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20. Urteil des Kassationshofes vom 21. April 1961 i.S. Moro gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft. | |
Regeste |
Art. 238 Abs. 2 StGB. |
Bei einer Schnellbremsung können die Zugsinsassen auch dann konkret gefährdet sein, wenn keiner von ihnen zu Schaden kommt (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft verurteilte am 26. August 1960 den Führer des Tramzuges wegen fahrlässiger Körperverletzung und den Radfahrer Moro wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs (Art. 238 Abs. 2 StGB) zu einer Busse von je Fr. 40.-.
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C.- Moro verlangt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen. Er bestreitet, dass durch sein Verhalten Menschenleben oder fremdes Eigentum erheblich gefährdet worden sei.
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Erheblich ist die Gefährdung nicht bloss, wenn der Schaden bei voller Auswirkung der Gefahr sehr gross oder ausgesprochen schwer wäre; sie ist es auch, wenn der mögliche Schaden nicht mehr als klein oder leicht bezeichnet werden kann. Leib und Leben von Menschen sind daher nicht erst dann erheblich gefährdet, wenn eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB droht. Der Ausdruck "erheblich" geht weniger weit als das Wort "schwer"; er besagt nur, dass der Schaden von einiger Bedeutung sein müsse. Der italienische Gesetzestext spricht zwar von "grave pericoloso". Dass darunter aber nicht nur Fälle zu verstehen sind, in denen schwere Körperverletzungen (lesioni gravi) im Sinne des Art. 122 zu erwarten sind, ergibt sich aus dem französischen Text, wo ebensowenig wie im deutschen Text von schwerer Gefahr die Rede ist, sondern bloss von "danger sérieux". Eine erhebliche Gefährdung liegt somit auch vor, wenn nur mit einfachen Körperverletzungen gemäss Art. 123 StGB zu rechnen ist, hievon ausgenommen diejenigen Fälle, in denen die Körperschädigung eine leichte ist.
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Dieses Ergebnis entspricht dem Rechtszustand, wie er bereits vor der Inkraftsetzung des Strafgesetzbuches bestanden hat. Zum Begriff der erheblichen Gefährdung ist schon in der früheren Rechtsprechung zu Art. 67 Abs. 2 des revidierten Bundesstrafrechts, aus dem er übernommen wurde (Sten. Bull NatR 1929 S. 441 ff.;BGE 72 IV 69), erklärt worden, er dürfe nicht eng ausgelegt werden, und es genüge, wenn der mögliche Schaden von gewisser Erheblichkeit sei (BGE 54 I 58, 298). Dass Gefährdungen, bei denen bloss mittelschwere Körperverletzungen einzutreten pflegen, auch nach dem Strafgesetzbuch genügen sollen, wird noch durch den weiten Strafrahmen des ![]() | 6 |
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So verhielt es sich im vorliegenden Falle. Der Beschwerdeführer hat durch sein vorschriftswidriges Stehenbleiben auf dem Geleise, was schon auf Grund von Art. 4 Abs. 1 und Art. 8 des Bahnpolizeigesetzes zur Ausfällung einer Busse hätte führen können, den Führer des Tramzuges zu einer Schnellbremsung gezwungen. Eine solche Notbremsung, die eine Blockierung der Räder zur Folge hat, bewirkt ein brüskes, ruckweises Anhalten, das erfahrungsgemäss dazu geeignet ist, dass Bahnpassagiere, die nicht darauf gefasst sind, an harte vorstehende Gegenstände geworfen werden, zu Fall kommen oder durch herabfallende Gepäckstücke einen Schlag erhalten. Dabei liegt, wie die Erfahrung weiter lehrt, die Gefahr nahe, dass die betroffenen Wageninsassen erhebliche Körperschäden erleiden können (vgl.BGE 54 I 364Erw. 2, 366;BGE 58 I 218). Mit solchen Folgen ist nicht nur zu rechnen, wenn aus hoher, sondern auch wenn aus mässiger Fahrgeschwindigkeit heraus eine Schnellbremsung eingeleitet wird. Nach einem Bericht des Eidg. Amtes für Verkehr, der in einem Urteil des Zürcher Obergerichtes angeführt wird, kann die mit der Schnellbremsung verbundene Unfallgefahr nicht nach der Fahrgeschwindigkeit abgegrenzt werden; bei einer Schnellbremsung aus geringer Geschwindigkeit heraus sei die Gefährdung der Reisenden unter Umständen sogar grösser (SJZ 1955 S. 298). Damit ![]() | 8 |
Ist demnach der Tatbestand des Art. 238 Abs. 2 StGB objektiv erfüllt, so kann dahingestellt bleiben, ob ausserdem wegen der Möglichkeit, dass das Fahrrad unter die Räder des Zuges hätte geraten können, die Gefahr einer Entgleisung des Zuges in die Nähe gerückt war.
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3. Die Vorinstanz hat, indem sie den subjektiven Tatbestand bejahte, an das Mass der gebotenen Vorsicht nicht zu hohe Anforderungen gestellt. Es bedarf nicht besonderer Kenntnisse, um zu erkennen, dass es unvorsichtig ist, mit dem Fahrrad auf dem Tramgeleise stehen zu bleiben, statt auf dem daneben befindlichen Radfahrerstreifen ![]() | 10 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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