BGE 89 IV 85 | |||
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17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1963 i.S. Ferro gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. | |
Regeste |
1. Zwischen Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 und 187 StGB besteht unechte Gesetzeskonkurrenz (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Giovanni Ferro fuhr am 11. März 1962, etwa 21.15 Uhr, zusammen mit Erich Peter in einem Personenauto auf der Strasse Kreuzlingen-Frauenfeld. In der Gegend von Bernrain hielten sie an, griffen die auf der Strasse in die FHD-Kaserne zurückkehrende, 1940 geborene X. an und schleppten sie gewaltsam in den Wagen, worauf Peter das Fahrzeug in Bewegung setzte und davon fuhr, während Ferro die Überfallene auf der hintern Sitzbank festhielt und am Aussteigen hinderte.
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Nach rund 7,5 km langer Fahrt hielt Peter das Auto in der Nähe von Dotnacht auf einem abgelegenen Feldweg an. Die beiden Männer vollzogen hierauf nacheinander mit Gewalt den Beischlaf mit X., währenddessen jeder den andern in der Weise unterstützte, dass er das Opfer auf der Sitzbank festhielt und am Schreien hinderte.
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B.- Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau erklärte am 17. Dezember 1962 Ferro der qualifizierten Freiheitsberaubung (Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1), der qualifizierten Notzucht (Art. 187 Abs. 2) und der Gehilfenschaft dazu (Art. 187 Abs. 2 und Art. 25 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Jahren Zuchthaus, zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und zu zehn Jahren Landesverweisung. Ferner verpflichtete sie den Verurteilten, X. Fr. 2000.-- als Genugtuung zu bezahlen.
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C.- Ferro führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, der Tatbestand der Freiheitsberaubung gehe in demjenigen der Notzucht auf und diese sei nur in der Form des Art. 187 Abs. 1 StGB erfüllt.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Dieser Tatbestand ist erfüllt. Der Beschwerdeführer hat X. gegen deren Willen zunächst zusammen mit Peter in das Auto geschleppt und sie hierauf während der rund 7,5 km langen Fahrt am Aussteigen gehindert. Durch die Festnahme auf der Strasse und das Festhalten im fahrenden Auto wurde X., die zu Fuss in die Kaserne zurückkehren wollte, ihrer Bewegungsfreiheit beraubt.
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Nach der Feststellung der Kriminalkammer hat der Beschwerdeführer nicht nur diesen Erfolg gewollt, sondern darüber hinaus in der Absicht gehandelt, X. an einem abgelegenen Ort zur Unzucht zu missbrauchen. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277 bis Abs. 1 BStP). Die Tat fällt daher unter die Bestimmung des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB.
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2. Der Beschwerdeführer hat, was nicht bestritten ist, an X. ausserdem das Verbrechen der Notzucht (Art. 187 StGB) begangen. Richtig ist, dass diese Tat und die vorausgegangene Freiheitsberaubung nicht idealiter konkurrieren. Idealkonkurrenz ist aber nicht deswegen zu verneinen, weil Art. 182 und 187 im Verhältnis der unechten Gesetzeskonkurrenz zueinander stünden, wie der Beschwerdeführer glaubt, sondern weil er die beiden Straftatbestände nicht durch ein und dieselbe Handlung erfüllt hat. Mit den Notzuchtshandlungen begann er erst, als nach 7,5 km langer Autofahrt ein abgelegener Ort erreicht, das Verbrechen der Freiheitsberaubung also, auch wenn es noch andauerte, schon vollendet war; von einer einzigen Handlung, durch die sowohl Art. 182 als auch Art. 187 verletzt worden wären, kann nicht die Rede sein. Die Vorinstanz hat denn auch die Strafe nicht wegen Ideal-, sondern wegen Realkonkurrenz gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB erhöht. Die Anwendung dieser Bestimmung wäre nur dann nicht zulässig, wenn eine der beiden in Frage kommenden Bestimmungen - Art. 182 oder 187 - das Verhalten des Beschwerdeführers nach allen Seiten erfassen würde. Das trifft nicht schon zu, wenn zwei selbständige strafbare Handlungen objektiv und subjektiv so zusammenhangen, dass die eine bloss als Vorbereitungs- oder Fortsetzungshandlung der andern erscheint. Insbesondere genügt der einheitliche Willensentschluss des Täters nicht, um die einzelnen Handlungen zu einem einzigen Verbrechen zu machen oder aus ihrem subjektiven Zusammenhang abzuleiten, dass die Strafe für die eine Tat auch die andere abgelte. So hat der Kassationshof unechte Gesetzeskonkurrenz z.B. verneint, wenn der Täter sich gleichzeitig entschlossen hat, eine Urkunde zu fälschen und damit jemanden zu betrügen (BGE 71 IV 207) oder falsches Geld einzuführen und es in Umlauf zu setzen (BGE 77 IV 16; vgl. ferner BGE 80 IV 256 und dort erwähnte frühere Entscheidungen). Ebensowenig schliesst die eine Bestimmung die Anwendung der andern aus, wenn jemand an einer Frau das Verbrechen des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 verübt und sie nachher, wie von vorneherein beabsichtigt, zur Notzucht nach Art. 187 missbraucht. -Weder braucht der Notzucht stets eine Freiheitsberaubung vorauszugehen, noch führt die Freiheitsberaubung, die an einer Frau begangen wird, um sie geschlechtlich zu missbrauchen, notwendig dazu, dass der Täter sie mit Gewalt oder unter schwerer Drohung zur Duldung des Beischlafes zwingt. Der Täter kann, nachdem er die Frau z.B. eingeschlossen hat, auf sein Vorhaben verzichten, an der Verwirklichung seiner Absicht gehindert werden, oder die Frau kann sich ihm freiwillig hingeben. Art. 187, der die Freiheit und Ehre in geschlechtlichen Dingen schützt, gilt die dem geschlechtlichen Angriff vorausgegangene Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Opfers nicht mit ab, während anderseits Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 die Verwirklichung der unzüchtigen Absicht nicht erfasst.
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Der in Abs. 2 mit schwererer Strafe bedrohte Fall setzt dagegen voraus, dass der aussereheliche Beischlaf mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Frau vollzogen wird. Das gleiche Tatbestandsmerkmal findet sich in der Bestimmung über die Schändung (Art. 189 Abs. 1 StGB), wie denn auch der Tatbestand des Art. 187 Abs. 2 ursprünglich als erschwerter Fall der Schändung behandelt worden ist (Prot. 1 Exp. Kom. Bd. II S. 161 ff., 577 ff.). Von dieser unterscheidet er sich aber durch den Umstand, dass der Täter das Opfer nicht schon im Zustande der Wehrlosigkeit antrifft, sondern es selber in diesen Zustand versetzt. Dabei muss er, wie sich aus der Wendung "zu diesem Zweck" ergibt, die Wehrlosigkeit des Opfers in der Absicht herbeiführen, es nachher geschlechtlich zu missbrauchen. Wer aus einem anderen Beweggrunde eine Frau bewusstlos oder widerstandsunfähig macht und sich erst dann entschliesst, an ihr den Beischlaf zu vollziehen, macht sich der Schändung, nicht der Notzucht schuldig (Prot. 2. Exp. Kom. Bd. III S. 131, 135/6). Über die Mittel, mit denen der Täter sein Opfer wehrlos macht, schweigt sich Art. 187 Abs. 2 aus. In der Gesetzesberatung wurden vor allem Mittel mit betäubender Wirkung genannt (Narkotika, Hypnose, Alkohol), doch erfasst der Wortlaut der Bestimmung auch die Anwendung von Gewalt (z.B. betäubender Schlag, Fesselung). Entscheidend ist indessen nicht so sehr die Art des verwendeten Mittels als vielmehr, dass der Täter es unmittelbar zur Herbeiführung der Bewusstlosigkeit oder Widerstandsunfähigkeit der Frau, die er missbrauchen will, verwendet hat und dass dieser Erfolg eingetreten ist, ehe der Beischlaf vollzogen wurde. Der Grund für das hohe Strafminimum von drei Jahren Zuchthaus, das Art. 187 Abs. 2 vorsieht, liegt in der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass er sich vornimmt, zuerst eine Frau gegen ihren Willen wehrlos zu machen, um sie hernach ohne Widerstand zu missbrauchen.
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b) X. ist nicht vollständig widerstandsunfähig gemacht worden, bevor sie von Peter und vom Beschwerdeführer vergewaltigt wurde. Sie hat, wie die Kriminalkammer feststellt, bloss während der Unzuchtshandlungen zufolge der Gewaltanwendung der beiden Männer keinen ernsthaften Widerstand mehr leisten können. Daraus ergibt sich nicht, dass sie überhaupt nicht mehr imstande gewesen sei, Widerstand zu leisten, sondern nur, dass ihr Widerstand wirkungslos geblieben ist, solange sie der vereinten Gewalt der beiden Männer ausgesetzt war, d.h. während der eine sie festhielt und der andere zugleich den Beischlaf mit ihr vollzog. Die Vorinstanz bestätigt es durch die weitere Feststellung, dass die Geschädigte während der Zeit, als die beiden Angeklagten ihre Rollen vertauschten, Gelegenheit hatte, sich ein wenig zu erheben und sich zu wehren. X., auf deren Aussagen das angefochtene Urteil verweist, erklärt zudem selber, dass sie sich bis zum Schluss nach Möglichkeit zu Wehr gesetzt habe.
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Fehlt schon das objektive Merkmal der Widerstandsunfähigkeit, so kann dahingestellt bleiben, ob der Vorsatz des Beschwerdeführers darauf gerichtet gewesen sei, X. widerstandsunfähig zu machen, um sie in wehrlosem Zustand zu missbrauchen.
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