BGE 85 IV 7 | |||
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3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Februar 1959 i.S. Haslimeier gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 42 Ziff. 5, 69 StGB. |
b) Steht der Entscheid, ob die Untersuchungshaft auf die in Art. 42 Ziff. 5 Satz 1 StGB festgesetzte dreijährige Mindestdauer der Verwahrung angerechnet werden könne, dem Richter oder der Vollzugsbehörde zu? (Erw. 2 lit b). | |
Aus den Erwägungen: | |
2. a) Der Beschwerdeführer ist zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Die Dauer der gegen ihn ausgefällten Freiheitsstrafe, an deren Stelle die Verwahrung nach Art. 42 StGB tritt, liegt also unter der in Ziff. 5 dieser Bestimmung festgesetzten Mindestdauer dieser Massnahme. In solchen Fällen ist der Kassationshof auf die Rüge, die Untersuchungshaft sei zu Unrecht überhaupt nicht oder nur teilweise auf die Strafe angerechnet worden, nicht eingetreten (nicht veröffentlichte Entscheidungen des Kassationshofes vom 1. September 1949 i.S. Schwendimann, mit Zitaten, und vom 27. Juni 1952 i.S. Wild; vgl. ferner BGE 69 IV 52 Erw. 2, BGE 77 IV 82 Erw. 2), mit der Begründung, die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe könne die Mindestdauer der Verwahrung nur beeinflussen, wenn die ausgesprochene Strafe drei Jahre übersteige, da der Richter an die Bestimmung des Art. 42 Ziff. 5 StGB, dass der Verwahrte mindestens drei Jahre in der Verwahrung bleibe, gebunden sei; durch eine Entscheidung, welche die Anrechnung der Untersuchungshaft auf eine Freiheitsstrafe, die drei Jahre nicht übersteige, ganz oder teilweise ausschliesse, werde der nach Art. 42 StGB Verwahrte demnach nicht beschwert (benachteiligt) und zur blossen Änderung der Urteilsgründe sei die Nichtigkeitsbeschwerde nach feststehender Rechtsprechung nicht gegeben.
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An dieser Rechtsprechung ist nicht festzuhalten. Sie trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass der Verwahrte im Anschluss an das die Massnahme des Art. 42 StGB anordnende Urteil zu einer Zusatzstrafe im Sinne von Art. 68 Ziff. 2 StGB verurteilt und dadurch die Strafdauer (Grundstrafe und Zusatzstrafe) auf mehr als drei Jahre erhöht werden kann. Wird eine solche Zusatzstrafe ausgefällt, an deren Stelle ebenfalls die Verwahrung tritt, so hängt gemäss Art. 42 Ziff. 5 Satz 1 StGB vom Entscheid über die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafen ab, wie lange der Verwahrte über die drei Jahre hinaus mindestens in der Verwahrungsanstalt zu bleiben hat. Im Hinblick auf diesen nicht seltenen Fall rechtfertigt es sich, bereits bei Ausfällung einer ersten in Verwahrung umgewandelten Strafe auch darüber zu entscheiden, ob und wieweit die Untersuchungshaft gemäss Art. 69 StGB auf die Strafe anzurechnen sei.
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Dazu kommt, dass nach Art. 42 Ziff. 7 StGB, wenn seit der Verurteilung mehr als zehn Jahre verflossen sind, ohne dass die Verwahrung vollzogen werden konnte, die zuständige Behörde zu entscheiden hat, ob die Strafe oder die Verwahrung zu vollziehen sei. Auch dieser, obgleich entfernteren Möglichkeit entspricht es, dass der Richter im Sachurteil mit der Strafe ohne Rücksicht auf deren Dauer gleichzeitig die anrechenbare Untersuchungshaft bestimmt.
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b) Wenn auch, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung, aus diesen Gründen auf die Rüge, die Untersuchungshaft sei zu Unrecht auf die in Verwahrung umgewandelte Zuchthausstrafe von zwei Jahren nicht angerechnet worden, einzutreten ist, so besagt das jedoch keineswegs, dass die der bisherigen Praxis zugrunde liegende Auffassung, die Untersuchungshaft könne auf die in Art. 42 Ziff. 5 StGB festgesetzte dreijährige Mindestdauer nicht angerechnet werden, aufzugeben sei. Entgegen der durch den Entscheid vom 7. Mai 1946 i.S. Walser eingeleiteten Praxis des Bundesrates (vgl. ZStR 1954 S. 80 ff. und dort angeführte Entscheidungen) ist die Frage der Anrechnung der Untersuchungshaft auf die gesetzliche Mindestdauer der Massnahme vom Richter, in letzter Instanz also vom Kassationshof, nicht von der Vollzugsbehörde zu entscheiden.
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Das Gesetz sieht eine Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Verwahrung als solche überhaupt nicht vor. Sie ist daher nur möglich, wenn man annehmen will, es liege eine Gesetzeslücke vor, die durch analoge Anwendung von Art. 69 StGB auszufüllen sei. Allein Art. 69 StGB umschreibt nicht nur die Voraussetzungen für die Anrechnung, sondern bestimmt auch, dass diese Sache des Richters sei. Falls man die Bestimmung auf die Verwahrung analog anwenden will, so kann daher für die Anrechnung nur der Richter zuständig sein.
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Seine Zuständigkeit liegt auch in der Natur der Entscheidung. Entgegen der vom Bundesrat im Meinungsaustausch mit dem Kassationshof vertretenen Ansicht (Schreiben vom 16. Juni 1958 und vom 26. Januar 1959) und der von V. KURT in der Schweizerischen Zeitschrift für Strafrecht geäusserten Auffassung (ZStR 1954 S. 91) geht es bei ihr nicht bloss um die Frage, wann die Verwahrung "rechtlich zu laufen beginne" bzw. ob sie nur in der durch Art. 42 Ziff. 2 StGB bezeichneten oder auch in einer anderen Anstalt, namentlich in einem Untersuchungsgefängnis, vollzogen werden könne. Mit dem Entscheid darüber, ob der Beginn der Verwahrung um jene Zeitspanne "vorzuverlegen" sei, die der Angeklagte vor seiner Aburteilung in einem Untersuchungsgefängnis verbracht hat und die ihm der Richter gemäss Art. 69 StGB auf die Strafe anrechnet, wird festgelegt, ob bei der Berechnung der dreijährigen Mindestdauer der Massnahme von der in der Verwahrungsanstalt selbst zugebrachten Zeit die erlittene Untersuchungshaft (ganz oder teilweise) in Abzug zu bringen sei. Je nach diesem Entscheid hat der Verwahrte tatsächlich noch drei Jahre oder eine um die Dauer der Untersuchungshaft verkürzte Zeit in der Verwahrungsanstalt zu verbringen, um die Bedingung des Art. 42 Ziff. 5 StGB zu erfüllen. Zwischen diesem Entscheid und der Feststellung des Richters, ob gemäss Art. 69 StGB von der ausgefällten Freiheitsstrafe die Untersuchungshaft ganz oder teilweise in Abzug gebracht werde, besteht kein Unterschied. In beiden Fällen geht es um das Gleiche, nämlich - entgegen der Auffassung des Bundesrates - nicht um die Feststellung des Beginns des Straf- oder Massnahmenvollzuges, sondern darum, wie lange die durch das Urteil angeordnete Freiheitsentziehung mit Rücksicht auf die erstandene Untersuchungshaft noch zu dauern, bzw. mindestens noch zu dauern hat. Dieser Entscheid kann nur dem Richter zustehen. Dass gemäss Art. 42 Ziff. 5 StGB bei der Verwahrung nach Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer die Vollzugsbehörde über die bedingte Entlassung befindet, ändert nichts, was übrigens schon daraus hervorgeht, dass in Art. 38 StGB die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, unbeschadet der Zuständigkeit des Richters zur Anrechnung der Untersuchungshaft, ebenfalls der Vollzugsbehörde zugewiesen ist. Für die Zuständigkeit des Richters spricht schliesslich auch, dass der Verurteilte mit Bezug auf die allfällige Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Verwahrung das nämliche berechtigte Interesse an den Garantien der richterlichen Entscheidung hat wie bei der Anrechnung auf die Strafe. Der Richter, der das Strafurteil zu fällen hat und die Persönlichkeit des Angeklagten und sein Verhalten im Verfahren von da her kennt, ist zweifellos auch besser in der Lage, die Voraussetzungen einer allfälligen Anrechnung der Untersuchungshaft zu beurteilen, als die Vollzugsbehörde es wäre.
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c) Im vorliegenden Falle braucht die Frage, ob die Untersuchungshaft, soweit sie nach Art. 69 StGB auf die Strafe anzurechnen ist, von der gesetzlichen Mindestdauer der Massnahme in Abzug gebracht werden könne, nicht entschieden zu werden, da der Beschwerdeführer einen dahingehenden Antrag nicht stellt.
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