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22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Juni 1962 i.S. Staatsanwaltschaft Graubünden gegen Rudin. | |
Regeste |
Art. 59 Abs. 2 MFG. | |
Sachverhalt | |
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A.- Am 10. Juli 1961 gegen Mitternacht setzte sich Rudin in angetrunkenem Zustand ans Steuer seines Personenwagens und fuhr auf der Kantonsstrasse von Chur nach Rhäzüns. Da er sich plötzlich unpässlich und müde fühlte, hielt er sein Fahrzeug auf einem Abstellplatz hinter Rhäzüns an, erbrach sich und schlief ein. Ungefähr drei Stunden später wurde er dort von der Polizei aufgegriffen, die eine Blutentnahme anordnete und Anzeige erstattete.
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Am 5. November 1955 war Rudin bereits als Jugendlicher vom Jugendgericht Hinterrhein wegen Widerhandlung gegen Art. 59 Abs. 1 MFG in eine bedingt aufgeschobene Strafe von fünf Tagen Einschliessung nach Art. 95 f. StGB verfällt worden.
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B.- Der Kreisgerichtsausschuss Rhäzüns erklärte Rudin am 28. Dezember 1961 des Führens eines Motorfahrzeuges im angetrunkenen Zustand im Sinne des Art. 59 Abs. 1 MFG schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Strafe von 14 Tagen Haft und zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 100.--. Das Gericht nahm an, es liege kein Rückfall vor.
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Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden bestätigte dieses Urteil am 19. Februar 1962.
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C.- Die Staatsanwaltschaft Graubünden führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Rudins nach Art. 59 Abs. 2 MFG an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Rudin beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt, wird nach Art. 59 Abs. 1 MFG in Verbindung mit Art. 333 Abs. 2 StGB mit Haft bis zu zwanzig Tagen oder mit Busse bis zu tausend Franken bestraft. In schweren Fällen oder "bei Rückfall" wird gemäss Art. 59 Abs. 2 ![]() | 8 |
Der Rückfall ist hier nicht allgemeiner Strafschärfungsgrund im Sinne der Art. 67 und 108 StGB, sondern ein das Führen in angetrunkenem Zustande auszeichnendes Tatbestandsmerkmal. Er ist in Art. 59 Abs. 2 MFG zu einem besondern Straftatbestand erhoben und den (sonstigen) schweren Fällen gleichgestellt, welche nach dieser Bestimmung als Vergehen zu ahnden sind (BGE 74 IV 78, BGE 77 IV 108, BGE 83 IV 174). Mit Rückfall kann hier nur die Wiederholung der Tat nach einer wegen Führens in angetrunkenem Zustande erfolgten früheren Verurteilung gemeint sein (BGE 77 IV 109).
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Mit dieser Begründung lässt sich das angefochtene Urteil nicht aufrechterhalten. Es trifft zwar zu, dass in den ![]() ![]() | 11 |
Nicht einzusehen ist sodann, dass der Grundgedanke des Jugendstrafrechts der Berücksichtigung der früheren Verfehlung entgegenstehen und damit die Annahme eines Rückfalles im Sinne des Art. 59 Abs. 2 MFG verwehren sollte. Die schärfere Bestrafung des Rückfälligen hat ihren Grund einzig darin, dass der Täter sich durch die Vorstrafe nicht genügend abschrecken liess und neuerdings Schuld auf sich geladen hat (HAFTER, Allg. Teil, S. 368). Dies trifft unbekümmert darum zu, ob er die Tat als Jugendlicher oder als Erwachsener wiederholte.
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Schliesslich lässt sich auch aus BGE 79 IV 1 ff. nichts für eine andere Betrachtungsweise ableiten. Damals war die Frage zu beurteilen, ob die Einschliessung eine Freiheitsstrafe sei, die den bedingten Strafvollzug nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 3 StGB ausschliesse. Darum geht es hier nicht. Zu entscheiden ist vielmehr, ob die Wiederholung einer gemäss Jugendstrafrecht geahndeten Tat nach Erreichung des 18. Altersjahrs den besondern Straftatbestand des Rückfalles im Sinne des Art. 59 Abs. 2 MFG begründe. Dies aber ist aus den angeführten Gründen zu bejahen. Zu Bedenken besteht umsoweniger Anlass, als der Strafrahmen des Art. 59 Abs. 2 MFG erlaubt, den Besonderheiten des Einzelfalles und auch Billigkeitsgründen, wo sich solche stellen (BGE 77 IV 109, BGE 83 IV 175), in weitem Masse Rechnung zu tragen.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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