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45. Urteil des Kassationshofes vom 2. November 1956 i.S. Wächter gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 1 und 20 Abs. 1 lit. a AO. |
a) Auslegung von Inseraten (Erw. 2 lit. a); |
b) Eindruck der in einem für Ausverkäufe üblichen Stil hergerichteten Schaufenster auf das Publikum (Erw. 2 lit. b); |
c) Gesamthafte Betrachtung von Zeitungsreklame und Schaufensterauslagen (Erw. 2 lit. c). | |
Sachverhalt | |
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Am gleichen Tag liess Karl Wächter als verantwortlicher Betriebsleiter des Migros-Geschäftshauses St. Gallen zwei Schaufenster mit Waren der in den Inseraten angepriesenen Gattungen herrichten. Die teils in einzelnen Artikeln, teils in ganzen Warenstapeln bestehenden Auslagen wurden mit farbigen Preisanschriften von 15-20 cm und in einem Fall mit einer solchen von 45 cm Durchmesser versehen. In jedem Schaufenster war überdies ein grosses Transparent "Motto: Günstig" angebracht.
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Als die städtische Gewerbepolizei am 18. Januar 1955 verlangte, dass entweder eine nachträgliche Ausverkaufsbewilligung einzuholen oder die Auslagen zu ändern seien, liess Karl Wächter am 19. Januar 1955 in den fraglichen Schaufenstern zwei weitere Plakate anbringen, das eine mit der Aufschrift "Migros-Markt ... das ganze Jahr unter dem Motto: Günstig", das andere mit dem Hinweis "Diese Angebote sind keine Ausnahmen, denn Migros-Markt-Preise sind immer aussergewöhnlich". Eine Bewilligung wurde nicht eingeholt.
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B.- Am 31. August 1955 verurteilte die 3. Gerichtskommission des Bezirksgerichtes St. Gallen Wächter wegen fahrlässiger Veranstaltung eines nicht bewilligten Saisonausverkaufes zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 300.--.
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Auf Berufung Wächters bestätigte das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen am 6. März 1956 die von der ersten Instanz ausgefällte Busse. Es nahm vorsätzliche Übertretung der eidg. Ausverkaufsordnung an (Art. 20 Abs. 1 AO), hielt aber dem Angeklagten zugute, dass er sich in einem - allerdings nicht völlig - entschuldbaren Rechtsirrtum befunden habe.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Beschwerde.
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E.- Eine von Wächter eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde schrieb das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 9. Juni 1956 als durch Rückzug erledigt ab.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Ausverkäufe, für die es gemäss Art. 4 ff. AO der Bewilligung bedarf, sind nach Art. 1 der Verordnung Veranstaltungen des Detailverkaufes, bei denen dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden. Als öffentliche Ankündigungen gelten unter anderem Bekanntmachungen durch die Presse und durch Schaufensterauslagen (Art. 1 Abs. 2 AO).
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a) Dass die am 14. Januar 1955 erschienenen Inserate der Migros-Genossenschaft allein schon zum Einschreiten der städtischen Gewerbepolizei Anlass gegeben hätten, nimmt das Kantonsgericht selbst nicht an. In der Tat enthalten die drei Anzeigen nichts, was bei der Leserschaft ![]() | 12 |
b) Nicht wesentlich anders verhält es sich mit den beanstandeten Schaufensterauslagen. Zwar stellt die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe zwei Schaufenster für die am 14. Januar 1955 angelaufene Verkaufsaktion in einer Weise herrichten lassen, dass sie vom üblichen Bild, ![]() | 13 |
c) Die Vorinstanz hält dafür, dass die Schaufenster- und Inseratenreklame gesamthaft betrachtet in ihrer objektiven Wirkung auf das Publikum auf ein Inaussichtstellen besonderer, ![]() | 14 |
Nicht zu verkennen ist, dass es sich im vorliegenden Fall um zwei "öffentliche Ankündigungen" verschiedener Art handelt, die in ihrer zeitlichen Einwirkung auf die Käuferschaft auseinanderfallen konnten. Auch mussten selbst ihre Adressaten nicht notwendigerweise identisch sein; damit, dass ein Geschäft für die gleichen Artikel in der Presse und in seinen Schaufenstern wirbt, ist nicht gesagt, dass der Leser der Anzeigen zugleich die Auslagen gesehen und der Betrachter der Schaufenster die Inserate gelesen habe. Ob das indessen genügt, um eine gesamthafte Beurteilung der beiden Ankündigungen, wie sie dem vorinstanzlichen Urteil zugrunde liegt, auszuschliessen, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst für den Fall, dass die Schaufensterauslagen und die Zeitungsinserate als Ganzes zu werten wären, könnte entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes von einem Inaussichtstellen besonderer, nur vorübergehend gewährter Vorteile nicht die Rede sein.
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Wie gesagt, hielten sich die Inserate nach Form und Inhalt im Rahmen der üblichen Geschäftsreklame und musste auch ihr Erscheinen unmittelbar vor der amtlichen Ausverkaufszeit in keiner Weise den Eindruck einer einmaligen Kaufgelegenheit erwecken. Nicht anders verhielt es sich mit den Schaufenstern. Inwiefern ihre Wirkung auf das Publikum deswegen eine andere hätte sein sollen, weil für die ausgestellten Waren gleichzeitig in der Presse Reklame gemacht wurde, ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon, dass in den drei Anzeigen mit keinem Wort darauf hingewiesen wurde, dass die angeführten Artikel in den Schaufenstern des Migros-Geschäftshauses besichtigt werden könnten, ist es nichts Aussergewöhnliches, dass Verkaufsgeschäfte ![]() | 16 |
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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