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33. Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1964 i.S. Müller gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | |
Regeste |
1. Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG ist auch bei fahrlässiger Begehung anwendbar (Erw. 2). |
3. Art. 48 Ziff. 2 StGB. Bemessung der Busse nach dem Verschulden und den finanziellen Verhältnissen des Täters (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte Müller am 23. Juni 1964 in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG zu 14 Tagen Gefängnis, bedingt vollziehbar, und zu Fr. 300. - Busse.
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C.- Müller führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG und Art. 100 StGB nur auf Busse erkenne.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass er durch regelwidriges Verhalten auf der Strase das Vergehen des Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG objektiv erfüllt hat. Dass er ungeachtet der erkennbaren Absicht des Jeepführers, nach links abzubiegen, dessen Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/Std an einer Strassenverzweigung überholte, stellt in der Tat einen groben Verstoss gegen Art. 35 Abs. 5 SVG dar. Die Gefahr, die er dadurch für Leib oder Gesundheit anderer hervorrief, ![]() | 4 |
Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer die Gefahr vorsätzlich oder doch eventualvorsätzlich herbeigeführt habe. Seine Darstellung, er habe keine Anzeichen für ein Linksabbiegen des Jeeps festgestellt, insbesondere das Blinklicht nicht gesehen und auf der nur wenig über 6 m breiten Surbtalstrasse auch nicht bemerkt, dass der Jeep gegen die Strassenmitte eingespurt habe, ist vom Obergericht nicht widerlegt worden. Dieses stellt auch keine Erwägungen darüber an, dass der Beschwerdeführer im Bewusstsein der möglichen Gefährdung anderer sich mit einer solchen innerlich abgefunden habe. Es ist daher davon auszugehen, dass ihm bloss Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, und sein Einwand zu prüfen, dass in diesem Falle Art. 90 Ziff. 1 SVG hätte angewendet werden müssen, nicht Ziff. 2, da diese Bestimmung bloss bei vorsätzlichem Handeln anwendbar sei.
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Die Auslegung des Gesetzes führt zum gleichen Ergebnis. Der Vergehenstatbestand des Art. 90 Ziff. 2 SVG wurde in erster Linie geschaffen, um in diesen Fällen die Anwendung des Art. 237 StGB auszuschliessen. Nach Art. 90 Ziff. 2 Abs. 2 SVG umfasst dieser Ausschluss Art. 237 StGB in seiner Gesamtheit, Ziff. 1 wie Ziff. 2, was nur heissen kann, dass Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 auch auf die fahrlässige Begehung anwendbar ist. Wäre es anders, müsste die fahrlässige Gefährdung entweder wiederum nach Art. 237 Ziff. 2 StGB oder aber auf Grund von Art. 90 Ziff. 1 SVG geahndet werden. Diese Folge wäre unhaltbar, weil die Tat trotz grober Verletzung von Verkehrsregeln und ernstlicher Gefährdung nur mit Haft oder Busse bestraft werden könnte, jene wäre widersinnig, weil dann der objektive Tatbestand bei vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln nicht der gleiche wäre und zudem die unterschiedliche Handhabung des Art. 237 StGB bestehen bliebe, was mit Art. 90 SVG gerade verhindert werden wollte.
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Die Auffassung, der Tatbestand des Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG sei ein Vorsatzdelikt, lässt sich auch nicht damit begründen, dass bei grober Verletzung von Verkehrsregeln und Hervorrufung einer ernstlichen Gefahr praktisch immer auch der Gefährdungsvorsatz, zumindest in der Eventualform, gegeben sei (SCHULTZ, a.a.O. S. 171). In Fällen, wo der Täter Verkehrsregeln vorsätzlich grob verletzt, mag diese Annahme weitgehend zutreffen; Ausnahmen sind indessen auch hier möglich. Vor allem ist nicht zu übersehen, dass eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln, die zu einer ernstlichen Gefahr für andere ![]() | 9 |
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4. Der Beschwerdeführer hat die Tat kurz vor Vollendung des 19. Altersjahrs verübt, so dass an sich der Strafmilderungsgrund des Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gegeben ist. Der Richter ist jedoch auch beim Vorliegen eines Strafmilderungsgrundes nicht verpflichtet, die Strafmilderung gemäss Art. 65 StGB eintreten zu lassen, sondern er kann die Anwendung dieser Bestimmung ablehnen und dem Strafmilderungsgrund bloss innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens Rechnung tragen, wenn er findet, dass die Umstände des Falles eine Milderung nicht rechtfertigen (BGE 71 IV 80/81, Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1948 i.S. Hug, BGE 83 IV 189 Nr. 53). Das Obergericht hat von diesem Ermessen Gebrauch gemacht, ohne es zu überschreiten. Es führt aus, dem Verschulden des Beschwerdeführers sei allein eine Gefängnisstrafe in Verbindung mit Busse angemessen. Damit wollte es, wie sich aus den vorangegangenen Erwägungen ergibt, sagen, dass angesichts der Schwere des Verschuldens und der Tat, die aus blossem Zufall nicht zu einem Unglück mit tödlichem Ausgang geführt habe, die mildere Strafe (Haft oder Busse), auf die nach Art. 65 ![]() | 11 |
Im Urteilsdispositiv wird allerdings die Anwendung von Art. 100 StGB erwähnt. Dieser Hinweis, der nicht zutrifft, da die Strafmilderung abgelehnt und somit Art. 100 StGB nicht angewendet wurde, beruht offensichtlich auf einem Versehen und ist zu berichtigen.
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Eine Verletzung des Art. 63 StGB läge im übrigen nur vor, wenn die ausgefällte Strafe von 14 Tagen Gefängnis willkürlich hoch, mit sachlichen Gründen nicht zu vertreten wäre. Dass dies der Fall sei, behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Insbesondere ist nicht zu ersehen, dass und welche Umstände, die gemäss Art. 63 neben dem Verschulden mitzuberücksichtigen sind, ausser acht gelassen worden wären. Jedenfalls vermag der Beschwerdeführer keinen Grund zu nennen, der zu einer geringeren Strafe hätte führen müssen, also geeignet wäre, den Vorwurf willkürlicher Strafzumessung zu begründen.
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b) Eine Verletzung des Art. 48 Ziff. 2 Abs. 1 und 2 StGB sieht der Beschwerdeführer darin, dass ihm als Student ohne Einkommen eine Busse von Fr. 300. - auferlegt worden ist. Art. 48 Ziff. 2 StGB schreibt jedoch nicht vor, dass die Busse ausschliesslich oder vorwiegend nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters zu bemessen sei, sondern massgebend ist in erster Linie die Schwere des Verschuldens. In dieser Hinsicht war eine verhältnismässig hohe Busse am Platze. Unter dem ![]() | 15 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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