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45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Oktober 1959 i.S. Freivogel gegen Staatsanwaltschaft des Seelandes. | |
Regeste |
Art. 70, 73 StGB. | |
Sachverhalt | |
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Am 8. April 1957 hiess der Kassationshof des Kantons Bern das Revisionsgesuch des Verurteilten gut, hob das Urteil vom 1. Oktober 1948 auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Geschwornengericht des IV. Bezirkes des Kantons Bern.
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Dieses verurteilte Freivogel am 11. April 1959 wiederum wegen Raubes und Nötigung zu sechs Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der ausgestandenen Strafe, und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit.
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Erwägungen: | |
Die Verfolgung des Raubes (Art. 139 StGB), den der Beschwerdeführer am 22. Juni 1943 begangen hat, verjährt ungeachtet der Unterbrechungen nach Ablauf von 15 Jahren (Art. 70 und Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Träfe die Behauptung des Beschwerdeführers zu, dass die Frist ununterbrochen gelaufen sei, so wäre die absolute Verjährung am 22. Juni 1958, also in einem Zeitpunkt eingetreten, als das angefochtene Urteil vom 11. April 1959 noch nicht ergangen war. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Urteil des Geschwornengerichtes vom 1. Oktober 1948 ist, was aus dem sofortigen Antritt der Strafe hervorgeht, mit der Ausfällung vollstreckbar geworden. Nach der Rechtsprechung, die nicht bestritten wird, hörte an diesem Tage die Verfolgungsverjährung auf, und es begann die Vollstreckungsverjährung zu laufen, da die beiden Verjährungen nicht gleichzeitig nebeneinander laufen können (BGE 72 IV 107; BGE 73 IV 14). Fragen kann sich daher nur, ob mit dem Entscheid des bernischen Kassationshofes vom 8. April 1957, durch den in Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches des Beschwerdeführers das Urteil vom 1. Oktober 1948 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung an das Geschwornengericht zurückgewiesen wurde, die Verfolgungsverjährung wieder zu laufen begonnen hat, d.h. ob sie zwischen Ausfällung und Aufhebung des früheren Urteils bloss ruhte, wie die Vorinstanz annimmt, oder ob trotz der Aufhebung des Urteils die Vollstreckungsverjährung weiterlief.
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Das Wiederaufnahmeverfahren zugunsten des Verurteilten verfolgt den Zweck, das frühere Urteil, sofern ihm ein Justizirrtum zugrundeliegt, rückwirkend zu beseitigen und den zu Unrecht Verurteilten freizusprechen oder milder zu bestrafen. Würde die Verfolgungsverjährung im Revisionsverfahren ![]() ![]() | 6 |
Im Gegensatz zur revisio in favorem bezweckt das Wiederaufnahmeverfahren zu Ungunsten des Beschuldigten die Verurteilung eines Freigesprochenen oder die Ausfällung einer strengeren Strafe an Stelle der früher ausgesprochenen. Der Ausschluss der Verfolgungsverjährung würde sich in diesem Falle zum Nachteil des Angeklagten auswirken und einseitig das Interesse des Staates an der Weiterverfolgung einer irrtümlich nicht oder nur ungenügend gesühnten Tat begünstigen. Ein solches Ergebnis, das dem Sinn der Verjährung widerspräche, wäre stossend. Es ist auch schwer zu ersehen, warum dem Zeitablauf in diesem Verfahren nicht sollte Rechnung getragen werden können. Der Auffassung, dass ein Hinderungsgrund im früheren Sachurteil liege, durch welches die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten rechtskräftig festgestellt und damit die Strafverfolgung endgültig abgeschlossen worden sei (WAIBLINGER, ZStR 75, 399), könnte jedenfalls kaum beigepflichtet werden. So wenig die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheidungen eine absolute ist, solange sie durch andere ausserordentliche Rechtsmittel beseitigt werden kann (BGE 85 II 147), ebenso wird auch die Strafverfolgung durch ein rechtskräftiges Strafurteil, das durch Revision angefochten werden kann, nicht endgültig abgeschlossen; der Abschluss erfolgt vielmehr unter dem Vorbehalt, dass das Verfahren nicht auf dem Wege der Revision wieder aufgenommen wird. Zur Frage der Verjährung im Wiederaufnahmeverfahren zu Ungunsten des Beschuldigten, insbesondere zu derjenigen, wie die Fristen zu berechnen wären, braucht indessen nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, da sich im vorliegenden Falle eine Entscheidung erübrigt.
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