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25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1964 i. S. Glaser gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
Auslieferungsrecht; Grundsatz der Spezialität. Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche; Notenaustausch betreffend Auslieferungsverfahren und Rechtshilfe in Verkehrsstrafsachen auf Grund des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages. | |
Sachverhalt | |
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Glaser begab sich in der Folge nach West-Berlin. Nachdem gegen ihn in Luzern erneut eine Strafuntersuchung wegen Betruges, Veruntreuung und Urkundenfälschung eröffnet worden war, ersuchte das Kriminalgericht des Kantons Luzern im Oktober 1962 die zuständigen deutschen Amtsstellen um Auslieferung Glasers. Durch Verfügung des Senators für Justiz von Berlin-Schöneberg vom 18. Dezember 1962 wurde dem Gesuch entsprochen, worauf Glaser am 17./23. April 1963 den Behörden des Kantons Luzern übergeben wurde.
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B.- Wegen der am 17. November 1961 beurteilten strafbaren Handlungen beschloss das Obergericht des Kantons Bern am 13. Dezember 1963, den am 2. März 1960 vom Amtsgericht Bern gewährten bedingten Strafvollzug zu widerrufen. Der Begründung ist zu entnehmen: Beim Widerruf eines bedingten Strafvollzuges handle es sich weder um eine Verfolgungs- noch um eine Vollstreckungshandlung, sondern lediglich um die Aufhebung einer früher zugestandenen Rechtswohltat. Ein derartiger Entscheid bewirke die Vollstreckbarkeit der Strafe, nicht aber deren Vollzug. Das Widerrufsverfahren falle somit nicht unter die Handlungen, welche die zwischen Deutschland und der Schweiz gewechselte Note vom 6./23. März 1936 betreffend Auslieferungsverfahren und Rechtshilfe in Verkehrsstrafsachen erwwähne.
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C.- Glaser führt gegen diesen Beschluss Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, vom Vollzug der Strafe abzusehen. Er macht geltend, seine Auslieferung durch den Senator für Justiz von Berlin-Schöneberg sei unzulässig. Nach dem Grundsatz der Spezialität seien die Behörden des Kantons Bern zudem nicht berechtigt, im Anschluss ![]() | 4 |
D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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b) Die Auslieferung Glasers durch den Senator für Justiz von Berlin-Schöneberg stützt sich auf den Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich vom 24. Januar 1874 und wurde den Behörden des Kantons Luzern zur Verfolgung wegen Betruges, Veruntreuung und Urkundenfälschung bewilligt. Die Auslieferungsbewilligung umfasste also nicht auch das Verfahren über den Widerruf des am 2. März 1960 bedingt gewährten Strafaufschubes. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Dezember 1963, durch welchen dieser bedingte Strafaufschub widerrufen wurde, verstösst daher gegen das im Auslieferungsverkehr mit Deutschland geltende Prinzip der Spezialität, sofern Glaser dadurch bestraft oder in seiner persönlichen Freiheit beschränkt wurde.
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Durch den angefochtenen Entscheid wurde der frühere bedingte Strafaufschub widerrufen; das Obergericht hat darin also gegenüber dem ausgelieferten Beschwerdeführer ![]() | 10 |
Im vorausgegangenen Verfahren wurde Glaser zur Verhandlung des Obergerichtes vorgeladen. Die Glaser am 13. November 1963 ins Zentralgefängnis Luzern zugestellte Vorladung war mit der Androhung verknüpft, dass der Beschwerdeführer, wenn er sich nicht durch einen Anwalt vertreten lasse oder einen schriftlichen Parteivortrag einreiche, persönlich zu erscheinen habe, ansonst die Appellation als dahingefallen erklärt würde. Der Vorinstanz war bekannt, dass Glaser wegen Geistesschwäche entmündigt war und sich wegen Mittellosigkeit keinen Anwalt leisten konnte. Glaser wurde sodann mit Transportbefehl von Luzern nach Bern gebracht und, nach dem Verfahrensprotokoll der Vorinstanz, als Angeschuldigter polizeilich vorgeführt. Damit wurden aber Vorkehren getroffen, welche die Anwesenheit Glasers in der Schweiz notwendigerweise voraussetzten, und prozessuale Zwangsmittel angewendet, die seine persönliche Freiheit beschränkten. Das Vorgehen der Vorinstanz verstiess unter diesen Umständen gegen das im deutschschweizerischen Notenwechsel vom 6./23. März 1936 aufgestellte Verbot, den Ausgelieferten zu einem von der Auslieferung nicht umfassten Verfahren zur Untersuchung zu ziehen, bzw. in seiner persönlichen Freiheit zu beschränken.
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