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49. Urteil des Kassationshofes vom 27. Oktober 1959 i.S. Bucher gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Nichtanzeigen eines Fundes. Art. 332 StGB. - Irrige Vorstellung über den Sachverhalt. Art. 19 StGB. |
2. Der Nichtanzeige eines Fundes (Art. 332 StGB) macht sich nur schuldig, wer vorsätzlich den Fund einer verlorenen (Art. 720 ZGB) oder das Vorfinden einer gemäss Art. 725 Abs. 1 ZGB in seinen Gewahrsam gelangten Sache nicht anzeigt (in Missachtung von Art. 720 Abs. 2/725 Abs. 1 ZGB). - Nimmt der Finder irrigerweise an, die Sache sei vom Eigentümer aufgegeben worden und daher herrenlos, so liegt vorsätzliche und damit strafbare Übertretung nicht vor (Art. 19 StGB) (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Nach der Ankunft am neuen Wohnort vermisste Hunziker dieses Schuhwerk, und als er den Hergang vernahm, reichte er gegen Bucher Strafanzeige wegen Fundunterschlagung ein. Bucher erklärte, er habe angenommen, diese Sachen seien absichtlich liegen gelassen worden, um als Kehricht abgeführt zu werden.
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C.- Das Amtsgericht Luzern-Stadt sprach am 30. April 1959 den Beschuldigten von der Anklage der Fundunterschlagung nach Art. 141 StGB frei, verurteilte ihn aber wegen Nichtanzeigens eines Fundes nach Art. 332 StGB zu einer Busse von Fr. 10.- mit Kostenfolge. Das Schadenersatzbegehren des Privatklägers Hunziker verwies es auf den Weg des Zivilprozesses.
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In der Begründung billigt das Amtsgericht dem Beschuldigten den guten Glauben zu, es handle sich um Sachen, die der bisherige Eigentümer bei seinem Wegzug von Luzern aufgegeben habe, so dass sie herrenlos und ![]() | 4 |
D.- Gegen dieses Urteil hat der Beschuldigte, soweit es zu seinen Ungunsten lautet, Nichtigkeitsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Prozedur zu seiner Freisprechung an das Amtsgericht zurückzuweisen; die Kosten mit Einschluss einer angemessenen Parteientschädigung habe der Privatkläger, eventuell der Staat zu tragen.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt Zustimmung zu den Anträgen des Beschwerdeführers.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Wie allgemein anerkannt ist, besteht zwischen dem Vergehen der Fundunterschlagung (Art. 141 StGB) und der Übertretung des Nichtanzeigens eines Fundes (Art. 332 StGB) Gesetzeskonkurrenz im Sinne der Subsidiarität. Wird ein Finder wegen jenes Vergehens bestraft, so kommt somit eine Verurteilung wegen dieser Übertretung ![]() | 7 |
2. War somit bei Verneinung einer Fundunterschlagung zunächst offen, ob immerhin eine Übertretung im Sinne von Art. 332 StGB begangen worden sei, so hat die Vorinstanz nun aber übersehen, dass nur die vorsätzliche Unterlassung der Fundanzeige bestraft wird (vgl. THORMANN/OVERBECK, N. 4, und LOGOZ, N. 2 zu Art. 332 StGB). Dieser Vorsatz muss den Tatbestand der Nichtanzeige eines Fundes im Sinne von Art. 720 Abs. 2 und Art. 725 Abs. 1 ZGB umfassen. Er ist nicht gegeben, wenn der Beschuldigte vermeintlich keine "verlorene" Sache vor sich hat (was dem Begriff des Fundes nach ZGB wesentlich ist, wie aus Art. 720 Abs. 1 hervorgeht; die den Bestimmungen über den Fund unterstellte "Zuführung" nach Art. 725 Abs. 1 ZGB fällt hier ausser Betracht). Verloren ist aber eine Sache nur, wenn sich der Eigentümer des Gewahrsams nicht entäussert hat in der Absicht, sein Eigentum aufzugeben (vgl. die Erläuterungen zum VE des ZGB, S. 122/23 der 2. Ausgabe: "Als verloren hat jemand eine gefundene Sache zu betrachten, wenn er vernünftigerweise annehmen muss, dass sie einen Eigentümer habe und nicht mit Absicht weggeworfen worden sei"; BGE 59 II 143). Nach Feststellung der Vorinstanz, die eine - innere - Tatsache betrifft und für das Bundesgericht verbindlich ist, hat nun der Beschwerdeführer gerade das angenommen, was das Vorliegen einer verlorenen Sache ausschliesst: der Jutesack samt Inhalt sei von Hunziker absichtlich vor dem Hause stehen gelassen und für die Kehrichtabfuhr bereitgestellt worden. Da er die behändigten Sachen nicht als verlorene (fremde), sondern als vom bisherigen Eigentümer aufgegebene (und damit herrenlos ![]() | 8 |
Ungeprüft kann bleiben, ob sich der Beschwerdeführer trotz gutgläubiger Aneignung der Sachen erst nachträglich in strafbarer Weise gegen die Anzeigepflicht nach Art. 720 Abs. 2 ZGB vergangen haben könnte, dann nämlich, wenn er nach Kenntnis des wahren Sachverhaltes absichtlich keine Anzeige erstattet hätte. Beim tatsächlichen Ablauf der Ereignisse bestand zu nachträglicher Anzeige keine Veranlassung, da Hunziker auf anderem Wege vom Schicksal des versehentlich zurückgelassenen Schuhwerks erfahren und die Polizei benachrichtigt hatte, worauf er die Sachen denn auch zurückerhielt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Amtsgerichts Luzern-Stadt vom 30. April 1959, soweit die Verurteilung wegen Nichtanzeigens eines Fundes betreffend, in Haupt- und Kostenpunkt aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Amtsgericht Luzern-Stadt zurückgewiesen.
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