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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1961 i.S. Schär gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Art. 117, 237 StGB. |
Vorübergehende Reaktionsunfähigkeit, der ein Motorfahrzeugführer unmittelbar nach einer Kollision unterliegt, ist kein Umstand, der ausserhalb normalen Geschehens läge, auch dann nicht, wenn der Zustand nicht ausschliesslich auf die Schreckwirkung des Zusammenstosses zurückzuführen ist. | |
Sachverhalt | |
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Schär spurte mit seinem Motorfahrzeug, das innerorts von links kam, langsam gegen die Mitte der 5,9 m breiten Strasse zu, um den auf der rechten Strassenhälfte mit einer Geschwindigkeit von 55-60 km/Std sich nähernden Wagen Hilfikers durchzulassen. Dabei streiften sich die beiden Fahrzeuge. Hilfiker verlor unter der Schockwirkung der Kollision die Herrschaft über seinen Wagen, der zunächst ungebremst die Fahrt fortsetzte, nach einer Strecke von 33 m zwei am rechten Strassenrand stehende Fussgänger beinahe anfuhr und nach weitern 10-15 m einen in der gleichen Richtung fahrenden Radfahrer von hinten zu Fall brachte und tödlich verletzte.
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Schär und Hilfiker wurden vom Obergericht des Kantons Solothurn wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen verurteilt.
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Schär beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen, eventuell nur wegen Übertretung des MFG mit einer Busse zu bestrafen.
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Aus den Erwägungen: | |
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2. Die Streifkollision bewirkte bei Hilfiker eine Schockwirkung, die zusammen mit der mangelnden geistigen Beweglichkeit Hilfikers zu einer vorübergehend starken ![]() | 6 |
Dieser Zusammenhang besteht ohne weiteres zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und der eingetretenen Fahrzeugkollision; die von Hilfiker zu vertretende Unaufmerksamkeit war nicht eine ausserhalb jeder Erwartung liegende Ursache. Eine weniger alltägliche Erscheinung ist einzig darin zu erblicken, dass der verhältnismässig leichte Zusammenstoss bei Hilfiker einen Zustand stark beschränkter Reaktionsfähigkeit hervorrief, der auf das Zusammentreffen der durch den unerwarteten Zusammenstoss ausgelösten Schreckwirkung und der geistigen Unbeweglichkeit Hilfikers zurückzuführen ist. Dass der letztere Mangel einen ungewöhnlich hohen Grad erreicht habe, kann dem psychiatrischen Gutachten nicht entnommen werden und ist angesichts des durch keine Vorstrafen getrübten automobilistischen Leumundes Hilfikers auch nicht wahrscheinlich. Die Schreckwirkung aber, der er unterstand, ist kein so aussergewöhnliches Ereignis, dass es nach allgemeiner Lebenserfahrung schlechterdings nicht hätte erwartet werden können. Selbst Motorfahrzeugführer mit normaler Reaktionsfähigkeit können bei einem Zusammenstoss, insbesondere wenn er sich unversehens ereignet, völlig den Kopf verlieren und vorübergehend ihrer Fähigkeit zur Beherrschung des Fahrzeuges beraubt sein. Der Umstand, dass diese Möglichkeit bei Hilfiker eintrat, lag daher nicht ![]() | 7 |
Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs kann infolgedessen nicht beanstandet werden.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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