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9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1959 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen R. | |
Regeste |
Art. 307 StGB. | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 17. November 1958 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich R. wegen unvollendeten Versuches des falschen Zeugnisses zu einer bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe von drei Monaten Gefängnis.
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C.- R. und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führen Nichtigkeitsbeschwerde. Die erstere beantragt, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und sie sei freizusprechen. Die Staatsanwaltschaft verlangt demgegenüber, es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Verurteilte wegen vollendeten falschen Zeugnisses bestrafe.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätte die Vorinstanz die Beschwerdegegnerin nicht bloss wegen unvollendeten Versuchs des falschen Zeugnisses, sondern wegen des vollendeten Deliktes bestrafen müssen. Die Befolgung der nach kantonalem Recht bei der Zeugeneinvernahme zu beobachtenden Formvorschriften sei gemäss BGE 71 IV 43 Voraussetzung für die Gültigkeit des Zeugnisses. Würden sie nicht eingehalten, so liege kein gültiges Zeugnis und infolgedessen auch kein falsches Zeugnis im Sinne von Art. 307 StBG vor. Die Beobachtung der kantonalen Verfahrensbestimmungen sei somit objektive Strafbarkeitsbedingung, mit deren Eintritt jede einzelne zuvor gemachte falsche Aussage zum vollendeten falschen Zeugnis werde. Das tatbeständliche Verhalten der Beschwerdegegnerin sei infolgedessen damit abgeschlossen gewesen, dass sie im Bewusstsein ihrer Zeugenqualität und der Unwahrheit ihrer Angabe wenigstens einen falschen Satz vollständig ausgesprochen habe, und die Strafbarkeit dieser einzelnen falschen Aussage sei mit der Erfüllung der ![]() | 4 |
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Zwar hat die Betrachtungsweise der Staatsanwaltschaft, soweit sie die Beobachtung der kantonalen Prozessvorschriften als objektive Strafbarkeitsbedingung versteht, gute Gründe für sich. Indessen kann die Frage, ob die Gültigkeit des Zeugnisses Strafbarkeitsbedingung oder Tatbestandsmerkmal sei, offen bleiben. Denn selbst wenn man der Staatsanwaltschaft in diesem Punkte beistimmen wollte, wäre ihre Beschwerde deswegen unbegründet, weil die weitere Folgerung, dass der Tatbestand schon vollendet sei, sobald der Zeuge einen "einzelnen falschen Satz" ausgesprochen habe, nicht schlüssig ist. Vollendet ist das Zeugnis erst mit dem Abschluss der Einvernahme (so auch die deutsche und die österreichische Rechtsprechung, vgl. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen 4'174; 8'306; Entscheidungen des österr. Obersten Gerichtshofes in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten, XVI, Nr. 43 und 79). Die Frage, ob ein falsches Zeugnis vorliege, ist daher nach der Gesamtheit der vom Zeugen bis zum Abschluss seiner Vernehmung gemachten Angaben, also nach dem schliesslichen Ergebnis der Aussagen zu beurteilen. Denn prozessrechtlich wird die Einvernahme eines Zeugen allgemein als eine Einheit behandelt. So betrachtet, versteht sich von selbst, dass über einen im Verlaufe derselben Vernehmung erfolgten Widerruf einer falschen Aussage nicht hinweggeschritten und der unwahre "aussagende Satz" unbekümmert um seine Berichtigung zum Anlass einer Strafverfolgung wegen vollendeten falschen Zeugnisses gemacht werden kann. Eine solche Auslegung des Gesetzes würde zu stossenden Ergebnissen führen und wäre der Erforschung der Wahrheit als eines der vordringlichsten Ziele der Rechtspflege, deren Interessen Art. 307 StGB gerade dienen soll (vgl. BGE 80 IV 124), in hohem Masse abträglich. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft kann daher nicht gefolgt werden.
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Die in BGE 80 IV 124 angeführten Gründe für die Straflosigkeit der falschen, aber vor Abschluss der Einvernahme widerrufenen oder berichtigten Zeugenaussage behalten somit weiterhin ihren vollen Wert; dies umso mehr, als der Verzicht auf eine strafrechtliche Verfolgung des Zeugen in einem solchen Falle nicht eine Eigenart der schweizerischen Rechtsprechung darstellt, sondern sich auch in ausländischen Strafgesetzen findet. So sieht beispielsweise § 43 Abs. 2 des deutschen StGB vor, dass der Versuch eines Vergehens nur in den Fällen bestraft wird, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Die Fassung von 1943 enthielt nun zwar für den Tatbestand der falschen uneidlichen Aussage in Abs. 2 des § 153 eine solche Vorschrift. Diese wurde jedoch bereits durch das Dritte Strafänderungsgesetz vom 4. August 1953 gestrichen, womit der Versuch des falschen Zeugnisses straflos gelassen ist (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar, 8. Auflage N. IV zu § 153; EBERMAYER/LOBE/ROSENBERG, Kommentar, 8.Auflage, N. 5 zu § 153). Nach der französischen Strafrechtslehre und Rechtsprechung bleibt der Zeuge ebenfalls straflos, wenn er seine falsche Aussage vor Abschluss der Einvernahme, oder je nach dem Verfahren sogar noch, wenn er sie in einem späteren Stadium widerruft (DAILOZ, Encyclopédie juridique, Droit criminel II, S. 31 N. 22 ff.; ![]() | 7 |
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