BGE 86 IV 184 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
46. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Juli 1960 i.S. Grendelmeier gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; Irreführung der Rechtspflege. |
2. Die Strafbarkeit der Tat, die Gegenstand der Selbstbeschuldigung bildet, ist Tatbestandsmerkmal des Vergehens des Art. 304, nicht blosse Strafbarkeitsbedingung (Erw. 2). | |
Aus den Erwägungen: | |
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Wer sich fälschlicherweise einer strafbaren Handlung beschuldigt, führt die Behörde auf eine unrichtige Fährte.
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Er veranlasst dadurch Untersuchungsmassnahmen, die nutzlos sind und die Entdeckung und Verfolgung des Schuldigen verzögern oder sogar verhindern können. Dieser Gefährdung der Rechtspflege will Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 begegnen. Die Rechtspflege wird aber dann, wenn der Täter bereits wegen einer andern Strafhandlung verfolgt wird, durch die falsche Selbstbeschuldigung nicht weniger irregeführt und gefährdet, als wenn kein anderes Verfahren gegen ihn im Gange ist. Ein Grund, die beiden Fälle verschieden zu behandeln, besteht daher nicht. Dazu besteht umsoweniger Anlass, als auch Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 eine solche Unterscheidung nicht kennt (BGE 75 IV 179).
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Dabei wird nicht übersehen, dass ein Angeschuldigter, der sich selbst wider besseres Wissen einer strafbaren Handlung bezichtigt, möglicherweise aus mehr oder weniger achtungswerten Beweggründen handelt, wie beispielsweise dann, wenn er darauf ausgeht, durch die falsche Selbstbeschuldigung nahe Angehörige, die aus besonderen Gründen durch eine Strafverfolgung unverhältnismässig hart getroffen würden, zu decken. Da Art. 304 StGB das Vergehen wahlweise mit Gefängnis oder Busse bedroht, ohne dass für die Freiheitsstrafe oder die Geldstrafe ein besonderes Minimum festgesetzt ist, und Ziff. 2 erst noch die Möglichkeit einräumt, in besonders leichten Fällen überhaupt von einer Bestrafung Umgang zu nehmen, hat der Richter es in der Hand achtungswerten Beweggründen des Täters und andern Umständen, die das Verschulden als geringfügig erscheinen lassen, durch Ausfällung einer entsprechend milden Strafe oder sogar durch Strafbefreiung Rechnung zu tragen.
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Gegen die Anwendung des Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB auf Angeschuldigte spricht auch nicht, dass die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes für einen Laien Schwierigkeiten bietet. Die Äusserung falscher rechtlicher Schlussfolgerungen, insbesondere falscher Bezeichnungen von Straftaten gegenüber einer Behörde fällt für sich allein noch nicht unter diese Bestimmung; der Irreführung der Rechtspflege macht sich der Angeschuldigte erst schuldig, wenn er um jene Bezeichnungen zu stützen, wider besseres Wissen falsche Tatsachen behauptet. Wenn es auch verständlich ist, dass er falsche rechtliche Schlussfolgerungen zieht und äussert, so ist es anderseits nicht entschuldbar, wenn er wider besseres Wissen gegenüber den Behörden Tatsachen behauptet, die, wenn sie zuträfen, die Merkmale einer strafbaren Handlung erfüllten.
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2. Die Strafbarkeit der Handlung, deren sich der Täter wider besseres Wissen beschuldigt, ist in Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht blosse Strafbarkeitsbedingung, sondern Tatbestandsmerkmal. So verhielte es sich nur dann nicht, wenn für die rechtliche Missbilligung der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bedeutungslos wäre, ob die Tat, die Gegenstand der Selbstbeschuldigung bildet, strafbar sei oder nicht. Das trifft jedoch nicht zu. Vielmehr verdient der Anzeiger, der sich wider besseres Wissen selbst beschuldigt, bloss insoweit Strafe, als er Tatsachen behauptet, die die Merkmale einer strafbaren Handlung ausmachen, denn dadurch wird die Strafbehörde zu nutzlosen Verfolgungsmassnahmen veranlasst oder von der Nachforschung nach dem Schuldigen abgehalten. Das strafrechtliche Verschulden des Anzeigers hängt somit gerade davon ab, ob die Tat, deren er sich bezichtigt, mit Strafe bedroht ist oder nicht. Ist aber die Strafbarkeit der Tat, die Gegenstand der Selbstbeschuldigung bildet, Tatbestandsmerkmal, so muss sie vom Vorsatz umfasst sein. Der Irreführung der Rechtspflege im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB kann sich daher nur schuldig machen, wer weiss, dass die Tat, deren er sich fälschlicherweise bezichtigt, mit Strafe bedroht ist.
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