BGE 86 IV 136 | |||
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35. Entscheid der Anklagekammer vom 29. Juli 1960 i.S. Untersuchungsrichteramt A. gegen Eidg. Finanz- und Zolldepartement. | |
Regeste |
1. Art. 352 ff. StGB; Rechtshilfe. |
2. Art. 28 BtG; Zeugnispflicht der Bundesbeamten. |
Ermächtigung des Beamten zur Zeugenaussage und Aktenvorlage. Wovon hängt es ab, ob die Ermächtigung zu erteilen ist oder verweigert werden darf? (Erw. 2-4). | |
Sachverhalt | |
A.- Das Untersuchungsrichteramt A. führt gegen Frau X. eine Strafuntersuchung wegen falschen Zeugnisses. Die Beschuldigte war am 4. Februar 1960 in einem beim Bezirksgericht B. hängigen Zivilrechtsstreite des Y. gegen Z. als Zeugin darüber befragt worden, ob sie von einer eidgenössischen Amtsstelle den Auftrag erhalten und angenommen habe, bestimmte Vorgänge zu beobachten und die Wahrnehmungen zu melden. Daraufhin hatte sie geantwortet, einen solchen Auftrag habe sie nicht erhalten; sie habe über jene Vorgänge indessen gelegentlich Aufzeichnungen gemacht; zu welchem Zwecke sie es getan habe, wisse sie nicht. Da Z. diese Aussagen, die durch Handgelübde bekräftigt wurden, für falsch hält, verzeigte er Frau X. beim Untersuchungsrichteramt A. wegen falschen Zeugnisses.
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Ein Gesuch des Anzeigers, den Beamten des Zollfahndungsdienstes W. zu ermächtigen, als Zeuge im Strafverfahren gegen Frau X. auszusagen, wurde von der Eidgenössischen Oberzolldirektion am 14. März 1960 abgewiesen. Einer trotzdem ergangenen Vorladung auf den 22. April 1960 vor den Untersuchungsrichter von A. leistete W. zwar Folge; er verweigerte aber die Aussage unter Berufung auf das Beamtengesetz, das ihm nicht gestatte, ohne Bewilligung der Oberzolldirektion in einem Strafverfahren als Zeuge auszusagen.
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Daraufhin wandte sich das Untersuchungsrichteramt A. am 5. Mai 1960 seinerseits an die Oberzolldirektion mit dem Ersuchen, W. die Ermächtigung zur Aussage als Zeuge zu erteilen und ihm zugleich zu erlauben, dem Untersuchungsrichteramt allfällige sachdienliche Urkunden vorzulegen. Der Zeuge hätte darüber Auskunft zu geben, dass er Frau X. und nicht Z. den erwähnten Auftrag erteilt habe, ferner dass sie diesen Auftrag genau ausgeführt habe und dass sie vom Auftraggeber unterrichtet worden sei, der Zweck der Aufzeichnung sei die Abklärung von Verletzungen eidgenössischer Gesetze.
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B.- Das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement, dem die Oberzolldirektion das Gesuch zum Entscheid unterbreitete, wies es am 14. Juni 1960 ab.
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C.- Das Untersuchungsrichteramt A. stellt mit Eingabe vom 30. Juni 1960, die es als Beschwerde gegen das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement bezeichnet, bei der Anklagekammer des Bundesgerichtes das Gesuch, die Oberzolldirektion sei anzuweisen, W. die Ermächtigung zu erteilen, im Strafverfahren gegen Frau X. als Zeuge auszusagen und gleichzeitig sachdienliche Urkunden zu edieren.
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D.- Das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
1. a) Das Untersuchungsrichteramt A. bemerkt in seiner Eingabe, es reiche gleichzeitig eine Verwaltungsbeschwerde nach Art. 124 ff. OG beim Bundesrat ein, da es möglich sei, dass das Bundesgericht die Ablehnung des Gesuches vom 5. Mai 1960 durch das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement nicht als Verweigerung der Rechtshilfe ansehe. Diese Bemerkung ist, wie aus dem Hinweis auf den in Art. 96 Abs. 2 OG vorgesehenen Meinungsaustausch über die Zuständigkeitsfrage erhellt, dahin zu verstehen, die Verwaltungsbeschwerde werde lediglich für den Fall erhoben, dass das Bundesgericht die Voraussetzungen zur Anwendung des Art. 357 StGB als nicht gegeben erachten und demgemäss auf das bei ihm gestellte Gesuch nicht eintreten werde.
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b) Es kann jedoch kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich beim Konflikt, der Gegenstand des vorliegenden Gesuches bildet, um einen solchen über Rechtshilfe handelt, das Bundesgericht somit gemäss Art. 357 StGB zur Entscheidung zuständig ist. Nach Art. 352 Abs. 1 StGB sind in Strafsachen, auf welche das Strafgesetzbuch anwendbar ist, nicht nur die Kantone unter sich, sondern auch der Bund und die Kantone gegenseitig zur Rechtshilfe verpflichtet. Rechtshilfe im Sinne dieser Vorschrift ist jede Massnahme, um die eine Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit in einer hängigen Strafverfolgung für die Zwecke dieser Verfolgung ersucht wird (BGE 79 IV 182). Dazu gehört, wie die Fahndung und jede weitere Ermittlungs- oder Untersuchungshandlung, auch die von der Strafverfolgungsbehörde zuständigenorts nachgesuchte Ermächtigung des Beamten zur Zeugenaussage und zur Herausgabe von Amtsakten. Zwar ist diese Ermächtigung an sich kein Akt der Strafverfolgung. Von ihr hängt jedoch ab, ob zum Zwecke einer hängigen Verfolgung die Grundsätze der Zeugnis- und Herausgabepflicht auch gegenüber einem Beamten durchgesetzt werden können. Die Ermächtigung dient somit unmittelbar der Strafverfolgung. Wird sie, wie das hier zutrifft, wegen einer Tat eingeholt, auf die das StGB Anwendung findet, so handelt es sich demnach bei der Ermächtigung des Beamten zur Zeugenaussage und zur Herausgabe von amtlichen Akten um Rechtshilfe im Sinne von Art. 352 ff. StGB.
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c) Nach Art. 353 Abs. 1 StGB findet der Verkehr in Rechtshilfesachen unmittelbar von Behörde zu Behörde statt. Daher kann das Bundesgericht zum Entscheid darüber, ob eine Bundesbehörde gegenüber einer kantonalen Amtsstelle zur Rechtshilfe verpflichtet sei, schon im Anschluss an die Weigerung der ersuchten Bundesbehörde jederzeit ohne Bindung an eine Frist angerufen werden (BGE 79 IV 182). Auf das vorliegende Gesuch ist somit, nachdem das dafür zuständige Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement die verlangte Rechtshilfe abgelehnt hat, einzutreten.
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b) Nach Art. 28 des Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten (BtG) darf sich der Beamte als Partei, Zeuge oder gerichtlicher Sachverständiger über Wahrnehmungen, die er kraft seines Amtes oder in Ausübung seines Dienstes gemacht hat und die sich auf seine dienstlichen Obliegenheiten beziehen, nur äussern, wenn ihn die zuständige Amtsstelle dazu ermächtigt hat. Der Bundesrat stellt die Grundsätze auf, nach welchen die zuständige Amtsstelle die Ermächtigung zu erteilen oder zu verweigern hat. Er bezeichnet auch die für die Entscheidung zuständigen Amtsstellen und ordnet das Verfahren. Das Gesetz überträgt somit die Entscheidung, ob ein Beamter zur Zeugenaussage zu ermächtigen sei, den Verwaltungsbehörden. Dabei sind diese jedoch nicht frei, sondern an die Vorschrift gebunden, dass die Ermächtigung nur verweigert werden dürfe, wenn die allgemeinen Landesinteressen es verlangen oder wenn die Ermächtigung die Verwaltung in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen würde (Art. 28 Abs. 3 a.E. BtG).
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Es liegt auf der Hand und ist übrigens auch unbestritten, dass die allgemeinen Landesinteressen durch die Gewährung der nachgesuchten Rechtshilfe nicht verletzt würden. Fragen kann sich daher nur, ob, wie das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement geltend macht, die Ermächtigung zur Zeugenaussage die Verwaltung in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen würde.
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Das Gesetz lässt nicht jede, noch so geringfügige Störung als Rechtfertigungsgrund der Verweigerung genügen, sondern verlangt, dass eine wesentliche Beeinträchtigung zu befürchten sei. Von einer solchen kann vor allem dann gesprochen werden, wenn Amtsgeheimnisse in Frage stehen, auf deren unbedingte Wahrung die Verwaltung angewiesen ist, um ihrer Aufgabe genügen zu können. Ist das der Fall, so kann der Verwaltung nicht verwehrt sein, die Ermächtigung zur Zeugenaussage zu verweigern, und zwar ist sie hiezu befugt, ohne vorerst abklären zu müssen, wie wichtig die Untersuchungssache sei, in der sie um Rechtshilfe angegangen wird, wie sie anderseits beim Fehlen der Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 3 BtG auch in einer Sache von an sich nicht besonders erheblicher Bedeutung die Ermächtigung zur Aussage nicht verweigern darf (vgl. PERRIN, Le secret de fonction, S. 70 f.). Die Entscheidung darüber, ob das Interesse der Verwaltung an der Geheimhaltung oder dasjenige der Justiz an der Offenbarung des Geheimnisses überwiege, hat demnach der Gesetzgeber in dem Sinne vorweggenommen, dass er letzteres vor demjenigen der Verwaltung insoweit zurücktreten lässt, als diese durch eine Preisgabe des Geheimnisses in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beinträchtigt würde. Darnach, und nicht - wie der Gesuchsteller meint - nach der Schwere der Strafen, die auf die Verfehlungen angedroht sind, zu deren Abklärung die Einvernahme des Beamten dienen soll, ist demnach im Einzelfalle zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Ermächtigung des Beamten zur Zeugenaussage gegeben seien oder nicht.
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Dem hält das Untersuchungsrichteramt A. entgegen, die erwähnte Mitwirkung der Frau X. bei der Zollfahndung habe sich auf eine zweitrangige Tätigkeit beschränkt, deren Auswertung Sache der Beamten dieses Dienstzweiges gewesen sei. Eine derart untergeordnete Mithilfe dürfte von Personen, die dazu geeignet und in der Lage seien, auch ohne Zusicherung strengster Diskretion geleistet werden, da man sich durch diese Tätigkeit nicht in Misskredit bringe. Der Auftrag sei übrigens kein Geheimnis geblieben.
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Allein daraus kann, selbst wenn letztere Behauptung zutreffen sollte, nicht einfach abgeleitet werden, die Verwaltung sei unter solchen Umständen verpflichtet, einen Beamten zur Zeugenaussage zu ermächtigen. Vielmehr ist unabhängig davon die Frage zu entscheiden, ob die Entbindung der Beamten von der Pflicht zur Geheimniswahrung die Verwaltung in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen würde. Diese Gefahr liegt jedenfalls beim Zollfahndungsdienst nahe, der im Kampfe gegen den zumeist auf Schleichwegen sich vollziehenden Schmuggel der Sicherung seiner Tätigkeit durch das Amtsgeheimnis nicht entbehren kann (vgl. StenBull StR 1925 S. 250; ferner PERRIN, a.a.O. S. 77).
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Nach der vom Gesuchsteller nicht widerlegten Feststellung des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes ist dieser Dienst namentlich in Gegenden und bei Verhältnissen, wie sie hier offensichtlich zutreffen, weitgehend auf die Mitwirkung von Privatpersonen angewiesen. Ebenso steht fest, dass die Zollverwaltung deren Mitarbeit nur durch die Zusicherung absoluter Diskretion erlangen kann. Dann aber lässt sich die Annahme nicht von der Hand weisen, die in der Ermächtigung zur Zeugenaussage liegende Entbindung vom Amtsgeheimnis würde die Zollverwaltung in der Durchführung ihrer Aufgabe wesentlich beeinträchtigen, auch wenn die Ermächtigung nicht verlangt wird zur Aussage über das Ergebnis der Auswertung von Angaben allfälliger Informatoren durch den Fahndungsdienst, sondern lediglich zur Äusserung darüber, ob eine bestimmte Person beauftragt worden sei, für die Zollverwaltung durch Aufzeichnung und Meldung gewisser Beobachtungen informatorisch tätig zu werden, und welche Instruktionen sie hiebei erhalten habe. Entscheidend ist nicht, dass diese Tätigkeit - losgelöst vom übrigen Dienst - eher als unwichtig erscheint, sondern dass auf sie und ihre Geheimhaltung der Zollfahndungsdienst in erheblichem Masse angewiesen ist, um seiner Aufgabe zu genügen.
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4. Vom Erfordernis der Ermächtigung zur Herausgabe von Amtsakten ist in Art. 28 BtG nicht ausdrücklich die Rede. Allein es versteht sich von selbst, dass im Hinblick auf die Frage der Geheimhaltung oder der Offenbarung des Amtsgeheimnisses nach gleichen Grundsätzen wie bei der Ermächtigung zur Zeugenaussage zu entscheiden ist, ob die Ermächtigung zur Aktenedition zu erteilen sei oder verweigert werden dürfe (vgl. Art. 78 BStP; fernerBGE 71 IV 175; Art. 21 Abs. 4 BO I).
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Aus den gleichen Gründen wie das Gesuch um Ermächtigung zur Zeugenaussage durfte deshalb auch das weitere, damit verbundene Begehren, der als Zeuge angerufene Beamte sei zu ermächtigen, sachdienliche Urkunden zu edieren, abgewiesen werden.
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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