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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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51. Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1964 i.S. Osterwalder gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. | |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. Beginn der Probezeit. | |
Sachverhalt | |
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Am 3. September 1963 beging Osterwalder wieder strafbare Handlungen. Er wurde deswegen am 20. März 1964 vom gleichen Gericht zu vier Wochen Gefängnis verurteilt.
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B.- Gestützt auf die neue rechtskräftige Verurteilung verfügte das Bezirksgericht St. Gallen am 25. August 1964, die am 17. Juni 1960 ausgefällte Gefängnisstrafe sei zu vollziehen. Es nahm an, die dreijährige Probezeit habe erst am 28. Oktober 1960, als das Urteil in Rechtskraft erwachsen und vollstreckbar geworden sei, zu laufen begonnen; ![]() | 3 |
C.- Osterwalder führt gegen diese Verfügung Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben. Er macht geltend, seine neuen Verfehlungen fielen nicht mehr in die Probezeit, da diese mit der Eröffnung des Urteils, also schon am 17. Juni 1960 zu laufen begonnen habe.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt, die Beschwerde gutzuheissen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Wie der Kassationshof in den angeführten Fällen ausgeführt hat, beginnt die Probezeit frühestens mit der Eröffnung des Urteils und spätestens von dem Tage an zu laufen, an dem die Bestrafung als solche rechtskräftig und die Entscheidung im Strafpunkte vollziehbar geworden ist. Diese Rechtsprechung gibt eine klare Antwort einzig für den eher seltenen Fall, dass das Urteil mit der Eröffnung rechtskräftig und vollstreckbar wird; wo dies nicht zutrifft, bleibt die Frage mit all den Schwierigkeiten, sie allseits zutreffend zu beantworten, bestehen. Den Beginn der Bewährungsfrist genauer festzulegen, drängt sich jedoch schon im Interesse der Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit auf. Die Probezeit kann nicht in einzelnen Kantonen mit der ![]() | 7 |
a) Der Richter, der den bedingten Strafvollzug gewährt, erwartet vom Verurteilten, dass er sich schon durch die blosse Strafandrohung bessern und von neuen Straftaten abhalten lasse. Er setzt ihm eine Probezeit, während der sich der Verurteilte des richterlichen Vertrauens würdig zu erweisen hat. Enttäuscht er den Richter, insbesondere indem er während der Bewährungsfrist eine neue Straftat begeht, so hat er den Widerruf des bedingten Strafvollzuges zu gewärtigen. Dies muss vor allem für den Fall gelten, dass der Verurteilte die neue Tat kurz nach der Verurteilung wegen der früheren verübt; denn eine erneute Verfehlung unmittelbar nach einer Bestrafung stellt eine besonders schwere Täuschung richterlichen Vertrauens dar, gebietet folglich den Widerruf des bedingten Strafvollzuges in vermehrtem Masse. Es wäre stossend, wenn der Verurteilte sich diesfalls ungeahndet über das Vertrauen hinwegsetzen könnte, das ihm der Richter in Gestalt des Strafaufschubes entgegenbrachte. Schon dies spricht dafür, die Probezeit von dem Zeitpunkt an laufen zu lassen, an dem der Richter dem Verurteilten gegenüber die Erwartung ausspricht, er werde sich schon durch eine bedingte Strafe bessern lassen. Das ist die Eröffnung des Urteils, das den Verurteilten unter Bewährungsprobe stellt.
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Diese Lösung entspricht auch der psychologischen Lage, in der sich der Verurteilte befindet. Die Verurteilung zu einer bedingt vollziehbaren Strafe hat den Sinn einer Warnung.
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Den Beginn der Probezeit stets von der Rechtskraft oder der Vollstreckbarkeit des Urteils abhängig machen, hiesse sehr oft, ihn in unbestimmte Zukunft verlegen, womit die Wirksamkeit der Warnung abgeschwächt würde. Rechtsungleiche Behandlungen wären zudem unvermeidlich. Ungleichheiten ergäben sich vor allem daraus, dass die kantonalen Strafprozessordnungen die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des Urteils sehr unterschiedlich regeln. So wird z.B. im Kanton Bern die Rechtskraft auf den Tag der Ausfällung des Urteils zurückbezogen, selbst wenn gegen dieses appelliert und die Appellation zurückgezogen worden ist (Art. 297 Abs. 2 der bern. StPO). Das gleiche gilt offenbar auch für die Vollstreckbarkeit (vgl. Art. 361 Abs. 1 und 363 Abs. 1 der bern. StPO). Im Kanton St. Gallen wird dagegen, wie die Vorinstanz ausführt, ein Urteil erst mit dem unbenützten Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig und vollziehbar. Liesse man die Probezeit stets von ![]() | 11 |
b) Wird der erstinstanzliche Strafentscheid, der den Verurteilten unter Bewährungsprobe stellt, sei es von diesem selbst oder vom Ankläger an eine obere Instanz weitergezogen, so läuft die Frist von der Eröffnung desjenigen Urteils an, das nach Abschluss des Verfahrens zur Vollstreckung kommt. Massgebend ist demnach, ob im Falle der Abweisung des Rechtsmittels der angefochtene Entscheid bestehen bleibt und vollstreckbar wird oder ob an seine Stelle das oberinstanzliche Urteil tritt. Dieses ist der Fall bei der Berufung oder Appellation, jenes in der Regel bei der Nichtigkeits- oder Kassationsbeschwerde. Demgemäss läuft die Probezeit im Falle der Appellation oder Berufung von der Eröffnung des oberinstanzlichen Urteils, im Falle der Nichtigkeits- oder Kassationsbeschwerde von der Eröffnung des mit der Beschwerde angefochtenen Entscheides an.
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