkung gelten. Es genügt nicht, dass der kantonale Richter bei der Feststellung, der Täter habe vorwiegend in der Absicht gehandelt, dem andern Übles vorzuwerfen, von dem richtigen Begriff des Üblen und des Vorwiegens ausgegangen ist, sondern dieser Schluss darf auch nicht einfach aus dem Fehlen einer begründeten Veranlassung gezogen sein.
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3. Darüber hinaus erhebt sich die Frage, ob umgekehrt die üble Absicht wirklich, wie in BGE 81 IV 236 und schon früher (BGE 78 IV 33, BGE 80 IV 112) entschieden wurde, den Entlastungsbeweis ausschliesst, weil derjenige, der vorwiegend in dieser Absicht eine ehrverletzende Äusserung ![]() | 16 |
Wenn in BGE 81 IV 237 unter Hinweis auf Voten in der parlamentarischen Beratung gesagt wird, nach Art. 173 Ziff. 3 komme es nicht darauf an, ob die Äusserungen objektiv im öffentlichen Interesse liegen, entscheidend sei, ob der Täter dieses Interesse habe wahren wollen, so kann daran nach erneuter Prüfung nicht festgehalten werden. Die begründete Veranlassung, von der die Wahrung der öffentlichen Interessen, wie gesagt, nur einen besonders hervorgehobenen Fall darstellt, muss objektiv gegeben sein. Es muss ein tatsächlich zureichender Anlass bestehen, die Äusserung bei der Gelegenheit zu tun, bei der sie getan wird. Dies ist z.B. bei einer Wahl der Fall, zu der der Angegriffene vorgeschlagen wird und bei der die Öffentlichkeit ein Interesse hat, über das, was ihm vorgeworfen wird, unterrichtet zu werden, weil es für seine Eignung zur Wahl von Bedeutung ist. Dass der Täter sich bloss vorstellt, in Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie mit begründeter Veranlassung zu handeln, würde allenfalls nur zur Anwendung des Art. 19, nicht aber nach Art. 173 Ziff. 3 genügen. In diesem objektiven Sinne wurde die Wahrung öffentlicher Interessen schon unter der Herrschaft des alten Art. 173 StGB verstanden, wo sie als Strafausschliessungsgrund zur Geltung kam (vgl.BGE 69 IV 117,BGE 70 IV 26/27). Warum der Begriff in der revidierten Fassung, wo er in der Bestimmung über die Zulassung zum Entlastungsbeweis verwendet wird, anders ausgelegt werden sollte, ist nicht einzusehen. Dagegen spricht auch der Wortlaut des Gesetzes. Man kann nicht nichtbestehende öffentliche Interessen "wahren", und vor allem ist eine objektiv nicht bestehende Veranlassung keine "begründete" Veranlassung. Was in der parlamentarischen Beratung scheinbar Abweichendes gesagt wurde (StenBull NatR 1950, S. 459 f., StR 1950, S. 257), ist nicht schlüssig. Die vom Nationalrat vorgeschlagene und Gesetz gewordene Neuerung ![]() | 17 |
Richtig ist dagegen, dass für die Äusserung nicht nur eine objektiv begründete Veranlassung bestanden, sondern dass darin für den Täter auch der Beweggrund für die Äusserung gelegen haben muss. Nach dem oben dargestellten Verhältnis der beiden Ausschlussgründe lässt freilich die ausschliesslich üble Absicht für die begründete Veranlassung subjektiv keinen Raum. Ist dagegen die Absicht, dem andern Übles vorzuwerfen, nur das vorwiegende Motiv, so kommt es darauf an, ob die Äusserung wenigstens im übrigen objektiv und subjektiv auf begründeter Veranlassung beruht. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Täter ausschliesslich oder auch nur vorwiegend zur Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie aus begründeter Veranlassung gehandelt habe. "Ohne" Wahrung öffentlicher Interessen und ohne sonstwie begründete Veranlassung handelt nur, wer überhaupt nicht aus solchem Motiv handelt. Für die Zulassung zum Wahrheits- und Entlastungsbeweis genügt m.a.W., dass die Äusserung auch - wenn vielleicht auch nur zum kleineren Teil - aus begründeter Veranlassung getan wurde. Benutzt indessen der Täter das öffentliche Interesse oder die sonstwie objektiv begründete Veranlassung nur als Vorwand, um den Angegriffenen persönlich zu treffen, so steht ihm der Entlastungsbeweis der Ziff. 2 nicht zu (StenBull NatR 1950 S. 459).
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Daraus erhellt, dass es in solchen Fällen mit dem Nachweis der üblen Absicht besonders ernst genommen werden muss. Ist der Ausschluss des Entlastungsbeweises - wie gesagt - eine sehr einschneidende Beschränkung des Verteidigungsrechtes, so darf umsoweniger in Fällen, wo objektiv ein begründeter Anlass zur Äusserung bestand, ![]() | 19 |
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Vor zweiter Instanz machte der Beschwerdeführer weiter geltend, er habe mit den Äusserungen einen Schreckschuss abgeben wollen, um den Verwandten seiner Frau zu bedeuten, dass er über ihr Geschäftsgebaren und die Handlungen des P. unterrichtet sei. Das Obergericht spricht sich nicht darüber aus, ob es dieser Darstellung Glauben schenke, erklärt aber, wenn der Beschwerdeführer mit den beiden Briefen tatsächlich dieses Ziel verfolgt hätte, so wäre das noch keine begründete Veranlassung gewesen, über P. ehrverletzende Äusserungen zu tun, ohne sie irgendwie zu konkretisieren; um den Briefempfängern mitzuteilen, dass er sie und ihren Beauftragten durchschaut habe, hätte er ihnen bestimmte Anhaltspunkte nennen oder doch Anspielungen auf konkrete Betrüge oder Fälschungen machen müssen. Dieser Würdigung ist zuzustimmen. Was der Beschwerdeführer vorbringt, geht daran vorbei.
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