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41. Urteil des Kassationshofes vom 30. Oktober 1964 i.S. Meier gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 191 Ziff. 2 StGB. |
Es kann aber unter Umständen als Versuch zu einer solchen Handlung oder als unzüchtige Belästigung im Sinne von Art. 205 StGB strafbar sein (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Meier wurde der Unzucht vor Kindern im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 Abs. 3 StGB angeklagt.
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Das Bezirksgericht Zürich sprach Meier frei. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin erklärte ihn das Obergericht des Kantons Zürich dagegen am 21. Januar 1964 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zwei Monaten.
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C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Meier bestreitet den unzüchtigen Charakter seiner Äusserungen nicht, macht jedoch geltend, blosses Reden könne nicht als Handlung im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 StGB gelten.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Der Kassationshof hat sich mit der Frage, ob unzüchtiges Reden mit einem Kinde als unzüchtige Handlung gelten könne, bereits in BGE 89 IV 12 Erw. 2 befasst, allerdings ohne dazu abschliessend Stellung zu nehmen. Wie dort ausgeführt worden ist, will Art. 191 StGB die geschlechtliche Unversehrtheit des Kindes in körperlicher wie in seelischer Hinsicht schützen. In seiner sittlichen ![]() | 7 |
Es entspräche daher zweifellos nicht nur dem Zweck des Gesetzes, sondern angesichts der steten Zunahme von Sittlichkeitsdelikten auch einem kriminalpolitischen Bedürfnis, wenn zumindest grob unzüchtige Äusserungen gegenüber einem Kinde, wie sie hier vorliegen, geahndet werden könnten. Der Wortlaut des Art. 191 Ziff. 2 Abs. 3 StGB, der unzüchtige Handlungen vor einem Kinde unter Strafe stellt, schlösse den Einbezug solcher Äusserungen nicht notwendig aus. Fragen kann sich nur, ob die Bestimmung losgelöst von den andern zum Schutze der geschlechtlichen Freiheit und Ehre erlassenen Normen ausgelegt werden darf und ob sich das insbesondere mit den vorgesehenen Strafandrohungen verträgt.
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a) Das Gesetz verwendet den Begriff der (unzüchtigen) Handlung in zahlreichen Bestimmungen des fünften Titels (Art. 187-212). Inbezug auf Art. 203 wurde gestützt auf die Gesetzesmaterialien bereits entschieden, dass der Begriff nicht im weitesten Sinne, sondern bloss als Tat im Gegensatz zum Wort zu verstehen sei (BGE 70 IV 85). Sinn und Wortlaut der übrigen Bestimmungen sprechen ebenfalls dafür, dass unzüchtiges Reden nicht unter den Begriff der unzüchtigen Handlung fällt. So können die ![]() | 9 |
Lässt das Gesetz aber in all den angeführten Bestimmungen insofern einen einheitlichen Begriff der (unzüchtigen) Handlung erkennen, als es darunter bloss Taten, nicht aber Worte versteht, so hat sich die Auslegung auch bei Art. 191 Ziff. 2 Abs. 3 daran zu halten, mündliche Äusserungen folglich auszunehmen. Diese Folgerung deckt sich sowohl mit dem allgemeinen Sprachgebrauch wie mit der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung (HAFTER, Bes. Teil I 131 f.; Komm. LOGOZ, Art. 191 N. 3 lit. b; s. ferner Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Bd. 12 S. 42 f. und dort angeführtes deutsches Schrifttum). Soweit man sich bei den Beratungen des Gesetzes mit der Frage überhaupt befasst hat, steht sie zudem im Einklang mit dessen Entstehungsgeschichte (Prot. 2. Exp. Kom. Bd. 3 S. 259, 262 Abs. 1, Voten von Zürcher, Gautier und Hafter; vgl. ferner ZÜRCHER, Erläuterungen zum VE von 1908 S. 248).
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b) Die gegenteilige Auffassung hätte gemäss Art. 191 Ziff. 2 StGB zur Folge, dass unzüchtige Äusserungen ![]() | 11 |
Schon diese Folgen zeigen, dass es den dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen widerspricht, unzüchtiges Reden mit einem Kinde nach Art. 191 Ziff. 2 StGB ahnden zu wollen. Die Mindeststrafen dieser Bestimmung sind insbesondere im Verhältnis zu derjenigen des Art. 204 ![]() | 12 |
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Unzüchtiges Reden kann zudem als unzüchtige Belästigung im Sinne von Art. 205 StGB strafbar sein. Dass der Beschwerdeführer in unzüchtiger Absicht gehandelt hat, kann nach dem angefochtenen Urteil nicht zweifelhaft sein, ebensowenig dass er jemanden, der ihm dazu keinen Anlass gegeben hat, öffentlich belästigt hat. Öffentlich begangen ist die Belästigung schon, wenn nach den Umständen, insbesondere nach den örtlichen Verhältnissen, bloss möglich war, dass anwesende oder zufällig hinzukommende unbeunbestimmte Dritte sie wahrnehmen (vgl.BGE 78 IV 165Erw. 4). Das traf hier zu. Nach Zeugenaussagen konnte übrigens zumindest eine Drittperson das Gespräch mitverfolgen.
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Das Obergericht hat diese Möglichkeiten, den Beschwerdeführer zu bestrafen, zu prüfen und je nach dem Ergebnis neu zu urteilen, sofern dies nach dem kantonalen Prozessrecht noch möglich ist; andernfalls hat es ihn freizusprechen.
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