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3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. März 1963 i.S. Grünig gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
Art. 134 Ziff. 1 Abs. 3 StGB. |
Es genügt, dass der Täter den Tod des Kindes als nicht bloss ganz entfernte Möglichkeit voraussehen konnte. | |
Sachverhalt | |
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Als das Kind am frühen Nachmittag des gleichen Tages noch immer unruhig war und fortwährend weinte, riss Frau Grünig es erneut aus dem Stubenwagen und schleuderte es mit voller Wucht auf den Tisch. Ob es dabei den Kopf an eine hölzerne Nähkassette oder an die Wand stiess oder ob es vom Tisch kopfvoran auf den Boden fiel, steht nicht fest. Jedenfalls hatte der Wurf auf den Tisch einen Schädelbruch und Kugelblutungen im Stammhirn zur Folge. Das Kind schrie darauf nicht mehr, sondern wimmerte nur noch. Frau Grünig bekam Angst, fasste das Kind kräftig mit der einen Hand am Nacken und mit der andern auf dem Gesicht und schüttelte es heftig. Da sich sein Zustand verschlimmerte, legte sie es auf das Bett und machte Wiederbelebungsversuche. Nach einer weitern Verschlechterung des Zustandes rief sie telephonisch den Arzt. Als dieser eintraf, war das Kind tot. Es war infolge der Misshandlung vom frühen Nachmittag erstickt, wobei ungewiss ist, ob die Gewalteinwirkung auf das Gehirn oder der ![]() | 2 |
B.- Am 3. Dezember 1962 erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn Frau Grünig der Misshandlung eines Kindes mit voraussehbarer Todesfolge im Sinne von Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB schuldig und verurteilte sie unter Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit zu 2 1/4 Jahren Zuchthaus.
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C.- Die Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Obergericht anzuweisen, sie nur gemäss Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB zu bestrafen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Wer einen Erfolg nicht voraussieht, ihn aber voraussehen kann, führt ihn fahrlässig herbei. Das hat das Bundesgericht schon in Auslegung von Art. 119 Ziff. 3 und 123 Ziff. 3 StGB gesagt (BGE 69 IV 229,BGE 74 IV 84) und muss auch für Art. 134 Ziff. 1 Abs. 3 StGB gelten. Dabei hat der Täter wie immer, wenn das Gesetz eine fahrlässige Tat strafbar erklärt, an sich für jede, nicht nur für bewusste oder nur für grobe Fahrlässigkeit einzustehen. Wie aber das Bundesgericht Art. 119 Ziff. 3 und Art. 123 Ziff. 3 mit Rücksicht auf die hohen Mindeststrafen nur dann als erfüllt ansieht, wenn die Abtreibung bzw. Körperverletzung nach ihrer normalen Auswirkung das Leben der Schwangeren bzw. des Verletzten in eine besondere, erhebliche und naheliegende Gefahr brachte, die der Täter erkennen konnte (BGE 69 IV 231,BGE 74 IV 85), ist auch Art. 134 Ziff. 1 Abs. 3 nicht bei jeder noch so entfernt voraussehbaren Möglichkeit des Todes anzuwenden. Immerhin wäre der Sinn der Bestimmung zu sehr eingeschränkt, wenn verlangt würde, dass die Möglichkeit des Todes sich dem Täter ganz besonders ![]() | 6 |
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b) Dass der Tod als Folge des Wurfes auf den Tisch objektiv vorauszusehen war, steht ausser Frage. Das Kind wurde brutal geschleudert, so heftig, dass sein Schädel brach, sei es, indem es den Kopf an eine hölzerne Nähkassette ![]() | 8 |
Weniger drängt sich auf, dass auch das Bedecken des Gesichtes mit der Hand zum Erstickungstode führen konnte. Die Beschwerdeführerin führte jedoch auch diese Handlung nicht überlegt und sanft aus, sondern sie fasste den Kopf mit beiden Händen kräftig an. Der mit der einen Hand auf das Gesicht ausgeübte Druck erhöhte die Gefahr, dass Nase und Mund verschlossen würden. Das heftige Schütteln des Kopfes trug ebenfalls zur Behinderung der Atmung bei und hatte ausserdem zur Folge, dass der kräftige Griff eine gewisse Weile andauerte. Solche Brutalität rückte den möglichen Erfolg nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge in die Nähe. Dass das Kind bei diesem Anpacken und Schütteln ersticken könnte, war, objektiv betrachtet, umsomehr voraussehbar, als es durch die vorausgehende Misshandlung bereits verletzt und geschwächt war.
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