BGE 86 IV 115 | |||
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31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. April 1960 i.S. Boss gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 46 Abs. 1 und 3 MFV. | |
Sachverhalt | |
A.- Am Nachmittag des 20. Mai 1959 fuhr ein schwerer Lastwagen mit Anhänger, dem ein Möbelauto und hinter diesem noch 3-4 Personenwagen folgten, auf der Durchgangsstrasse von Wohlen Richtung Lenzburg. Der Führer des Lastenzuges beabsichtigte, auf der geraden und übersichtlichen Strecke nach links in die nach Ammerswil führende Verbindungsstrasse abzubiegen. Er kündigte sein Vorhaben etwa 150 m vor der Abzweigung durch Blinklichter und Richtunganzeiger an und setzte zugleich seine Geschwindigkeit auf 15-20 km/Std. herab, was bewirkte, dass die nachfolgenden Fahrzeuge die Fahrt ebenfalls verlangsamten und sich eine aufgeschlossene Kolonne bildete. Kurz nachdem zwei von Lenzburg entgegenkommende Autos den Lastenzug gekreuzt hatten, schwenkte dieser nach links ab. Im gleichen Augenblick holte Boss mit seinem rasch fahrenden Personenwagen die Autokolonne ein, die er, ohne die Geschwindigkeit herabzusetzen, in einem Zug zu überholen begann. Obschon er nach der Wahrnehmung des abbiegenden Lastenzuges soweit als möglich nach links hielt und bremste, konnte er nicht mehr vermeiden, dass sein Fahrzeug mit dem hintern Teil des Lastwagens auf dessen linker Längsseite zusammenstiess, so dass erheblicher Sachschaden entstand und die beiden Insassen des Personenwagens leichte Verletzungen erlitten.
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Boss machte geltend, er habe vor dem Überholen weder die durch den Möbelwagen verdeckten Richtungsanzeiger des ganz rechts fahrenden Lastenzuges, noch die Abzweigung sehen können, die wegen des hohen Grases nicht erkennbar und auf der linken Strassenseite auch nicht durch einen Wegweiser markiert gewesen sei; ebensowenig habe er festgestellt, dass die ganze Kolonne die Geschwindigkeit verlangsamt hatte. Die Strasse sei für ihn daher frei und übersichtlich gewesen.
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B.- Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte Boss am 29. Oktober 1959 wegen Übertretung von Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 3 MFG zu einer bei Bewährung vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 30.-.
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Das Obergericht des Kantons Aargau nahm in seinem Urteil vom 31. Dezember 1959 eine Übertretung von Art. 26 Abs. 3 MFG nicht an, bestätigte aber die ausgefällte Busse wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 3 MFV und damit subsidiär auch von Art. 25 Abs. 1 MFG.
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C.- Gegen dieses Urteil führt Boss Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
(1. - Ausführungen darüber, dass der Überholende das Verbot des Überholens an Strassenkreuzungen und Einmündungen nur dann objektiv nicht verletzt und gegenüber dem nach links Abbiegenden vortrittsberechtigt ist, wenn dieser an einer Stelle abschwenkt, die nicht als Strassenkreuzung oder Einmündung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG gilt (vgl. dazu BGE 84 IV 33, 109 Erw. 1, 169 Erw. 1; BGE 85 IV 38 Erw. 1), nicht schon dann, wenn der Überholende, wie die Vorinstanz annimt, die Abzweigung bloss nicht sehen konnte; im letztern Falle fällt nicht das Überholverbot als solches dahin, sondern es fehlt einzig am Verschulden; wie es sich bei dem nicht abgeklärten Verhältnis zwischen Ammerswilerstrasse und Hauptstrasse verhielt, konnte aus den nachfolgenden Erwägungen offen bleiben.)
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2. Nach Art. 46 Abs. 1 MFV darf auf jeden Fall nur überholt werden, wenn die dazu erforderliche Strassenstrecke frei und übersichtlich ist. Frei ist sie aber nicht, wenn nach der Verkehrslage mit der nahen Möglichkeit gerechnet werden muss, dass während des Überholens ein Hindernis in die Fahrbahn treten, das Manöver also nicht gefahrlos zu Ende geführt werden könne. Mit dieser Möglichkeit hatte der Beschwerdeführer zu rechnen. Wenn die Führer der drei oder vier Personenwagen auf der geraden und übersichtlichen Strecke auf den Lastenzug und den Möbelwagen, die sich mit einer Geschwindigkeit von höchstens 20 km/Std. fortbewegten, aufgeschlossen hatten, ohne selber das Überholen zu versuchen, so hatten sie hiezu offensichtlich einen besonderen Grund, der vor allem darin bestehen konnte, dass die Kolonne entweder einem auf der rechten Strassenseite befindlichen Hindernis nach links ausweichen musste oder dass der Führer eines der beiden ersten Fahrzeuge die Absicht angekündigt hatte, nach links abzubiegen. Um das zu erkennen, bedurfte es keiner Hellseherei, wie der Beschwerdeführer geltend macht, sondern einfacher, pflichtgemässer Überlegung. Freilich ist nicht zu bestreiten, dass es immer wieder Motorfahrzeugführer gibt, die zwei hintereinander fahrende Grosswagen nicht zu überholen wagen und damit zur Bildung einer Autokolonne Anlass geben. Auch wenn man diese Erfahrungstatsache berücksichtigt, so durfte jedoch der Beschwerdeführer die andere, mindestens ebenso nahe liegende Möglichkeit nicht ausser acht lassen, dass die Stauung auf ein drohendes Hindernis in der Überholungsstrecke zurückzuführen sei. Unter diesen Umständen gebot die Vorsicht, das Überholen der Kolonne solange nicht durchzuführen, als die Lage nicht abgeklärt war.
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Selbst wenn man von den erwähnten Besonderheiten absieht, die auf ein bevorstehendes Hindernis hinwiesen, so war es aber auch unvorsichtig, mit einer Geschwindigkeit, die nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers gegen 100 km/Std. oder sogar mehr betrug, die ganze Kolonne in einem Zug zu überholen. Bei so hohen Geschwindigkeiten ist es dem Überholenden nicht mehr möglich, ausser der gesamten Verkehrssituation auch noch das Verhalten jedes einzelnen der nacheinander zu überholenden Kolonnenfahrer zu überblicken und der zu gewärtigenden Gefahr, dass ein Fahrzeug der Kolonne zum Überholen nach links ausbiegt, wirksam begegnen zu können. Wollte der Beschwerdeführer das Überholungsmanöver schon in Angriff nehmen, so musste er jedenfalls die Geschwindigkeit so bemessen, dass sie ihm erlaubte, sich nötigenfalls wieder zurückfallen zu lassen und hinter den letzten Wagen oder in eine Lücke einzubiegen. Wäre er dieser Vorsichtspflicht nachgekommen, so hätte er nicht nur rechtzeitig die auffallend geringe Geschwindigkeit der Kolonne festgestellt, sondern auch das Abbiegen des Lastenzuges und schon vorher dessen Blinklichter und Richtungsanzeiger frühzeitig genug bemerkt, um das begonnene Manöver abbrechen zu können.
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Die Vorinstanz hat demzufolge den Beschwerdeführer mit Recht der Übertretung von Art. 46 Abs. 3 MFV schuldig erklärt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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