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49. Urteil des Kassationshofes vom 31. Oktober 1958 i.S. Kessler gegen Boltshauser. | |
Regeste |
Art. 249 BStP. Freie Beweiswürdigung. |
2. Kantonale Vorschriften, wonach bestimmte Personen wegen Befangenheit vom Zeugnis ausgeschlossen sind, verstossen gegen den in Art. 249 BStP aufgestellten Grundsatz (Erw. 2-4). Art. 249 PPF. Libre appréciation des preuves. | |
Sachverhalt | |
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Die Gerichtskommission Weinfelden entsprach dem Rekusationsbegehren, sah von der Einvernahme des Kessler ab, erachtete, da die Klägerin keine anderen Beweise angeboten hatte, die gegenüber der Beklagten erhobenen Anschuldigungen als nicht erwiesen und wies infolgedessen mit Urteil vom 5. Februar 1958 die Klage ab.
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B.- Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das Theresia Leier die Berufung erklärt hatte, bestätigte am 23. Juni 1958 das erstinstanzliche Urteil. Es hielt daran fest, dass Kessler gemäss § 258 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO nicht ![]() | 3 |
C.- Die Klägerin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und der Fall an diese Instanz zurückzuweisen, damit sie ein Beweisverfahren durchführe, insbesondere Kessler als Zeugen einvernehme und die persönliche Befragung der Parteien im Sinne der §§ 270 ff. ZPO anordne und die Beklagte verurteile. Zur Begründung wird geltend gemacht, durch den Ausschluss des Zeugen Kessler wegen Befangenheit und durch den Verzicht auf die persönliche Befragung der Parteien in einem Verfahren wegen Ehrverletzung, also in einer Bundesstrafsache, habe das kantonale Gericht Art. 249 BStP verletzt, der vorschreibe, dass die entscheidende Behörde die Beweise frei würdige.
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D.- Die Beklagte beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Das ändert nichts daran, dass auch bei der Beurteilung dieser Vergehen der Vorbehalt des Art. 249 BStP gilt, wonach die entscheidende Behörde die Beweise frei würdigen ![]() | 7 |
2. Der Art. 249 BStP mag, wenn lediglich auf dessen Wortlaut abgestellt wird, dahin verstanden werden, dass die entscheidende Behörde bei der Würdigung der erhobenen Beweise an keine gesetzlichen Regeln gebunden sei, sondern unabhängig davon ihre Überzeugungskraft zu prüfen habe. Diese enge Auslegung verträgt sich jedoch nicht mit dem Sinn und Zweck der Bestimmung, die - wie die ihr jedenfalls dem Sinne nach entsprechenden Art. 20 EHG, Art. 38 ElG, Art. 289 SchKG, Art. 46 MFG und Art. 158 Ziff. 4 ZGB - erlassen worden ist, um eine gleichmässige Handhabung des Bundesstrafrechtes in allen Kantonen zu erreichen, was u.a. davon abhängt, "dass der Tatbestand, soweit möglich, nach gleichen Grundsätzen festgestellt wird" (Botschaft des Bundesrates zum BG über die Bundesstrafrechtspflege, BBl. 1929 II S. 631/2). Dem stehen nicht nur Regeln über die Würdigung der erhobenen Beweise, sondern auch jene Vorschriften der kantonalen Verfahrensrechte im Wege, nach denen in bestimmten Fällen gewisse Beweise deshalb, weil der Gesetzgeber ihnen keine Überzeugungskraft beimisst, vom Richter, sei es von Amtes wegen oder auf Antrag der Gegenpartei des Beweisführers, überhaupt nicht durchzuführen sind (vgl. für das Bundeszivilrecht: GULDENER, Zivilprozessrecht, I S. 288 f.; SCHURTER u. FRITZSCHE, Zivilprozessrecht, I S. 506 ff.). Ob der kantonale Gesetzgeber der urteilenden Behörde vorschreibt, dass sie auf bestimmte Beweise nicht abstellen dürfe, oder ob er diese Beweismittel wegen ihrer präsumtiven Wertlosigkeit zum voraus vom Verfahren ausschliesst, kommt aufs gleiche hinaus. Beide Vorschriften ![]() | 8 |
In diesem Sinne hat das Bundesgericht bereits mit Bezug auf den - inhaltlich mit Art. 249 BStP übereinstimmenden - Vorbehalt des Art. 158 Ziff. 4 ZGB entschieden. indem es feststellte, dass von freier, durch keine gesetzlichen Regeln eingeschränkter Beweiswürdigung nur die Rede sein könne, wenn die Beweiskraft der angerufenen Beweismittel in jedem einzelnen Falle anhand der konkreten Umstände geprüft werde (BGE 77 II 23Erw. 2; in gleichem Sinne BÜHLER in ZSR 1955 S. 366 a mit Zitaten). Überdies entspricht diese Auslegung auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 11 des BG betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen und Dampfschiffunternehmungen (in der Fassung vom 1. Juli 1875), der für die Beurteilung von Ansprüchen aus diesem Gesetz gleichfalls den Grundsatz der freien Beweiswürdigung aufstellt (BGE XVIII S. 807; XIX S. 189 f. Erw. 5;BGE 23 I 634).
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Dagegen werden von Art. 249 BStP Beweisbeschränkungen nicht betroffen, die sich daraus ergeben, dass das kantonale Recht aus anderen Gründen als der Beweiswürdigung gewisse Beweismittel nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt (vgl.BGE 42 II 392und für das Bundesstrafverfahren die Art. 75-79, 164 Abs. 2 und Art. 169 Abs. 2 BStP). Art. 249 BStP berührt daher auch nicht kantonale Verfahrensbestimmungen, die mit Rücksicht auf sonstige schützenswerte öffentliche oder private Interessen, wie z.B. zur Vermeidung von Gewissenskonflikten oder zur Erhaltung des Familienfriedens, durch Ausschluss von Zeugen und Sachverständigen oder durch Einräumung des Zeugnisverweigerungsrechts der Beweiserhebung Grenzen setzen.
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4. Anders als die Einvernahme des Zeugen Kessler hat das Obergericht die persönliche Befragung der Parteien im Sinne von §§ 270 ff. ZPO nicht mit der Begründung abgelehnt, dass eine Vorschrift des kantonalen Rechts oder ein allgemeiner Grundsatz des Beweisrechts der Abnahme dieses Beweises entgegenstehe. Es stellt im angefochtenen Urteil vielmehr ausdrücklich fest, dass das Parteiverhör - sei es auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen - auch im Privatstrafklageverfahren angeordnet werden könne. Gestützt auf besondere Umstände des zur Beurteilung stehenden Falles, die im Urteil angeführt werden, ist das Gericht jedoch zur Überzeugung gelangt, dass die persönliche Befragung der Parteien zu keiner zuverlässigen ![]() | 12 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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