BGE 86 IV 86 | |||
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24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juli 1960 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Widmer. | |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB. |
2. Ist ein besonders leichter Fall i.S. von Art. 251 Ziff. 3 StGB stets auch ein solcher i.S. von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB? (Erw. 2 b). |
3. Liegt ein besonders leichter Fall i.S. von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB immer dann vor, wenn der Vollzug der durch die neue Tat verwirkten Strafe bedingt aufgeschoben wird? (Erw. 2 c). | |
Sachverhalt | |
A.- a) Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Widmer am 11. April 1956 wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten (Art. 217 Abs. 1 StGB) und fahrlässiger Körperverletzung (Art. 125 Abs. 1 StGB) zu drei Monaten Gefängnis, schob den Vollzug der Strafe bedingt auf und setzte den Verurteilten für vier Jahre auf Probe.
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b) Seit Juli 1955 vertrieb Widmer als Handelsreisender der Maschinenfabrik X. von dieser hergestellte Küchenmaschinen. Für jede von ihm vermittelte Bestellung einer solchen Maschine hatte er eine Provision von Fr. 163.10 zugut, wovon ihm Fr. 153.10 unmittelbar nach Eingang der Bestellung ausbezahlt wurden; die restlichen Fr. 10.- wurden zurückbehalten, bis er nach erfolgter Lieferung der Maschine den Käufer über deren Handhabung erneut instruiert hatte, worüber er sich durch eine vom Käufer unterzeichnete "Instruktionsquittung" auszuweisen hatte.
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Widmer verkauft im Frühling 1957 Tschumper und Grütter je eine Küchenmaschine. In beiden Fällen unterliess er es, im Anschluss an die Belieferung der Käufer diese in die Handhabung der Maschine einzuführen. Dennoch veranlasste er die Firma X., ihm den Provisions-Rückbehalt von je Fr. 10.- auszubezahlen, indem er ihr "Instruktionsquittungen" vorwies, die er selber mit "Tschumper" bzw. "Frau Grütter" unterzeichnet hatte.
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Das Obergericht des Kantons Solothurn erklärte ihn deswegen am 28. August 1958 des wiederholten Betruges und der wiederholten Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu acht Tagen Gefängnis und Fr. 50.- Busse. Mit Bezug auf die Urkundenfälschungen nahm das Gericht an, dass es sich um besonders leichte Fälle im Sinne von Ziff. 3 des Art. 251 StGB handle.
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Am 24. Juli 1959 hob das Obergericht des Kantons Zürich diesen Beschluss auf. Es würdigte den Fall als besonders leicht, sah daher gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB von der Anordnung des Strafvollzuges ab und verlängerte statt dessen die am 11. April 1956 angesetzte Probezeit um zwei Jahre.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt gegen den Entscheid vom 24. Juli 1959 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, er sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, den Vollzug der am 11. April 1956 ausgefällten Gefängnisstrafe anzuordnen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Es ist jedoch fraglich, ob an dieser Rechtsprechung, soweit sie auch Fälle, die mit sehr kurzen Gefängnisstrafen geahndet werden, zum vorneherein von der Anwendung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB ausschliesst, festzuhalten sei. Wohl hat sie den Vorteil, dass sie auf ein einfaches Unterscheidungsmerkmal abstellt und dennoch höchstens in seltenen Ausnahmefällen zu unbefriedigenden oder gar stossenden Ergebnissen führt; denn in den weitaus meisten Fällen kann ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen, das mit einer, wenn auch kurzen Gefängnisstrafe gesühnt wird, nicht als Bagatellfall angesehen werden.
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Die Auffassung, dass der Gesetzgeber gerade auch diesen Ausnahmefällen habe Rechnung tragen wollen, erscheint indessen keineswegs von vorneherein als unbegründet. Für sie spricht vielmehr, dass der Wortlaut der Bestimmung eine derart starre Abgrenzung, wie sie die bisherige Rechtsprechung trifft, nicht enthält, obwohl sie mit wenigen Worten hätte umschrieben werden können, sondern durch die Wendung "in besonders leichten Fällen" den Richter verpflichtet, in jedem einzelnen Fall frei zu prüfen, ob es sich um einen solchen handle oder nicht. Damit verträgt sich die durch die Rechtsprechung aufgestellte Regel, dass die Anwendung des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB auf Fälle, die mit Haftstrafe (bis zu drei Monaten) gesühnt werden, an sich stets in Frage komme, dagegen in Fällen, die mit wenigen Tagen Gefängnis geahndet werden, von vorneherein ausgeschlossen sei, kaum. Freilich wird der Richter nach dem Sinn dieser Bestimmung von seinem Ermessen in der Regel einen sachgemässen Gebrauch machen, wenn er Fälle, für die eine, wenn auch nur kurze Gefängnisstrafe ausgefällt wurde, nicht mehr als besonders leichte behandelt; denn aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich klar, dass nur Bagatellfälle nicht den Widerruf des bedingten Strafvollzuges nach sich ziehen sollen (vgl. die Hinweise in BGE 78 IV 10 f.). Allein damit scheint nicht ausgeschlossen zu sein, dass ausnahmsweise, nach den besonderen Umständen, auch eine mit Gefängnis bestrafte Tat diese Voraussetzung soll erfüllen können. Fahrlässig verübte Vergehen, die mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden, haben ja nach Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB auch nicht ohne weiteres den Widerruf des bedingten Strafvollzuges zur Folge, sondern sind nur unter dem Gesichtspunkte der Täuschung des richterlichen Vertrauens zu würdigen. Es läge daher durchaus nahe, dass die ausgefällte Gefängnisstrafe gleicherweise die Frage des besonders leichten Falles nach Abs. 2 auch bei vorsätzlichen Delikten nicht automatisch entscheide, sondern einer näheren Würdigung nach den besondern Umständen Raum lasse.
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b) Auch wenn man an der bisherigen Rechtsprechung nicht strikte festhalten wollte, könnte sie jedoch niemals so weitgehend gelockert werden, dass - wie die Vorinstanz annimmt - als Regel zu gelten hätte, eine Urkundenfälschung stelle immer dann einen besonders leichten Fall im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB dar, wenn der Täter nach Art. 251 Ziff. 3 StGB verurteilt wird. Nach dieser Bestimmung kann ein besonders leichter Fall der Urkundenfälschung mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden (Art. 36 Ziff. 1 StGB). Bei Taten, die mit Gefängnisstrafe von einigen Wochen oder Monaten oder gar mit zwei oder drei Jahren gesühnt werden, kann jedoch schlechterdings nie von Bagatellfällen gesprochen werden, auf die Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB zugeschnitten werden wollte. Schon wenn die für eine Tat ausgesprochene Gefängnisstrafe eine Woche überschreitet, dürfte die Annahme eines besonders leichten Falles jedenfalls nur beim Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände in Betracht gezogen werden können.
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c) Ebenso unhaltbar ist die Auffassung, dass ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB immer dann vorliege, wenn der Vollzug der durch die neue Tat verwirkten Strafe bedingt aufgeschoben wird. Da der bedingte Vollzug für Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr gewährt werden kann (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB), müsste, wenn man jener Auffassung folgen wollte, Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB auf Fälle, die mit mehrmonatiger Gefängnisstrafe gesühnt werden, Anwendung finden. Das widerspräche offensichtlich der Absicht des Gesetzgebers, über die sich der Richter - unter hier nicht zutreffenden Vorbehalten (BGE 83 IV 128) - nicht hinwegsetzen kann.
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Widmer hat während der Probezeit zweimal je Fr. 10.- ertrogen. Das sind nach dem Deliktsbetrag an sich geringfügige Betrüge. Um sie zu begehen, hat er indessen Urkunden gefälscht, indem er die "Instruktionsquittungen" mit falschen Unterschriften versah, um den Anschein zu erwecken, die mit der Unterschrift bezeichnete Person habe unterzeichnet. Nachdem diese raffinierten Machenschaften ein erstes Mal gelungen waren, bediente er sich ihrer wenige Wochen später ein zweites Mal, um in den Besitz des Provisionsrückbehaltes von Fr. 10.- zu gelangen. Die Hemmungslosigkeit, mit der Widmer, obwohl ihm gegenüber schon früher zweimal wegen Nichtbewährung während der Probezeit der bedingte Strafvollzug hatte widerrufen werden müssen und er durch die Verbüssung von fünf Gefängnisstrafen eindringlich gewarnt worden war, sich um eines geringen ungerechtfertigten Vorteils willen wiederholt über die Rechtsordnung hinwegsetzte, und die Mittel, deren er sich zur Erlangung dieser Vorteile bediente, erhöhen sein Verschulden in einem Masse, dass sich seine neuen Taten auch dann, wenn an der oben angeführten Rechtsprechung nicht strikte festgehalten würde, von den besonders leichten Fällen des Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB abheben. Widmer hat durch seinen zweifachen Rückfall ins Verbrechen und Vergehen das Vertrauen, das am 11. April 1956 auf ihn gesetzt wurde, umsomehr getäuscht, als er die neuen Taten schon knapp ein Jahr nach Beginn der vierjährigen Bewährungsprobe beging.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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