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24. Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1963 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 und 2 StGB. | |
Sachverhalt | |
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Die Psychiatrische Poliklinik in Zürich, welche die angeordnete Behandlung offenbar nicht selber durchführen wollte, wies den Verurteilten an die Heil- und Pflegeanstalt Wil, wo sie ihn auch anmeldete. Statt sich in dieser Anstalt zu stellen, begab er sich anfangs 1957 zweimal zum Nervenarzt Dr. Bachmann in St. Gallen. Dieser leitete die Behandlung ein. Sie konnte indes nicht fortgesetzt werden, weil H. nicht mehr erschien, auch nicht, als ihn Dr. Bachmann durch Schreiben vom 26. Juni 1957 an die Weisung des Richters erinnerte.
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Am 25. Oktober 1962 verlängerte das Bezirksgericht die Probezeit wegen Missachtung der Weisung gestützt auf Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB um ein Jahr, mit der neuerlichen Weisung an den Verurteilten, sich ungesäumt psychiatrisch behandeln zu lassen.
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B.- Gegen dieses Urteil erhob H. bei der Rekurskommission des Kantonsgerichts von St. Gallen Rechtsverweigerungs- und beim Kassationshof des Bundesgerichts Nichtigkeitsbeschwerde, beide mit dem Antrag, das Urteil mangels richterlicher Mahnung des Verurteilten aufzuheben und die Sache zur Löschung des Urteils vom 12. Juli 1956 im Strafregister an das Bezirksgericht zurückzuweisen.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Die Ersatzmassnahmen sind durch die Revision von 1950 eingeführt worden, um Härten zu vermeiden, welche sich aus der früheren Regelung bei Begehung von vorsätzlichen Verbrechen oder Vergehen während der Probezeit ergeben hatten. Blosse Bagatellfälle vorsätzlicher Vergehen, z.B. eine in der Aufregung begangene Beschimpfung, sollten nicht mehr zwingend den Vollzug der Strafe zur Folge haben (BGE 78 IV 10 und dort angeführte Gesetzesmaterialien; s. ferner Botschaft des Bundesrates, BBl 1949 I 1280unter Ziff. 2). Nach der Entstehungsgeschichte würde sich somit Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nur auf den Widerrufsgrund der vorsätzlichen Verbrechen und Vergehen beziehen. Allein die Bestimmung ist im Gesetze nicht an diesen Widerrufsgrund angeschlossen, sondern findet sich in einem besondern, dem Abs. 1 folgenden Absatze, ![]() | 9 |
Die Staatsanwaltschaft stellt sich mit dem Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass das Fehlen der Mahnung Ersatzmassnahmen nach Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB ausschliesse. In bezug auf die Warnung und die Auferlegung weiterer Bedingungen trifft das schon deshalb nicht zu, weil es hiezu vernünftigerweise keiner Mahnung bedarf. Abgesehen hievon ist festzuhalten, dass die Generalklausel auch bei fehlender Mahnung anwendbar ist, sei die Täuschung erheblich oder nicht. Erforderlich ist nur, dass sich der Verurteilte auch ohne Mahnung der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst sein musste (BGE 75 IV 158). Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Es sind leicht Fälle denkbar, wo das ![]() | 10 |
Im vorliegenden Falle musste der Beschwerdeführer sich jedenfalls in der zweiten Hälfte der Probezeit nicht mehr bewusst sein, der Weisung des Richters zuwiderzuhandeln. Nachdem er so lange unbehelligt geblieben, insbesondere nach Ablauf der einjährigen Frist, innert welcher er dem Gericht über die Behandlung hätte Bericht erstatten sollen, nicht gemahnt worden war, ist verständlich, wenn sein Bewusstsein, sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen und darüber Bericht erstatten zu müssen, immer schwächer wurde und er sich schliesslich nach Jahren dieser Verpflichtung enthoben glaubte. Hinzu kommt, dass er sich seit seiner Verurteilung im Jahre 1956, also während nahezu sieben Jahren, keine neuen Sexualdelikte mehr zuschulden kommen liess. Wegen der blossen Nichtbefolgung der Weisung kann der Richter somit nicht enttäuscht sein, denn die psychiatrische Behandlung sollte nur dazu beitragen, dass der Verurteilte seine krankhafte Neigung überwinde, und der Bericht sollte dem Gericht bloss sagen, ob etwas weiteres vorzukehren sei. Der Beschwerdeführer vermochte seine Neigung auch ohne ärztliche Behandlung zu meistern. Er steht deshalb vor dem Gesetz als gebessert da, und die Weisung, die angeordnet wurde, um den Zweck des bedingten Strafvollzuges zu erreichen, hat keinen Sinn mehr. Bei diesem Ergebnis ist das Urteil des Bezirksgerichtes ![]() | 11 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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