BGE 87 IV 73 | |||
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18. Urteil des Kassationshofes vom 14. Juli 1961 i.S. Wiesner gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 204 StGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Im Juni 1959 erschien im Zürcher Verlag "Die Waage", für den Felix Wiesner verantwortlich zeichnet, der ungefähr im Jahre 1634 in China verfasste, dem Dichter Li Yü zugeschriebene Roman "Jou Pu Tuan" in deutscher Übersetzung, die Dr. Franz Kuhn besorgt hatte. Das in 20 Kapitel gegliederte Werk umfasst 577 Seiten und enthält 60 Reproduktionen chinesischer Holzschnitte, die den Text illustrieren. Der Erstauflage von 2000 Exemplaren, die binnen drei Wochen ausverkauft war, folgte kurz darauf eine zweite Auflage in gleicher Höhe.
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Das Erscheinen des Buches veranlasste im August 1959 die schweizerische Bundesanwaltschaft, in Zürich eine Strafuntersuchung gegen den verantwortlichen Verleger wegen unzüchtiger Veröffentlichung (Art. 204 StGB) durchführen zu lassen. Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte am 27. November 1959 das Strafverfahren mangels subjektiven Tatbestandes ein, verfügte dagegen, dass die während der Strafuntersuchung beim Verlag und in zwei Buchbindereien polizeilich beschlagnahmten 1480 Buchexemplare, ferner der in der Buchdruckerei beschlagnahmte Drucksatz und das vom Angeschuldigten zu den Akten gegebene Manuskript der Übersetzung zu vernichten seien.
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B.- Wiesner reichte gegen diese Verfügung, soweit die Beschlagnahmung und Vernichtung des Buchvorrates, des Drucksatzes und des Manuskriptes angeordnet wurde, Rekurs bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich ein.
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C.- Gegen diesen Entscheid führt Wiesner Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichtes mit den Anträgen, die beschlagnahmten Gegenstände seien freizugeben, eventuell sei die Sache zur Ergänzung der Untersuchung, insbesondere zur Einholung eines Gutachtens über den wissenschaftlichen, literarischen und kulturhistorischen Wert des Buches, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass in der Herausgabe des Romans eine unzüchtige Veröffentlichung im Sinne von Art. 204 StGB liege.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Unzüchtig im Sinne des Art. 204 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung, was in nicht leicht zu nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verstösst, gleichgültig, ob der unzüchtige Gegenstand auf den normal empfindenden Menschen geschlechtlich aufreizend wirke oder in ihm bloss Abscheu und Widerwillen errege (BGE 86 IV 19 und dort angeführte Urteile). Wie in dieser Entscheidung festgestellt wurde, gilt das Verbot unzüchtiger Veröffentlichungen ohne Ausnahme. Art. 204 macht keinen Unterschied, ob die Schrift oder das Bild offensichtlich in die Kategorie pornographischer Erzeugnisse gehöre oder ob es sich bei der Darstellung um ein Werk der Kunst oder der Literatur handle. Das Gesetz stellt auch nicht auf die Absichten des Herstellers oder Verbreiters des zu beurteilenden Gegenstandes ab, sondern allein darauf, ob das Dargestellte als solches objektiv geeignet ist, unzüchtig zu wirken. Da es dabei weniger auf Einzelheiten als auf den Gesamteindruck ankommt, den ein Gegenstand beim Betrachter oder Leser hinterlässt, sind die Besonderheiten des Einzelfalles, welche die vom Dargestellten ausgehende Wirkung beeinflussen, zu berücksichtigen, so insbesondere die künstlerische oder literarische Gestaltung des Stoffes und der Personenkreis, dem der Gegenstand zugänglich gemacht wird (BGE 86 IV 20 /21).
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Der Hauptteil des Romans (2.-17. Kapitel) schildert die sexuellen Ausschweifungen, denen sich der Scholar während drei Jahren hingibt. Vorerst wählt er sich die schöne Tochter eines Privatgelehrten zur Ehefrau, die er, nachdem er sie mit Hilfe obszöner Bilder und Texte in die Liebeskünste eingeführt und ihr Verlangen nach immer neuen Bettfreuden geweckt hatte, unter dem Vorwand, vorübergehend sein Studium fortzusetzen, verlässt, um mit andern Landesschönen genussreiche Stunden zu verleben. Der Scholar lässt sich von einem "Edeldieb", der dank einer übernatürlichen Macht unbemerkt in fremde Gemächer einzuschleichen verstand und durch Beobachtung intimer Einzelheiten zahllose Erfahrungen gesammelt hatte, in die Geheimnisse des Liebesspiels einweihen. Er muss sich darüber belehren lassen, dass sein "Werkzeug" nur gerade für den ehelichen Hausgebrauch ausreiche, an Grösse und Stärke aber für einen anspruchsvollen Bettkampf nicht genüge. Um seine Leistungsfähigkeit zu steigern, entschliesst sich der Scholar, sein "Rüstzeug" durch operativen Eingriff verstärken zu lassen. Vorher lässt er es sich nicht nehmen, nochmals mit einem seiner beiden jugendlichen Diener per anum zu verkehren. Nach geglückter Operation, durch die der "unansehnliche Knirps" zu einem "starken Kämpen" verwandelt wurde, macht sich der Jüngling an die Ehefrau eines auf der Geschäftsreise abwesenden Seidenhändlers heran. Diese schickt zur Erprobung seines Könnens am ersten Abend ihre Nachbarin als Stellvertreterin vor und führt ab Mitternacht, von seiner Kraft und Ausdauer überzeugt, den "Bettkampf" selber weiter. So treiben es die beiden während einer Reihe von Nächten, bis der Seidenhändler zurückkehrt, der sich bereit erklärt, seine treulose Gattin gegen Bezahlung einer Geldsumme als Nebenfrau des Scholaren ziehen zu lassen. Der Jüngling verlässt sie aber wieder, als sie schwanger wird, und wendet sich neuen Abenteuern zu. Er erobert eine junge Ehefrau, deren Gatte auswärts weilt. Die neue Geliebte macht ihn mit ihren zwei schönen Basen, ebenfalls junge, verheiratete Frauen, bekannt, und von da an wohnen sie zusammen. Der Scholar darf jede Nacht abwechslungsweise mit einer der drei Schönen verbringen, und später wird, um noch mehr Abwechslung in das erregende Spiel zu bringen, nach jeder Runde eine Nacht eingeschaltet, in der sie das Bett gemeinsam teilen, wobei der Jüngling sich über und zwischen den drei Basen hin und her rollen und wälzen und nach Herzenslust tummeln und vergnügen darf, bald mit der einen, bald mit der andern; hat er die mittlere befriedigt, so beehrt er die Nachbarin zur Rechten, und wenn die genug hat, so besucht er die Nachbarin zur Linken. Währenddessen ist es dem jungen Diener des Scholaren erlaubt, seinen geschlechtlichen Appetit an den Zofen der Basen zu stillen. Als die verwitwete Tante der Basen hinter das ehebrecherische Treiben kommt, beansprucht sie ihrerseits ihren Teil und nimmt den Jüngling für einige Zeit als Beischläfer zu sich. Dabei verschmäht es der Scholar nicht, zwei hübsche Zofen der Dame "als leckere, Appetit anregende Vorspeise" zu geniessen und gelegentlich auch einen "Magister Horn" zum Hilfsdienst heranzuziehen. Schliesslich fordert die Tante die drei Basen zu einem Liebeswettstreit heraus. Bei einem üppigen Mahl hat jede der Damen nach einer festgesetzten Reihenfolge eine Karte zu ziehen, worauf sie vor den Augen der andern in der auf der Karte abgebildeten Stellung mit dem Jüngling geschlechtlich verkehrt. Durch eine List der Basen zieht die Tante eine Karte, auf der der Coitus per anum abgebildet ist; entgegen ihrem Sträuben wird sie verhalten, sich der Prozedur zu unterziehen.
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Nach ihrer Rückkehr aus Peking rühmen und preisen die Ehegatten der drei Basen die hohe Kunst einer berückenden Nymphe, die in der Liebestechnik drei besondere Finessen beherrsche, von denen bürgerliche Ehefrauen gemeinhin keine Ahnung hätten. Der Scholar betrachtet es als Ehrensache, eine offenbare Lücke im reichen Schatz seiner Erfahrungen auszufüllen, und macht sich auf, um in der "Grotte für Halbgötter" eine Nacht mit der Nymphe zu verbringen. Unterwegs erfährt er von seinem Schwiegervater vom Tode seiner ersten Gattin, die aber in Wirklichkeit von dem sich rächenden Seidenhändler verführt, geschwängert und als öffentliche Dirne verkauft worden war (12., 13. und 17. Kapitel). In der Grotte für Halbgötter angekommen, entzieht sich die Nymphe den Blicken des neuen Kunden. Der Scholar verfolgt sie und findet die Begehrte in einem Gemach erhängt auf. Die Tote war seine Ehefrau, die ihn erkannt und aus Furcht vor einem Skandal den Freitod gewählt hatte. Nach diesem Erlebnis entschliesst sich der Scholar, der Fleischeslust zu entsagen (18. Kapitel). Er kehrt als reuiger Sünder zum Einsiedler zurück, wird zum Mönch und Diener Buddhas geweiht und schneidet sich, um das letzte Band zur Welt des roten Staubes zu zerstören, mit einem scharfen Gemüseschnittmesser den Penis ab (19. Kapitel).
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Im 20. Kapitel (S. 573-587) gibt der Verfasser des Romans bekannt, dass seine Absicht nur darin bestanden habe, dem Zug der Zeit zu hemmungslosem Sichausleben Einhalt zu gebieten. Die Schilderung erotischer Vorgänge diene lediglich als Mittel zum Zweck; das Leserpublikum, das vor jedem erzieherischen und moralisierenden Schrifttum in trockenem, seriösem Stil einen wahren Abscheu besitze, habe nur durch fesselndes Beiwerk dazu gebracht werden können, die weise Lehre und ernste Mahnung zu besinnlicher Einkehr in sich aufzunehmen.
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Als unzüchtig sind z.B. Schilderungen folgender Art zu betrachten:
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a) dass die Partnerin bereits splitternackt rücklings im Bette lag, bevor der Scholar mit Auskleiden fertig war, dann empfangsbereit ihre Beine längst hochgezogen und weit auseinander gespreizt hatte, als er sich über sie legte und nach ihren Schenkeln tastete, um sie wie gewohnt über seine Achseln zu schieben, dass er seinen Angriffskeil für sie unerwartet gleich zum Hauptstoss ansetzte, dann aber eine Angriffspause einlegen musste, die er damit ausfüllte, an ihrer Pforte zu fingern, die Türflügel sachte auseinanderzuklappen und eine Weile mit Ausdruck sanft zu reiben, und dass die Partnerin schliesslich nachhalf, indem sie kräftig in ihre Handfläche spuckte und die eine Hälfte ihres Speichels zum Einschmieren ihrer Pforte, den Rest zum Einsalben seines Schildkrötenkopfes und -halses benutzte (S. 222/5);
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b) dass der "Botschafter" des Partners in der näheren Umgebung ihres Lustschlösschens herumschnüffelte, erst am buschbestandenen Festungswall östlich und westlich von der Burgpforte, dann unterhalb in ihrem Tal der heimlichen Freuden auf und ab lustwandelte und sich breit machte, dass das sanfte Reiben und Streicheln an Schulter und Rücken der Lustpforte drinnen angenehme Schwingungen hervorrief und dies wieder bewirkte, dass sich Tau der Lust niederschlug, den Eindringling netzte und befeuchtete und dadurch geschmeidig gleitend den schlüpfrigen Eingang passieren liess (S. 354/6);
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c) dass der stramme "Untertan" des Scholaren seine teilweise Hundeherkunft und Hundenatur nicht verleugnete, sein Umfang umsomehr anschwoll, je hitziger der Kampf tobte, dass es in der Lustgrotte seitlich wie nach unten zur erwünschten Fühlungnahme kam, der Leib der Partnerin zu zucken und sich wollüstig zu winden begann und sie den Tau der Lust erst abwischen liess, nachdem die Wolke geborsten, Tanz und Taumel vorüber war (S. 238/9);
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d) dass der Scholar seine Partnerin auf den Rücken drehte, seinen Mund von den Zwillingshügeln weg an ihr abwärts in die Unterwelt gleiten liess, die Türflügel ihres Lustschlösschens auseinanderklappte und diesmal seine dreieinhalb Zoll lange Zunge als stellvertretenden Botschafter in die inneren Gemächer sandte (S. 304/6).
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Gegen das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verstossen auch die immer wiederkehrenden Schilderungen über die Länge, Dicke, Härte und Ausdauer des männlichen "Wunderdinges" (z.B. S. 152, 188 ff., 300, 344 f., 381 ff.), die wiederholten Angaben über die Anzahl Stösse, die es brauchte, um die Partnerin "schachmatt" zu setzen (z.B. S. 225, 299, 346, 442, 450), und die Darstellung der Hilfsmittel, mit denen die Dame Baumblüte zur Zeit ihrer Ehe den Genuss am Geschlechtsverkehr steigerte (S. 445 ff.). Als unzüchtig müssen sodann die Szenen bezeichnet werden, in denen der Mann gleichzeitig mit zwei, drei und vier Frauen geschlechtlich verkehrt (S. 360, 404/6, 466 ff.), und ebenso die Darstellungen des coitus per anum, den der Scholar an seinem Diener und an einer Frau vollzieht (S. 179 ff., 476). Zu den Abscheu erregenden Schilderungen gehört nicht zuletzt auch die Darstellung der Operation, durch die ein während des Begattungsaktes abgeschnittenes Rüdenglied, das in vier Längsstreifen geteilt wurde, in den aufgeschlitzten Penis des Scholaren eingepflanzt wird (S. 187).
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Von den 60 Holzschnitten, die den Text illustrieren und ihrerseits mit einer auf den Inhalt der Darstellung bezug nehmenden Textstelle versehen sind, sind vier- undzwanzig als unzüchtig zu beanstanden (S. 67, 71, 182, 224, 232, 306, 345, 355, 357, 359, 367, 373, 389, 397, 399, 405, 407, 419, 441, 449, 469, 474, 501, 563). Beim grössten Teil dieser Abbildungen wird der Geschlechtsverkehr in verschiedenen Stellungen gezeigt, und beim andern Teil werden ganz oder halbnackte Personen in einer Haltung dargestellt, die offensichtlich auf den bevorstehenden oder bereits vollzogenen Geschlechtsakt hinweist. Die realistisch gezeichneten Bilder sind, namentlich in Verbindung mit dem Text und den am Fusse der Abbildungen angebrachten Anmerkungen, geeignet, auf den unbefangenen Betrachter geschlechtlich aufreizend zu wirken oder in ihm Abscheu oder Widerwillen zu erregen.
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4. Die vom Verfasser behauptete Absicht, durch seinen Roman "Jou Pu Tuan" die Menschen zu ermahnen, ihre sinnlichen Gelüste zu bändigen, und ihnen die Vergeltung, die den unersättlichen Lüstling erwartet, aufzuzeigen, fällt nur in dem Masse ins Gewicht, als der verfolgte Zweck im Buch selber zum Ausdruck kommt und die Gesamtwirkung des Werkes zu beeinflussen vermag. Li Yü versuchte sein Ziel auf dem Umweg eines fesselnden Romans zu verwirklichen, der wohl im ersten Kapitel die sittlichen Grundsätze erwähnt, im grossen Mittelstück aber nach den eigenen Worten des Autors sich "in drastischer Schilderung intimer Bettvorhang-Szenen ergeht und in der Ausmalung mitunter hart in die Nähe von Schmutzliteratur gerät", um dann schliesslich in den beiden letzten Kapiteln die Vergeltung und Einkehr des Wüstlings darzustellen und der Erzählung eine persönliche Erläuterung beizufügen. Ob der Dichter bei den chinesischen Lesern auf diese Weise eine versittlichende Wirkung erzielt habe, ist nicht festgestellt und zudem unmassgeblich. Für die heutige Beurteilung ist nur von Bedeutung, ob der moralische Gehalt des Werkes auf den westlichen Leser der Gegenwart einen so nachhaltigen Eindruck macht, dass dadurch das an sich Anstössige des in Wort und Bild Dargestellten verdrängt wird und die Gesamtwirkung des Buches nicht mehr als unzüchtig bezeichnet werden kann.
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Diese Frage muss eindeutig verneint werden. Nach den zahlreichen, eingehenden Schilderungen des sexuell ausschweifenden Lebens des Scholaren, die den Hauptteil des Romans ausmachen, wirken der plötzliche Gesinnungswechsel des ganz dem Geschlechtsgenuss ergebenen Romanhelden und seine völlige Abkehr von der Welt gekünstelt. Die Kehrtwendung ist umso weniger überzeugend, als sie durch die Erkenntnis des Scholaren ausgelöst wird, dass die erhängte Dirne seine Frau war, währenddem die unmittelbar vorher vom Schwiegervater eröffnete Mitteilung, dass seine Frau tot sei, ihn gleichgültig liess und nicht davon abhielt, nach Peking weiterzureisen, um die in der Liebestechnik besonders bewanderte Dirne kennen zu lernen. Zudem vermag der zum Ausdruck gebrachte Gedanke, dass Unrecht notwendig eine diesseitige Vergeltung nach sich ziehe, auf den abendländischen Leser von heute keine besondere Wirkung auszuüben, weshalb ihn auch die für die Einkehr des Scholaren gegebene Begründung nicht oder kaum beeindruckt. Gesamthaft gesehen herrscht trotz der mehr oder weniger erkennbaren moralischen Tendenz die vom Hauptteil des Buches ausgehende unzüchtige Wirkung bei weitem vor. Daran ändert auch das Nachwort des Verlegers am Schlusse des Buches nichts.
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5. Das Ergebnis ist auch kein anderes, wenn bei der Beurteilung der Frage der Unzüchtigkeit des Buches der wissenschaftliche und literarische Wert des Werkes mitberücksichtigt wird. Dass die Übersetzung des Romans aus der chinesischen Originalfassung in die deutsche Sprache eine beachtenswerte wissenschaftliche Leistung darstellt, ist nicht zu bestreiten. Darauf kommt es aber nicht an, weil das Werk als solches, sein Inhalt, den Ausschlag gibt. "Jou Pu Tuan" ist, wie die Bezeichnung als Roman erkennen lässt und die Gestaltung des Stoffes zeigt, kein wissenschaftliches Werk, und es wendet sich auch nicht an einen begrenzten Leserkreis von Fachleuten. Das Buch ist für jedermann leicht verständlich, unterhaltend und zum Teil spannend geschrieben. Dass sich der Roman an die Allgemeinheit und nicht an Gelehrte wendet, bedeutet freilich nicht, dass das Werk überhaupt keinen wissenschaftlichen oder literarischen Wert besitzt. Es kann, weil es im 17. Jahrhundert von einem angesehenen Dichter Chinas verfasst worden ist und Schlüsse auf die damaligen Verhältnisse in jenem Erdteil zulässt, für Sinologen, Literatur- und Kulturhistoriker von Interesse sein. Ob deswegen der Roman nicht mehr unter die Bestimmung des Art. 204 StGB falle, ist aber wiederum ausschliesslich Rechtsfrage und darum allein vom Richter und nicht von den wissenschaftlich interessierten Fachkreisen zu entscheiden. Diese vom Standpunkt der Allgemeinheit aus zu beurteilende Frage könnte nur verneint werden, wenn der literarische oder wissenschaftliche Wert des Romans den Durchschnittsleser so stark zu beeindrucken vermöchte, dass diese Seite und nicht mehr das geschlechtlich Anstössige für die Gesamtwirkung des Buches bestimmend wäre. Das trifft keineswegs zu. Der wissenschaftliche Wert, der unter gewissen Fachleuten, besonders Sinologen, dem Roman beigemessen wird, ist für den ausserhalb dieser Kreise stehenden Leser entweder überhaupt nicht erkennbar oder aber von so untergeordneter Bedeutung, dass sich deshalb am betont unzüchtigen Charakter des Werkes wenig ändert und dieser das vorherrschende Merkmal des Buches bleibt.
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Es hat somit die in Art. 204 StGB zwingend vorgeschriebene Folge einzutreten, dass der Roman nicht allgemein zugänglich gemacht werden darf. Deswegen von "Kulturschande" zu reden, wäre fehl am Platze. Literarische Werke, die wie das vorliegende nach gesundem Volksempfinden die Grenzen des geschlechtlichen Anstandes offensichtlich überschreiten und darum unzüchtig sind, vermitteln keine geistigen Werte, durch die das kulturelle Leben der Allgemeinheit gehoben oder bereichert würde; sie gefährden im Gegenteil das geistige und seelische Wohl des Volkes, das sich in seiner überwiegenden Mehrheit zu den Grundsätzen christlicher Ethik bekennt. Um die sittenverderbenden Einflüsse unzüchtiger Literatur abzuwehren und die öffentliche Sittlichkeit zu schützen, ist gerade Art. 204 StGB erlassen worden. Es kann auch keine Rede davon sein, dass bei dieser Auslegung des Gesetzes der wissenschaftlichen Forschung "Scheuklappen und Feigenblätter aufgezwungen werden". Art. 204 StGB will nach seinem Sinn und Zweck keineswegs die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung beschränken. Wenn diese im Einzelfall durch das Verbot einer unzüchtigen Veröffentlichung mitbetroffen wird, so liegt die unmittelbare Ursache dieses Nachteils nicht in der Gesetzesanwendung, sondern in der vom Täter begangenen Gesetzesverletzung, welche die Anwendung von Art. 204 StGB notwendig macht. Es ist Sache des Verlegers, die Verbreitung eines an sich unzüchtigen Werkes, an dem gewisse Wissenschafter interessiert sind, in dem Masse einzuschränken, als es das öffentliche Interesse erfordert, indem er das Werk ausschliesslich zu wissenschaftlichen Zwecken herausgibt und nur einem bestimmten Kreis von ernsthaften Fachinteressenten zugänglich macht.
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6. Zutreffend ist, dass der Beschwerdeführer Vorkehren getroffen hat, die verhindern sollten, dass die deutsche Ausgabe des Romans jedermann, namentlich "Jugendlichen oder sonst unreifen Menschen" zugänglich wird. Zu diesem Zwecke hat er auf die Anpreisung des Werkes in Tageszeitungen verzichtet, die Werbung durch die Buchhändler mittels Prospekten besorgen lassen, diesen die Schaustellung des Buches, dessen Preis auf Fr. 88.- festgesetzt wurde, untersagt und vor allem besondere Subskriptionsbedingungen aufgestellt, wonach der Besteller mit seiner Unterschrift bestätigen musste, dass er volljährig sei, das Werk streng unter Verschluss halten, weder ausstellen noch an Jugendliche oder Unvorbereitete weitergeben werde, dass er sich durch den vorurteilslosen Inhalt und die fremdartigen Bilder weder verletzt noch beleidigt fühlen werde und für alle Nachteile, die dem Verlag oder den verantwortlichen Auslieferern durch unrichtige Angaben seinerseits erwachsen, sich als haftbar erkläre.
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Was diese Bezugsbedingungen anbetrifft, so bieten sie keinerlei Gewähr dafür, dass das Buch nicht in die Hände Unberufener gelangt und der Besteller durch den unzüchtigen Inhalt des Werkes, den er im Zeitpunkt der Bestellung noch gar nicht kennt, nicht verletzt wird. Namentlich kann der Verkäufer, wenn ihm der Kunde nicht persönlich gut bekannt ist, weder feststellen, ob dieser ein reifer oder unreifer Mensch ist, noch zuverlässig beurteilen, ob der Käufer das Buch nicht doch missbräuchlich an "Unvorbereitete" weitergibt.
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Hinzu kommt, dass der Kreis der Personen, die als Besteller und Käufer vorgesehen und angenommen wurden, nicht bestimmt umschrieben ist. In dem an die Buchhändler gesandten und den Interessenten vorgelegten Prospekt wird erklärt, der Kreis der Leser werde sich zusammensetzen aus "Freunden grosser Erzählerkunst und weiten, freien Geistes, echten Freunden chinesischer Kultur, Amoralisten und Moralisten aller Richtungen, Soziologen, Psychologen und Ärzten". In einem unmittelbar vor der Auslieferung der ersten Auflage an die Verteiler gerichteten Zirkularschreiben erteilte der Verleger sodann die Weisung:
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Zeigen Sie den Prospekt ohne Scheu allen Ihren Kunden, die in lebendiger Weise Sinn für grosse Literatur haben, ferner Ärzten, Psychologen, allen Freunden und Verehrern ostasiatischen Geistes und den Erotikasammlern. Gehen Sie dabei aber nicht zu weit nach unten, was das Niveau angeht.
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Nach diesen für den Verkauf massgebenden Richtlinien ist der Kreis der in Betracht kommenden Käufer derart weit gezogen, dass praktisch jedem Erwachsenen, der aus irgendeinem Grunde Interesse bekundet, der Erwerb des Buches möglich war und weiterhin offen stehen sollte. Die vom Beschwerdeführer getroffenen Massnahmen erweisen sich infolgedessen als ungenügend, um die Anwendung von Art. 204 StGB zu verhindern.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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