BGE 89 IV 151 | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
30. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1963 i.S. Hoppler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
1. Art. 96 Ziff. 2 SVG. Nach dieser Bestimmung ist nur strafbar, wer ein Motorfahrzeug führt, für das überhaupt keine Versicherung besteht, nicht auch, wer bloss ohne Bewilligung gemäss Art. 67 Abs. 4 SVG ein Ersatzfahrzeug verwendet (Erw. 1). |
3. Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG. Missbrauch von Kontrollschildern (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Am gleichen Orte befand sich am 28. September 1962 ein "Volkswagen" mit den Kontrollschildern ZH 46811, dessen Fahrzeugausweis auf Dr. Frank als Halter lautete. Hoppler behauptet, er habe Dr. Frank versprochen, dieses Fahrzeug laufend zu unterhalten, wogegen Dr. Frank ihm erlaubt habe, es in der Zeit, da dieser es nicht selbst benötigte, zu gebrauchen. Am erwähnten Tage habe Dr. Frank es etwa um 22.30 Uhr wegen eines Mangels an der Kupplung zur Tankstelle schleppen lassen und Hoppler gebeten, den Mangel bis am Nachmittag des folgenden Tages zu beheben.
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Am gleichen Abend erschien ein unbekannter Kaufinteressent für den "Mercury"-Wagen. Um ihm diesen vorzuführen, nahm Hoppler die Kontrollschilder ZH 46811 vom "Volkswagen" und befestigte sie am "Mercury". Er fuhr mit diesem Fahrzeug in Begleitung des Unbekannten und dreier weiterer Personen über Schlieren bis nach Schönenwerd bei Dietikon und zurück. In Schlieren wurde er um 00.30 Uhr des 29. September von der Polizei angehalten.
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B.- Hoppler wurde angeklagt, er habe am 29. September 1962 ein Motorfahrzeug geführt, von dem er wusste, dass die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht bestand (Art. 96 Ziff. 2 SVG), und er habe Kontrollschilder für ein Fahrzeug missbraucht, für das sie nicht bestimmt waren (Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG).
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Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin am 2. Mai 1963 auch das Obergericht des Kantons Zürich sprachen ihn dieser Vergehen schuldig und verurteilten ihn zu vierzehn Tagen Gefängnis und zu Fr. 500.-- Busse. Das Obergericht lehnte den bedingten Aufschub der Freiheitsstrafe ab.
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C.- Hoppler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben, die Sache zur Abklärung der Frage, ob der "Volkswagen" während der Fahrt des "Mercury" gebrauchsunfähig war, zurückzuweisen und die Vorinstanz zu verhalten, den Beschwerdeführer nur wegen Nichteinholens einer Bewilligung gemäss Art. 60 Ziff. 1 VVV zu bestrafen.
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Er macht geltend, er habe über den "Volkswagen" und den "Mercury" verfügen dürfen, und da jener gemäss angebotenen, aber noch nicht abgenommenen Beweisen zur Zeit der Tat gebrauchsunfähig gewesen sei, habe der "Mercury" als Ersatzfahrzeug für ihn zu gelten. Die für den "Volkswagen" abgeschlossene Haftpflichtversicherung habe daher gemäss Art. 67 Abs. 3 SVG während der in der Anklageerwähnten Fahrt ausschliesslich für den "Mercury" gegolten. Dem Beschwerdeführer könne nur vorgeworfen werden, die Bewilligung für die Verwendung des Ersatzfahrzeuges nicht eingeholt zu haben.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Die Bewilligungspflicht hat den Sinn, dass die nicht bewilligte Handlung als rechtswidrig zu gelten hat. Daraus könnte gefolgert werden, dem Führer eines Motorfahrzeuges, dessen Verwendung als Ersatzfahrzeug nicht bewilligt wurde, komme Art. 67 Abs. 3 SVG nicht zugute, weshalb er ohne weiteres Art. 96 Ziff. 2 SVG unterstehe, wonach das Führen eines Motorfahrzeuges, für das die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht besteht, mit Gefängnis und Busse bestraft wird. Das trifft jedoch nicht zu. Art. 67 Abs. 4 Satz 3 SVG bestimmt nämlich, der Versicherer habe den Rückgriff, wenn die behördliche Bewilligung für die Verwendung des Ersatzfahrzeuges nicht eingeholt wurde. Daraus ergibt sich, dass das Fehlen der Bewilligung die Haftung des Versicherers für den durch das Ersatzfahrzeug verursachten Schaden gegenüber dem Geschädigten nicht ausschliesst. Dass der zahlende Versicherer ein Rückgriffsrecht erlangt hat, ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 96 Ziff. 2 SVG nicht erheblich (BGE 87 IV 132). Der deutsche und der italienische Wortlaut dieser Bestimmung sprechen zwar von der "vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung". Das bedeutet aber nicht, dass schon zu strafen sei, wenn die Leistungspflicht des Versicherers nicht auf dem vorgeschriebenen Wege, im Falle des Art. 67 Abs. 3 SVG also nicht durch ordnungsgemässe Einholung der behördlichen Bewilligung, begründet wurde. Aus dem französischen Wortlaut ergibt sich, dass nur das Führen eines Fahrzeuges, für das überhaupt keine Haftpflichtversicherung bestand ("... n'était pas couvert par une assurance-responsabilité civile..."), die Strafe von Art. 96 Ziff. 2 SVG nach sich zieht (BGE 87 IV 133). Hievon geht auch die Verordnung über Haftpflicht und Versicherungen im Strassenverkehr (VVV) aus, welche die Bewilligungspflicht für die Übertragung der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug in Art. 9 erwähnt und in Art. 60 Ziff. 1 bestimmt, wer eine durch diese Verordnung vorgeschriebene Bewilligung nicht einhole, werde mit Haft oder mit Busse bestraft. Diese Strafbestimmung würde mit Art. 96 Ziff. 2 SVG zusammentreffen und vor ihr nicht standhalten, wenn durch das Nichteinholen der Bewilligung für die Verwendung eines Ersatzfahrzeuges in Verbindung mit dem Führen desselben notwendigerweise der Tatbestand von Art. 96 Ziff. 2 erfüllt würde. Dass der Halter durch eigenmächtige Übertragung der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug die Haftung des Versicherers für die aus dessen Betrieb entstehenden Schäden soll herbeiführen können, ohne sich der Vergehensstrafe nach Art. 96 Ziff. 2 SVG auszusetzen, fällt freilich auf. Diese Bestimmung will indessen nicht die Interessen des Versicherers schützen, sondern die Interessen des Bundes und der Kantone, die unter den Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 2 bzw. 77 Abs. 1 SVG Schäden aus dem Betriebe nicht versicherter Motorfahrzeuge zu decken haben.
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Die Strafe, die das Obergericht gemäss Art. 96 Ziff. 2 SVG ausgefällt hat, hält somit nicht schon deshalb stand, weil der Beschwerdeführer die Bewilligung, den "Mercury" als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" zu verwenden, nicht besass. Das Obergericht nimmt das denn auch nicht an, sondern übergeht die Frage, weil es der Auffassung ist, der "Mercury" sei nicht als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" verwendet worden.
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Die Bewilligung wird erteilt, wenn das Fahrzeug, dem die Kontrollschilder zugeteilt sind, wegen Beschädigung, Reparatur, Revision, Umbau und dergleichen nicht gebrauchsfähig und das Ersatzfahrzeug betriebssicher ist (Art. 9 Abs. 2 VVV). Der Fahrzeugausweis für jenes muss bei der Behörde hinterlegt werden (Art. 10 Abs. 1 VVV). Das setzt normalerweise voraus, dass der Halter in die Hinterlegung einwillige. Von seinem Willen hängt ab, ob an Stelle des Fahrzeuges, dem die Kontrollschilder zugeteilt sind, ein Ersatzfahrzeug zu verwenden sei. Art. 67 Abs. 3 SVG spricht denn auch nur vom Fall, wo "der Halter" an Stelle des versicherten Fahrzeuges und mit dessen Kontrollschildern ein Ersatzfahrzeug verwendet. Daraus ergibt sich, dass nicht irgend jemand ohne Wissen und Willen des Halters von einem gebrauchsunfähigen Fahrzeug die Kontrollschilder auf ein anderes soll übertragen können, mit der Wirkung, dass das andere dadurch "Ersatzfahrzeug" werde. Es liegt zudem schon im Begriff des "Ersatzes", dass der Entschluss zur Substitution des einen Fahrzeuges durch das andere vom Halter ausgehen oder von ihm genehmigt werden muss. Der Halter ist es denn auch, der daran wegen der Haftpflicht interessiert ist. Es kann ihm normalerweise nicht gleichgültig sein, ob die Versicherung auf ein anderes Fahrzeug übergehe.
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Es braucht jedoch zu dieser Frage nicht abschliessend Stellung genommen zu werden. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer vom Halter Dr. Frank stillschweigend ermächtigt worden sein sollte, so zu handeln, wäre der "Mercury" nicht Ersatzfahrzeug geworden. Er wurde nicht wegen der angeblichen Beschädigung des "Volkswagens" verwendet, wie Art. 9 Abs. 2 VVV voraussetzt, sondern er diente einem Zwecke, der überhaupt nur mit dem "Mercury" erreicht werden konnte: der Vorführung im Hinblick auf den beabsichtigten Verkauf dieses Fahrzeuges. Für diesen Zweck hätte die Behörde die Verwendung des "Mercury" als "Ersatzfahrzeug" nicht bewilligen können. Höchstens wäre die Abgabe eines Wechselschilderpaars in Frage gekommen, was jedoch zwei gesonderte und besonders gekennzeichnete Versicherungsausweise erfordert hätte (Art. 13-15 VVV). Würde anders entschieden, so wäre missbräuchlicher Übertragung von Kontrollschildern auf Fahrzeuge, für die sie nicht bestimmt sind, der Weg geebnet.
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Der Hinweis des Beschwerdeführers auf je ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (BIZüR 60 Nr. 28) und des Strafgerichtes des Kantons Basel-Land (SJZ 59 24 Nr. 2 = RStrS 1963 Nr. 50) ist müssig, denn diese Entscheide betrafen andere Sachverhalte.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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