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28. Urteil des Kassationshofes vom 22. Oktober 1962 i.S. Merz gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 125, 18 Abs. 3 StGB. Fahrlässige Körperverletzung. |
b) Fahrlässigkeit des Bahnbeamten, wenn der verunfallte Bahnbenützer seinerseits Bahnvorschriften missachtet und sich unvorsichtig verhalten hat (Erw. 2 b). |
c) Adäquater Kausalzusammenhang (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Inzwischen hatte Hans Merz seinen Dienst als Rangierarbeiter angetreten. Er wurde von einem andern Bahnbeamten darauf aufmerksam gemacht, dass auf Gleis B 1 Stroh abgeladen werde und dort der Strom nicht eingeschaltet werden dürfe. Als Merz gegen 07.50 Uhr sah, dass der Lastwagen fortgefahren und der Rest der Strohladung zugedeckt war, glaubte er, dass keine Gefahr mehr bestehe. Er schaltete den Fahrstrom ein und manövrierte mit dem Traktor zwei Wagen vom Gleis B 1 nach Gleis B 3. Hierauf wollte er zwei andere Wagen vom Gleis B 3 auf die Waage in Gleis B 1 bringen. Bevor er dieses Manöver ausführte, holte er auf Wunsch eines Bahnkunden im Gleis A 8 einen Waggon, um ihn auf Gleis B 5 zu verstellen.
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Während dieses eingeschobenen Manövers kehrte der Lastwagen der Schützengarten AG zurück. Die Verlademannschaft nahm an, der Strom der Leitung B 1 sei immer noch ausgeschaltet, und machte sich wieder an die Arbeit. Als Jenny im obersten Teil der Ladung die Blachen lösen wollte, kam er mit der unter Spannung stehenden Fahrleitung in Berührung und blieb mit dem Rücken am Fahrdraht hängen. Als darauf der Strom sofort ausgeschaltet wurde, fiel Jenny auf den gepflästerten Boden, wodurch er zu den erlittenen schweren Verbrennungen auch noch am Kopf verletzt wurde. Als Folge dieses Unfalles musste ihm das linke Bein oberhalb des Knies amputiert werden.
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B.- Das Kantonsgericht St. Gallen erklärte Merz am 4. Juni 1962 der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 100.--. Es erblickt die Fahrlässigkeit darin, dass Merz den Strom nicht sofort wieder abstellte, als er beim ersten Manöver mit dem Traktor das Gleis B 1 verliess.
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C.- Merz führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
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Das Gleis B 1, auf dem sich der Unfall ereignete, ist ein Freiverladegleis im Sinne dieser Bestimmung. Ferner steht fest, dass Merz entgegen der Vorschrift den Strom nicht ausschaltete, als er mit dem Traktor das Gleis B 1 verliess, um zwei Wagen nach dem Gleis B 3 zu verschieben, obschon er für die Beendigung dieses Manövers wie auch für den nachfolgenden Transport von zwei Wagen aus Gleis A 8 ins Gleis B 5 und zu Beginn des dritten Manövers den Strom in der Fahrleitung B 1 nicht benötigte. Dass der Ausschaltung des Stromes betriebstechnische Gründe entgegenstanden, wird vom Beschwerdeführer selber nicht behauptet. Er hat daher der erwähnten Dienstvorschrift zuwidergehandelt.
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b) Richtig ist, dass nicht unbedingt jede Verletzung von Dienstvorschriften, die zur Verletzung oder Tötung eines ![]() | 10 |
Den Fahrleitungsdraht über dem Freiverladegleis B 1 unter Strom zu setzen, war gefährlich, weil Freiverladegleise von Bahnkunden benützt werden und der Beschwerdeführer vor seinem Dienstantritt festgestellt hat, dass ein offener Strohwagen entladen wurde. Um bei solchen Verladearbeiten Starkstromunfälle zu verhüten, stehen Fahrleitungen über Freiverladegleisen in der Regel nicht unter Strom (Ziff. 2 der Vorschriften der SBB-Generaldirektion vom 21. Oktober 1941 betreffend Verhütung von Starkstromunfällen bei Verladearbeiten) und ist dieser, wenn das Gleis durch ein elektrisches Triebfahrzeug befahren werden muss, sofort nach dessen Ausfahrt aus dem Gleise wieder auszuschalten (R 323.2 Abschnitt B Ziff. 8 Abs. 3). Von dieser Vorschrift abzugehen, deren Zweck auch dem Beschwerdeführer als verantwortlicher Rangierarbeiter klar war, bestand kein Anlass. Merz selber vermag keine Gründe dafür anzugeben, dass die sofortige Ausschaltung des Stromes zu Unzukömmlichkeiten geführt hätte. Nach seinen eigenen Aussagen wusste er überdies schon bei der Ausfahrt des Traktors aus Gleis B 1, dass er nach Beendigung des ersten Manövers noch zwei weitere auszuführen hatte und erst am Schluss des dritten den Fahrleitungsdraht über Gleis B 1 wieder benötigte. Unter diesen Umständen drängte sich die vorgeschriebene Sicherungsmassnahme auf. Von ihr abzusehen war auch nicht mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass die Bahnkunden ihrerseits zur Vorsicht verpflichtet sind, namentlich vor Beginn des Verlades und nach jedem vorübergehenden ![]() ![]() | 11 |
3. Das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers war, wie feststeht, eine der natürlichen Ursachen der eingetretenen Körperverletzung. Dieser Kausalzusammenhang war auch rechtserheblich, denn das Nichtausschalten des Stromes in der zum Freiverladegleis B 1 gehörenden Fahrleitung, die nur ausnahmsweise unter Spannung steht, schloss nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Gefahr in sich, dass Bahnkunden oder deren Arbeiter beim Verladen eines Güterwagens mit der Fahrleitung in Berührung kommen und Verletzungen der eingetretenen Art erleiden konnten. Dass Jenny und seine Begleiter ebenfalls unvorsichtig waren und damit selber zum Unfall beigetragen haben, ist unerheblich. Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen der Unvorsichtigkeit des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Erfolg wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die von den Verladearbeitern gesetzte Mitursache derart unsinnig gewesen wäre, dass sie ausserhalb normalen Geschehens läge (BGE 86 IV 155 ff., BGE 87 IV 65, 159). Dies ist nicht der Fall. Dass Bahnbenützer den Bahnvorschriften aus Unkenntnis, Vergesslichkeit, Leichtsinn oder dergleichen nicht nachleben und sich dadurch den Gefahren des Bahnbetriebes wie derjenigen des elektrischen Stromes aussetzen, ist nichts Ungewöhnliches. Gerade weil erfahrungsgemäss mit solchem Verhalten gerechnet werden muss, ist zum Schutze der Bahnkunden im Reglement 323.2 die erwähnte Bestimmung über das Ausschalten des Stromes durch das Bahnpersonal aufgestellt worden. Die Unvorsichtigkeit der Verlademannschaft war unter den gegebenen Umständen kein so aussergewöhnliches ![]() | 12 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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