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34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofcs vom 1. November 1962 i.S. Stöekli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
1. Art. 40 ff. TSG, Art. 269 ff. VOTSG, Art. 9 RTubG, Art. 8 BRB vom 23. Dezember 1953/9. November 1956 über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang. |
2. Art. 159 StGB. |
Dem Beamten, dem kraft seiner Stellung die ausschliessliche Befugnis zusteht, über Gelder einer öffentlichen Kasse zu verfügen, ist jedenfalls dann, wenn es sich hiebei nicht um bloss unbedeutende Werte handelt, die Geschäftsführung über Vermögen im Sinne dieser Bestimmung übertragen (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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A.- 1. Dr med. vet. Stöckli war von 1952 bis 1958 Kantonstierarzt von Luzern. In dieser Eigenschaft oblag ihm unter anderem die Leitung der kantonalen Tierseuchenpolizei und insbesondere der Verfahren zur Ausmerzung der Rindertuberkulose und des Rinderabortus Bang.
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Diese Verfahren umfassten die Untersuchung der Viehbestände, die Schätzung der dabei festgestellten kranken Tiere und die Schlachtung bzw. Einstellung der Reagenten in nicht sanierten Beständen.
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An die Ausmerzverfahren schloss sich jeweils das Entschädigungsverfahren ![]() | 4 |
Bei mangelhafter Anwendung der Vorschriften über die Tierseuchenpolizei und bei schweren Verstössen gegen diese Bestimmungen waren die Bundesbeiträge von Bundesrechts wegen zu kürzen oder überhaupt zu streichen (Art. 25 Abs. 2 des BG vom 13. Juni 1917 betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen [TSG], Art. 27 der Vollziehungsverordnung vom 22. Dezember 1950 zum BG über die Bekämpfung der Rindertuberkulose [RTubG], Art. 7 des BRB vom 23. Dezember 1953/9. November 1956 über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang, Art. 19 der Verfügung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes [EVD] vom 10. April 1951 über die Bekämpfung der Rindertuberkulose). Die Voraussetzungen für die Streichung der Beiträge wurden von den Bundesbehörden insbesondere bei verspäteter Schlachtung der Tiere, mangelnder oder verspäteter Ablieferung der Sektionsbefunde, Fehlen der Banguntersuchungsbefunde und bei Nichtführung der Kontrolle über die Nutzreagenten für gegeben erachtet.
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In Anlehnung an entsprechende kantonale Vorschriften hatte sich die GSV zusammen mit dem Schweiz. Schlachtviehproduzentenverband (SPV) gegenüber dem Kanton Luzern am 9. Juli 1954 vertraglich verpflichtet, unter Vorbehalt höherer Gewalt, für den Ausfall von Entschädigungen ![]() | 6 |
2. Im Zusammenhang mit den genannten Ausmerzaktionen liess sich Stöckli, von dessen Entscheid jeweils die Ausrichtung der Bundes- und Kantonsbeiträge abhing, eine Reihe von Unregelmässigkeiten zuschulden kommen. So unterliess er es, ein Verzeichnis über die in seinem Gebiete befindlichen Reagenten zu führen, nicht innert Frist eingegangene Sektionsbefunde der GSV zu melden, bei verspäteter Schlachtung die Auszahlung von Ausmerzbeiträgen zu verhindern, schon bezahlte Beiträge zurückzufordern und allenfalls die GSV haftbar zu machen, für die Vollständigkeit wichtiger Belege, bei deren Fehlen die öffentlichen Beiträge gekürzt oder gestrichen werden konnten, besorgt zu sein und bei Differenzen zwischen Sektionsbefunden und Abrechnungsverbalen, namentlich hinsichtlich der Trächtigkeit der Tiere, Nachforschungen anzustellen und ungerechtfertigte Auszahlungen von Subventionen zu verhindern oder zurückzufordern. Überdies fälschte er in grosser Zahl verschiedene Belege, indem er das Signum des mit der Korrektur von Abrechnungsverbalen betrauten Experten selber hinsetzte, mit diesem Schriftzeichen Rasuren oder Korrekturen des Experten verdeckte, um Abrechnungsverbale mit den abweichenden Sektionsbefunden in Übereinstimmung zu bringen, eine Revision der Schatzungen zu vermeiden und damit zu verschleiern, dass zu hohe Entschädigungssummen ausbezahlt worden waren. Schliesslich brachte er in Fällen verspäteter Schlachtung oder verspäteter Einreichung von Belegen auf den entsprechenden Formularen Eingangsstempel mit falschen Daten an.
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C.- Stöckli ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Das Bundesgericht hat die Frage nach dem Verhältnis von Sonderbestimmungen zu gemeinrechtlichen Strafnormen nie allgemein, sondern stets nur für den Einzelfall entschieden, indem es jeweils prüfte, ob die betreffende Spezialbestimmung das strafbare Verhalten hinsichtlich aller seiner Merkmale erfasse und die Tat in vollem Umfang abgelte. Traf dies zu, dann wurde nach dem Grundsatz "lex specialis derogat legi generali" verfahren und ausschliesslich die besondere Norm angewendet (s. BGE 82 IV 136, BGE 83 IV 127, BGE 85 IV 176). Dagegen wurde jeweils ![]() | 11 |
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Richtig ist, dass der Gesetzgeber die Tierseuchenpolizei durch verschiedene Spezialerlasse umfassend geordnet und insbesondere eingehende Vorschriften über die Bekämpfung bereits vorhandener Seuchenherde, die Verhinderung ihrer Ausbreitung und die Einschleppung neuer Seuchen aufgestellt hat. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass diese Ordnung auch strafrechtlich in dem Sinne eine abschliessende Regelung gefunden habe, dass für die Anwendung des StGB auf Handlungen, die keine seuchenpolizeilichen Tatbestände betreffen, sondern bloss im Zusammenhang mit Massnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen begangen wurden, nicht Raum bliebe. Ein Blick auf die Strafbestimmungen des Tierseuchengesetzes (Art. 40-46) und der Vollziehungsverordnung (Art. 269-271), auf die sich die übrigen Erlasse, insbesondere das Bundesgesetz über die Bekämpfung der Rindertuberkulose (Art. 9) und der Bundesratsbeschluss über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang (Art. 8) berufen, zeigt, dass die Missachtung nur ganz bestimmter, artikelweise genannter Gebote oder Verbote unter Strafe gestellt wurde, die ihrerseits ausschliesslich seuchenpolizeilicher Natur sind und der praktischen Bekämpfung von Tierseuchen dienen sollen. Vorschriften über die Beitragsleistung von Bund und Kantonen an die Kosten der Seuchenbekämpfung (Art. 21-28 TSG, Art. 262-268 der Vollziehungsverordnung) oder Bestimmungen über den Aufgaben- und Pflichtenkreis der Kantonstierärzte (Art. 22-27 der Vollziehungsverordnung zum TSG) sind denn auch nirgends unter den mit Strafsanktionen ![]() | 14 |
Soweit daher die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen keinen der in der Tierseuchengesetzgebung umschriebenen Straftatbestände erfüllen, stellt sich die Frage einer Konkurrenz mit dem StGB überhaupt nicht und es steht somit der Anwendung des gemeinen Strafrechtes (Art. 159 und 317 StGB) nichts entgegen, mögen die betreffenden Handlungen von Stöckli auch in seiner Eigenschaft als Kantonstierarzt und bei Durchführung tierseuchenpolizeilicher Massnahmen begangen worden sein.
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4. Der Beschwerdeführer ficht seine Verurteilung nach Art. 159 StGB weiter mit der Begründung an, er sei nicht ![]() | 16 |
Wie die Vorinstanz zum objektiven Tatbestand feststellt, oblag dem Beschwerdeführer im Rahmen der ihm vom Tierseuchengesetz übertragenen Amtspflichten die umfassende Leitung der Bekämpfung der Rindertuberkulose und des Rinderabortus Bang, sowie die Fürsorge für die Gelder der Viehentschädigungskasse, aus der die staatlichen Beiträge an die Ausmerzaktionen geleistet wurden. Stöckli nahm bei der Gewährung dieser Subventionen die Schlüsselstellung ein, indem er allein befugt war, nach den gesetzlichen Bestimmungen Auszahlungen aus der genannten Kasse zu verfügen. Die Ausrichtung der Subventionen hing von ihm ab, und er erteilte denn auch der Viehentschädigungskasse bzw. dem Personal der Staatskasse, die den betreffenden Fonds verwaltete, gestützt auf die Rückvergütungsansprüche der GSV die Zahlungsanweisungen, worauf die Kantons- und Bundesbeiträge ohne weiteres ausgerichtet wurden. Eine Prüfung der Rechtmässigkeit der genannten Anweisungen war dem Kassenpersonal weder überbunden noch möglich.
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Nach diesen für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Annahmen unterliegt keinem Zweifel, dass Stöckli den Tatbestand des Art. 159 StGB - die Unterstellung der eingeklagten Verfehlungen unter Art. 314 StGB wurde vom Obergericht mit zutreffenden Gründen verneint (BGE 81 IV 228) - objektiv erfüllt hat. Denn wem, wie dem Beschwerdeführer, kraft seiner hohen amtlichen Stellung die ausschliessliche Befugnis zusteht, über Gelder einer bestimmten öffentlichen Kasse zu verfügen, dem ist jedenfalls dann, wenn es sich hiebei nicht um bloss unbedeutende Werte handelt, die Geschäftsführung über Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB übertragen, unbekümmert darum, ob er die betreffende Kasse persönlich führt oder durch andere Beamte führen lässt und ob er für den ![]() | 18 |
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