BGE 86 IV 44 | |||
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14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1960 i.S. Yassine gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft. | |
Regeste |
Art. 74 Ziff. 3 ZG. Mittäterschaft. | |
Sachverhalt | |
In der Zeit von August 1952 bis Juni 1954 bestellte Yassine, der sich damals vorwiegend in Zürich aufhielt, in Mailand zu verschiedenen Malen Gold-Sovereigns italienischer Prägung im Betrage von insgesamt Fr. 11'632,685.--. Da die Ausfuhr solcher Goldstücke aus Italien verboten ist, wurden die Münzen unter Umgehung der Zollkontrolle in die Schweiz eingeführt, um daraufhin von Zürich auf dem Luftweg via Amsterdam nach Beirut verfrachtet zu werden. Yassine bezahlte die Goldstücke jeweils in Zürich gegen Vorweisung der Luftfrachtdokumente.
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Am 21. Oktober 1957 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Yassine in Anwendung von Art. 74 Ziff. 1 und 3, Art. 76 Ziff. 1 und 2 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer und Art. 41 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Luxussteuer in eine Busse von Fr. 581'634.25, welchen Entscheid das Bezirksgericht Zürich am 5. Juni 1959 bestätigte.
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Das Obergericht des Kantons Zürich fand dagegen Yassine am 22. Oktober 1959 lediglich der Widerhandlung gegen Art. 74 Ziff. 1 und Art. 76 Ziff. 1 ZG schuldig, sprach ihn in den übrigen Anklagepunkten frei und setzte die Busse auf Fr. 465'307.40 herab.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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2. Steht nach dem Gesagten fest, dass zollpflichtige Waren ohne Anmeldung in die Schweiz eingeführt wurden, dann ist weiter zu prüfen, ob Yassine für diese Unterlassung strafbar sei. Die erste Instanz hat seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Auftraggeber bejaht, das Obergericht dagegen hat sie verneint.
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Das Gesetz erwähnt den Auftraggeber in den Art. 9 Abs. 1 und 100 Abs. 1, ohne indessen den Begriff näher zu umschreiben. In Lehre und Rechtsprechung ist die Frage, ob dabei vom zivilrechtlichen Auftrag auszugehen sei, oder ob eine sonstige vertragliche Bindung zwischen Täter und "Auftraggeber" oder gar, wie die Zollrekurskommission annimmt, schon eine bloss tatsächliche Veranlassung von Seiten des letzteren genüge, kontrovers (vgl. hiezuBGE 62 I 30; die Botschaft des Bundesrates in BBl 1924 I S. 52; ferner BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweiz. Zollrechtes, S. 18 und Festgabe für Fleiner (1927), S. 6; SPITZ, Das schweiz. Zollstrafrecht, S. 49 Anm. 56; VOLKEN, Die Zollmeldepflicht nach schweiz. Recht, S. 35, 39). Sie braucht im vorliegenden Fall sowenig entschieden zu werden wie die andere Frage, ob der Auftraggeber, der die Waren nicht selber über die Grenze bringt (vgl. Art. 9 Abs. 1 ZG), überhaupt wegen Widerhandlung gegen Art. 74 Ziff. 3 ZG bestraft werden könne. Denn selbst wenn letzteres mit der herrschenden Lehre, die eine direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit des Auftraggebers für die Verletzung der Meldepflicht ablehnt (BLUMENSTEIN, Zollrecht S. 18 f. und Festgabe für Fleiner S. 6 f.; SPITZ, a.a.O. S. 50; VOLKEN, a.a.O. S. 39/40; NEUENSCHWANDER, Zollpflicht, Zollschuld und Zollhaftung nach schweiz. Recht, S. 61), zu verneinen wäre, so müsste der vorinstanzliche Freispruch in diesem Punkte deswegen aufgehoben werden, weil sich Yassine in jedem Fall als Mittäter der Zollübertretung nach Art. 74 Ziff. 3 ZG schuldig gemacht hat.
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a) Das Obergericht hält dafür, dass Yassine nicht in der Lage gewesen sei, die Goldstücke zu deklarieren, weil er die Waren nicht selber eingeführt habe. Er könne daher logischerweise bei der Unterlassung der Meldepflicht auch nicht Mittäter sein. Diese Betrachtungsweise wäre zutreffend, wenn die Unterlassung der Meldepflicht als eigenhändiges Delikt anzusprechen wäre oder wenn es sich bei der Übertretung des Art. 74 Ziff. 3 ZG um ein Sonderdelikt handelte und dessen Natur eine Teilnahme des nicht qualifizierten Dritten als Mittäter ausschlösse. Dafür, dass der Tatbestand eine eigenhändige Ausführung der strafbaren Handlung, einen persönlichen Akt zum rechtlichen Erfolg erforderte, liegt nichts vor. Was aber die schon hinsichtlich der Begriffsumschreibung umstrittene Frage des Sonderdeliktes anbelangt (vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Lehrmeinungen bei PIOTET, La participation aux délits spéciaux, S. 7 ff.; betreffend die Rechtsnatur von Zollvergehen KIRCHHOFER in ZStR 48 S. 152, ferner die Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen 62 S. 321, 65 S. 409), so kann sie deswegen offen bleiben, weil auch bei positiver Beantwortung Art. 74 Ziff. 3 ZG seiner Natur nach der Verurteilung des nicht qualifizierten Aussenstehenden als Mittäter nicht entgegenstände.
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Nach seinem Wortlaut ist Art. 74 Ziff. 3 ZG nicht auf einen bestimmt begrenzten Täterkreis angelegt, so dass unter diesem Gesichtspunkte gegen eine strafrechtliche Erfassung des die Waren nicht selber über die Grenze führenden Dritten als Mittäter nichts einzuwenden wäre. Diese erscheint gegenteils durch den Hauptzweck des Zollstrafrechtes geboten. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, dient die Strafe im Zollrecht nicht so sehr der Sühne für die Tat und der Besserung des Täters, als vielmehr der Behebung des fiskalischen Verlustes und dem Schutz der Allgemeinheit (BGE 72 IV 190,BGE 76 IV 296). Daraus erklären sich denn auch verschiedene Vorschriften des Zollgesetzes, so Art. 75 Abs. 3 bezüglich der Schuldvermutung und noch deutlicher Art. 99 Abs. 1, der gestattet, mehrere gemeinsam mit solidarischer Haftung zu büssen. Auf derselben Erwägung gründen ferner Art. 100 Abs. 1, der den Dienstherrn solidarisch haftbar erklärt für die seinen Angestellten auferlegten Bussen, wenn er die nötige Vorsicht nicht beobachtete, und Art. 77 Abs. 1, der eine dem Wert der einzuziehenden Waren oder Gegenstände gleichkommende Busse vorsieht, wenn die Beschlagnahme unmöglich ist (BGE 72 IV 191). Könnte in Fällen wie dem vorliegenden der die Sondereigenschaft nicht besitzende Aussenstehende bei Zollübertretungen nicht als Mittäter bestraft werden, dann würde nicht selten die Erreichung des vom Gesetzgeber gesetzten Zieles vereitelt, indem gerade der hauptverantwortliche Hintermann, der an der Wareneinfuhr nicht unmittelbar teilnimmt, straflos bliebe. Dieser entginge nicht nur als Mittäter wie als mittelbarer Täter einer Bestrafung, sondern er könnte auch als Anstifter oder Gehilfe dann nicht verfolgt werden, wenn er sich eines Mittelmannes bediente, der bereits zur Tat entschlossen war (BGE 69 205,BGE 72 IV 100, BGE 81 IV 148) oder ohne seinen Beistand gehandelt hat. Strafbar wäre diesfalls allein der Warenführer, dessen Rolle im Rahmen einer Schmugglerorganisation in der Regel eine bloss untergeordnete ist. Diese vom Gesetzgeber zweifellos nicht gewollte Folge lässt sich nur vermeiden, wenn man - immer unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Zollübertretung des Art. 74 Ziff. 3 ZG überhaupt um ein Sonderdelikt handelt - die strafrechtliche Verantwortlichkeit des die Sondereigenschaft nicht besitzenden Hintermanns als Mittäter bejaht. Dabei bleibt dahingestellt, ob bei Sonderdelikten nicht fiskalischer Bundesgesetze eine Mittäterschaft des nicht qualifizierten Dritten ebenfalls möglich sei.
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b) Nach dem angefochtenen Urteil war es Yassine, der die unechten Gold-Sovereigns in Mailand bestellte. Ob er dabei als Selbstkäufer oder als blosser Vermittler auftrat, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. So oder anders war er jedenfalls der sich im Hintergrund haltende Drahtzieher der illegalen Einfuhren, der nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste, dass seine Bestellungen nur unter Umgehung des Schweizerzolls ausgeführt werden konnten und der bei der weitern Abwicklung des Geschäftes diesseits der Grenze eine äusserst aktive Rolle spielte. So bekümmerte er sich jeweils bald nach dem ihm offenbar gemeldeten Abgang der Goldstücke in Italien um deren Ankunft in Zürich sowie um ihre Weiterverfrachtung nach dem Libanon und beschwerte sich bei nicht rechtzeitigem Eintreffen der Sendungen in Beirut bei der mit dem Transport beauftragten Luftfahrtgesellschaft. Dementsprechend erscheint er denn auch auf einem Frachtbrief und auf einer Ausfuhrdeklaration als Absender. Dazu kommt, dass alle Sendungen, von denen einzelne für ihn selber bestimmt waren, von ihm bezahlt wurden und dass die illegalen Transaktionen ihm erhebliche Gewinne einbrachten.
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Diese Feststellungen binden den Kassationshof (Art. 277bis Abs. 1 BStP) und können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP), auch nicht mit der Behauptung, sie seien aktenwidrig (BGE 76 IV 63, 132; BGE 81 IV 49). Es kann infolgedessen dahingestellt bleiben, ob, wie Yassine behauptet, die illegal aus Italien ausgeführten Goldstücke auf gesetzlichem Wege in die Schweiz hätten eingeführt werden können. Jedenfalls war eine zollfreie Einfuhr solcher Münzen vor dem 25. Juni 1953 nicht möglich, da die Oberzolldirektion erst in diesem Zeitpunkte deren Einreihung unter die Tarifposition 869 d verfügte. Dass aber bei dem verbindlich festgestellten Sachverhalt Yassine als Mittäter an den Zollübertretungen teilgenommen hat, unterliegt keinem Zweifel. Er hat durch seine Bestellungen, von denen er wusste, dass sie nur unter Umgehung des Schweizerzolls ausgeführt werden konnten, die illegalen Einfuhren willentlich veranlasst und dadurch am Entschluss, aus dem die strafbaren Handlungen hervorgingen, in einem Masse mitgewirkt, das ihn als einen Hauptbeteiligten erscheinen lässt. Dass er bei den verbotenen Goldtransporten über die Schweizergrenze nicht persönlich dabei war, vermag ihn nicht zu entlasten. Eine Teilnahme an der Ausführung der strafbaren Handlungen selber ist nach der von der Rechtsprechung stets angewandten subjektiven Theorie zur Annahme einer Mittäterschaft nicht erforderlich (BGE 69 IV 97,BGE 70 IV 102,BGE 76 IV 106,BGE 77 IV 91, BGE 85 IV 133 /134 und insbesondere BGE 80 IV 265). Yassine ist daher wegen Übertretung von Art. 74 Ziff. 3 ZG zu bestrafen.
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